# taz.de -- Streit mit Wissenschaftsverlag: Forscher boykottieren Elsevier | |
> Die Verhandlungen der Hochschulen mit den Verlagen über den Bezug von | |
> Fachliteratur bleiben zäh. Knackpunkte sind Fragen über Open Access. | |
Bild: Die Hochschulen klagen über die zunehmenden Kosten bei der Literaturbesc… | |
Die Wissenschaft ist frei, aber der Zugang zu ihrem Wissen ist es nicht | |
immer. Das harte Tauziehen zwischen den deutschen Hochschulen und den | |
großen Wissenschaftsverlagen über neue Verträge zum Bezug von | |
Wissenschaftsliteratur dauert an und hat sich in den letzten Monaten in | |
unterschiedliche Richtungen entwickelt. | |
So sind die Verhandlungen mit dem weltgrößten Wissenschaftsverlag, Elsevier | |
mit Hauptsitz in den Niederlanden, von seiten des [1][deutschen | |
Verhandlungskonsortiums Deal], das über die Hochschulrektorenkonferenz | |
(HRK) die deutschen Universitäten und ihre Bibliotheken vertritt, keinen | |
Schritt vorangekommen. Die Wissenschaftler verlangen faire Preise und einen | |
freieren Zugang zu Onlineartikeln (Open Access). | |
„Die willkürlich hoch erscheinenden Preise belasten die Akzeptanz der | |
Arbeitsteilung zwischen Wissenschaft und Verlagswesen“, sagte der | |
Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich und frühere Vorsitzende | |
des Wissenschaftsrates, Wolfgang Marquardt. Die wissenschaftlichen | |
Bibliotheken seien zunehmend gezwungen, ihr Angebot einzuschränken. | |
Marquardt: „Daraus resultiert eine wachsende Gefahr für den | |
wissenschaftlichen Diskurs in den Fachdisziplinen.“ Um den Druck auf | |
Elsevier zu erhöhen, haben in den letzten Wochen an die 200 deutsche | |
Wissenschaftler ihre Mitarbeit als Herausgeber für Elsevier-Journale | |
niedergelegt. | |
Nach Zahlen, die im Oktober auf einer Open-Access-Tagung in Saarbrücken | |
genannt wurden, machte Elsevier im Jahr 2016 bei einem Umsatz von 2,3 | |
Milliarden Euro einen bereinigten operativen Gewinn von 830 Millionen Euro. | |
Ein lukratives Geschäft, das der Steuerzahler gleich zweimal finanziert: | |
Einmal durch die Produktion der Forschungsergebnisse generell, für die dann | |
via Zeitschriftenankauf erneut bezahlt wird. | |
Nach der Deutschen Bibliotheksstatistik gaben die 81 deutschen | |
Universitätsbibliotheken 2016 insgesamt 246 Millionen Euro für den Erwerb | |
wissenschaftlicher Literatur aus. Der Anteil digitaler Medien macht | |
inzwischen 65 Prozent aus. Von den Ausgaben für Zeitschriften geht mehr als | |
die Hälfte an die drei großen Wissenschaftsverlage: 28 Prozent an Elsevier, | |
17 Prozent an den deutschen Verlag Springer Natur und 13 Prozent an | |
Wiley-VCH. | |
## Steigende Kosten für wissenschaftliche Journale | |
Der Kostentrend ist dabei gespalten. Nach einer Aufstellung der Association | |
of Research Libraries erhöhten sich die Kosten für wissenschaftliche Bücher | |
(Monografien) seit 1986 international um rund 80 Prozent und blieben damit | |
unter dem US-Index für Konsumausgaben. Die Kosten für wissenschaftliche | |
Journale schossen dagegen bis 2014 um mehr als 500 Prozent in die Höhe. | |
Das Projekt Deal, hinter dem neben der HRK auch die Allianz der deutschen | |
Wissenschaftsorganisationen steht, will künftig eine national gültige | |
Lizenz statt bisher bilateraler Verträge zwischen Universitäten und | |
Verlagen erreichen, „eine angemessene Bepreisung nach einem einfachen, | |
zukunftsorientierten Berechnungsmodell“ sowie die offene Freischaltung der | |
Publikationen von Erstautoren aus deutschen Wissenschaftseinrichtungen nach | |
dem sogenannten Open-Access-Goldstandard. | |
Mit dem Verlag Springer Nature wurde jetzt eine Stillhaltevereinbarung | |
getroffen, nachdem man beim letzten Gespräch im Oktober „in grundsätzlichen | |
Fragen bereits Annäherung erzielen konnte“, so HRK-Präsident Horst Hippler. | |
Die bestehenden Bibliotheksverträge wurden um ein Jahr „kostenneutral | |
verlängert“. | |
## Gute Atmosphäre | |
Gleiches zeichnet sich für den Verlag Wiley-VCH ab, mit dem Deal in den | |
kommenden Wochen verhandelt. Die letzte Begegnung im September sei von | |
einer „guten Atmosphäre und konstruktiven, zielorientierten Gesprächen“ | |
geprägt gewesen, verlautete vonseiten der HRK. | |
Aber die Verhandlungen sind kompliziert und dauern sehr viel länger als | |
anfangs geplant. Denn Urheberrechtsfragen sind seit jeher vermintes | |
Gelände. Auf Nebenkriegsschauplätzen hat der Börsenverein des Deutschen | |
Buchhandels eine Kartellbeschwerde gegen das Deal-Konsortium angestrengt, | |
weil der Handel künftig zu kurz komme. Und Elsevier hat die Berliner | |
Internetplattform Researchgate verklagt, weil dort unter den | |
Wissenschaftlern kostenlos Artikel geteilt werden. | |
Auf der Open-Access-Tagung warnte der Saarbrücker | |
Informationswissenschaftler Ulrich Herb davor, dass Elsevier derzeit dabei | |
sei, „das Betriebssystem des Wissenschaftsbetriebs“ zu werden. Die | |
Veröffentlichung in seinen führenden Forschungsjournalen ist weiterhin | |
ausschlaggebend für wissenschaftliche Karrieren. Inzwischen bietet Elsevier | |
auch eigene Open-Access-Zugänge an, allerdings nach einem anderen, dem | |
„grünen“ Standard, bei dem nach Ablauf einer Frist dann doch bezahlt werden | |
muss. Für manche ein trojanisches Pferd, das unbedacht in die Bibliotheken | |
gezogen wird. | |
17 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.projekt-deal.de/ | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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