# taz.de -- Kooperation Wikipedia und Elsevier: Umstrittener Deal | |
> Der Wissenschaftsverlag Elsevier gibt einigen Wikipedia-Editoren | |
> kostenlosen Zugriff auf seine Publikationen. Das führt zu heftiger | |
> Kritik. | |
Bild: Auf Fachliteratur angewiesen: Leseplätze in der Universitätsbibliothek … | |
Eine Spende, die Wikipedia-Editoren helfen soll, wissenschaftliche Artikel | |
zu verbessern – so schreibt es der [1][Wissenschaftsverlag Elsevier in | |
einer Meldung auf seiner Webseite.] Elsevier gewährt einigen ausgewählten | |
Autoren der Wikipedia kostenlosen Zugriff auf das Portal ScienceDirect, das | |
zahlreiche wissenschaftliche Fachartikel aus verschiedensten Disziplinen | |
bereitstellt. | |
Für den Biologen Michael Eisen ist es ein vergiftetes Geschenk. „Ich bin | |
schockiert zu sehen, dass die Wikipedia Hand in Hand mit Elsevier daran | |
arbeitet, die Enzyklopädie mit Artikeln zu füllen, auf die Menschen nicht | |
zugreifen können“, [2][kritisiert Eisen die Kooperation auf Twitter.] Eisen | |
ist einer der bekanntesten Köpfe der Open-Access-Bewegung und Mitbegründer | |
der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PLOS. | |
Die Open-Access-Vertreter fordern, dass wissenschaftliche Ergebnisse, | |
insbesondere wenn sie aus Steuergeldern finanziert wurden, grundsätzlich | |
kostenlos für alle im Netz lesbar sein sollten. Ein teures Angebot wie | |
ScienceDirect ist für Open-Access-Verfechter daher ein rotes Tuch. Dort | |
muss man für den Zugriff auf einen einzelnen Artikel jeweils etwa 30 Dollar | |
zahlen. | |
Eigentlich verbindet die Wikipedia und die Open-Access-Bewegung viel. Die | |
Wikipedia veröffentlicht so wie die meisten Open-Access-Zeitschriften ihre | |
Inhalte unter einer freien Creative-Commons-Lizenz, die nicht nur die | |
Weiterverbreitung, sondern auch das Verändern der Inhalte erlaubt. Beide | |
eint das Ziel, möglichst viel Wissen frei verfügbar bereitzustellen. | |
## Freier Zugriff auf das Wissen | |
„Stellt euch eine Welt vor, in der jede einzelne Person auf dem Planeten | |
freien Zugriff auf die Summe allen menschlichen Wissens hat“ – so | |
beschreibt Wikipedia-Gründer Jimmy Wales den Zweck der Online-Enzyklopädie. | |
So überrascht es auch nicht, dass die Wikipedia an vielen Stellen mit der | |
Open-Access-Gemeinde kooperiert. | |
Dass Vereinbarungen wie die mit Elsevier nicht ganz unproblematisch sind | |
ist der Wikipedia selbst klar. Auf der Webseite gibt es dazu [3][eine | |
ausführliche Erklärung.] „Wir glauben auch, dass es traurig ist, dass wir | |
um solche Spenden bitten müssen und Wikipedias Wert als Portal an Verleger | |
verkaufen.“ In der Begründung wird klar, wie schwer man sich dort mit | |
derartigen Entscheidungen tut. Man wolle die besten Inhalte als Quellen | |
nutzen, und die befänden sich häufig hinter Paywalls. | |
Doch an anderer Stelle geben sich prominente Wikipedia-Vertreter weit | |
weniger selbstkritisch. „Wir sind begeistert, dass wir Elsevier unter | |
unseren Partnern bei der ‚Wikipedia Library‘ haben, die unseren | |
Freiwilligen helfen, die weltgrößte freie Enzyklopädie zu erstellen“, wird | |
etwa Alex Stinson, der Manager der Wikipedia Library, in der | |
Elsevier-Meldung zitiert. Genau hier sieht Eisen das größte Problem. | |
Elsevier nutze die Wikipedia, um sich selbst einen besseren Ruf zu | |
verschaffen. Er bezeichnet die Aktion von Elsevier als „Openwashing“. | |
## Bevorzugte Quellen | |
Interessant sind [4][die Richtlinien,] die für die Position der Wikipedia | |
entscheidend sind. Die Wikipedia legt großen Wert darauf, alle Inhalte mit | |
Quellen zu belegen. Bei der Wahl der Quellen soll die Verfügbarkeit jedoch | |
explizit keine Rolle spielen. Das steht im deutlichen Kontrast zu anderen | |
Regelungen. So heißt es etwa in der englischen Wikipedia, dass Quellen in | |
anderen Sprachen zwar erlaubt sind, aber englischsprachige Quellen | |
bevorzugt werden sollen. Eine ähnliche Bevorzugung von öffentlich | |
verfügbaren Quellen gegenüber kostenpflichtigen Inhalten hinter Paywalls | |
gibt es jedoch nicht. | |
Neu sind derartige Kooperationen mit wissenschaftlichen Fachpublikationen | |
übrigens nicht. Unter dem Dach des Projekts „Wikipedia Library“ können | |
besonders aktive Wikipedia-Editoren unter bestimmten Bedingungen Zugriff | |
auf zahlreiche Wissenschaftsdatenbanken erhalten. | |
Dass die Debatte jetzt hochkocht, dürfte am Namen Elsevier liegen. Der | |
Fachverlag hat in der Open-Access-Gemeinde einen besonders schlechten Ruf. | |
Vor einigen Jahren hatte Elsevier in den USA versucht, [5][mittels eines | |
Gesetzes] den zunehmenden Open-Access-Bemühungen einiger öffentlicher | |
Institutionen einen Riegel vorzuschieben. Einige Wissenschaftler haben in | |
der Vergangenheit ihre Kollegen dazu aufgerufen, Elsevier zu boykottieren. | |
25 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://Wissenschaftsverlag%20Elsevier%20in%20einer%20Meldung%20auf%20seiner… | |
[2] https://twitter.com/mbeisen/status/642086986153525248 | |
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:The_Wikipedia_Library/Whynotoa | |
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Verifiability#Access_to_sources | |
[5] /!5102181/ | |
## AUTOREN | |
Hanno Böck | |
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