Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Waffen in Mexiko: Lukrative Exporte in den Drogenkrieg
> Große Mengen an Gewehren und Pistolen verkauft: Eine US-Schwesterfirma
> des deutschen Rüstungskonzerns Sig Sauer liefert nach Mexiko.
Bild: Kaliber-9-Milimeter-Pistole: Qualitätsprodukt aus dem Hause Sig Sauer
Berlin taz | Franz von Stauffenberg wollte „das Besondere“ der
Rüstungsschmiede Sig Sauer hervorheben. „Wir haben keine Geschäftsmodelle,
die in kritische Drittländer schielen“, erklärte der Geschäftsführer des
Eckernförder Unternehmens im Sommer. Doch das trifft offenbar nicht auf
alle Sig-Sauer-Betriebe zu.
Dokumente, die der taz und der ARD vorliegen, geben an, dass die
Schwesterfirma Sig Sauer Inc. im US-Bundesstaat New Hampshire große Mengen
von Waffen in das vom Drogenkrieg geprägte Mexiko exportiert hat. Laut
einem internen Schreiben des US-Kongresses beträgt der gegenwärtige
Lieferumfang für Gewehre, Pistolen und Reparaturmaterial einen Wert von 266
Millionen US-Dollar. Die Güter gehen demnach an die Marine, das
Verteidigungs- und Innenministerium sowie föderale und bundesstaatliche
Kräfte.
Sollte Sig Sauer tatsächlich Rüstungsgüter in diesem Umfang geliefert
haben, würde das die bisherigen Exporte in den Schatten stellen.
Auch der Mexiko-Bericht von 2015 im Rahmen des Waffenexportkontrollvertrags
ATT bestätigt, dass Sig Sauer allein letztes Jahr 2.363 Gewehre des
Nato-Kalibers 5.56 x 45, 2.200 Pistolen des Kalibers 9 mm sowie etwa 3.000
weitere Schießeisen nach Mexiko verkauft hat. Im UN-Register für
konventionelle Waffen ist zu lesen, dass die Firma auch 2012 und 2014
Tausende von Gewehren und Pistolen an den südlichen Nachbarn lieferte.
## Nicht genehmigungspflichtig?
Wie taz-Recherchen im vergangenen Jahr ergeben haben, wurde die
mexikanische Frauenrechtlerin Marisela Escobedo 2010 von einem Mafiakiller
mit einer 9-mm-Sig-Sauer-Pistole vom Typ 239 erschossen. Der Mörder hatte
zugegeben, mit dieser Waffe auch noch mindestens elf weitere Personen
getötet zu haben.
Der Rechtsanwalt Holger Rothbauer sowie der Friedensaktivist Jürgen
Grässlin erstatteten daraufhin Anzeige gegen den Waffenbauer. Angesichts
der massiven Exporte, die nun bekannt wurden, planen sie erneut gegen das
deutsche Unternehmen zu klagen, weil aller Wahrscheinlichkeit nach deutsche
Technologie im Spiel gewesen sei.
Wie bereits im Fall Escobedo weist die Firma auch jetzt alle Vorwürfe
zurück. „Heute werden Produkte und Anwendungen primär von der Sig Sauer
Inc. in den USA entwickelt“, erklärt das Unternehmen. Die Ausfuhr müsse
nicht von deutschen Behörden genehmigt werden.
## Aufklärung gefordert
Wenn aber Technologie aus Deutschland an das US-Unternehmen geliefert wird,
braucht es eine Genehmigung. So jedenfalls beschreibt es das
Bundesausfuhramt, und davon geht der Jurist Rothbauer aus: „Ohne Mithilfe
des Headquarters in Eckernförde wären die Exporte der US-Schwesterfirma
nicht möglich.“ Nach dem Einzelfall der Frauenrechtlerin liege nun nahe,
dass Sig Sauer systematisch das Außenwirtschaftsgesetz gebrochen habe,
ergänzt Grässlin.
„Sollte es Zulieferungen für diese Waffen aus Deutschland geben, muss die
Bundesregierung das sofort aufklären“, forderte der
Linskpartei-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken. Der Export von
Waffenfabriken oder des Know-hows zur Herstellung von Handfeuerwaffen in
Nato-Staaten sei der erste Schritt für die legale Umgehung der deutschen
Ausfuhrkontrolle. „Dieses Schlupfloch muss endlich geschlossen werden“,
sagte van Aken.
Das Konkurrenzunternehmen Heckler & Koch (H & K) ließ jüngst wissen, dass
es nur noch solide, „zweifellos demokratische“ Staaten beliefern werde.
Im Gegensatz zu Sig Sauer muss die Oberndorfer Waffenschmiede ohnehin
bereits auf wichtige Geschäftspartner verzichten. So darf H & K keine
Waffen mehr nach Mexiko liefern, da deren G36-Gewehre in Bundesstaaten
gelangt waren, für die keine Ausfuhrgenehmigung vorlagen. Konkurrent Sig
Sauer weiß das frei gewordene Feld offenbar gut zu nutzen.
14 Dec 2016
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Sig Sauer
Waffenexporte
Heckler und Koch
Mexiko
Sig Sauer
Jürgen Grässlin
Mexiko
Mexiko
Rüstungsindustrie
Mexiko
Waffen
Kolumbien
Sig Sauer
## ARTIKEL ZUM THEMA
Prozessbeginn in Kiel: Waffenbauer vor Gericht
Fünf Mitarbeiter des Waffenherstellers Sig Sauer sollen von illegalen
Waffenlieferungen nach Kolumbien gewusst haben.
Kolumne Liebeserklärung: Einer, der gegen Waffen kämpft
Bei der Rüstungsexportkontrolle versagt die Groko. Wie gut, dass Menschen
wie Jürgen Grässlin gegen die tödliche Heuchelei ankämpfen.
Gewehrbauanlage für Mexiko: Export am Gesetz vorbei?
Eine deutsche Maschinenfabrik will ohne Genehmigung eine Gewehrbauanlage
nach Mexiko liefern. Nun prüft die Staatsanwaltschaft den Fall.
Proteste in Mexiko: Plündern und blockieren
Eine saftige Erhöhung von Benzinpreisen löst landesweite Demonstrationen
aus. Hunderte Menschen werden festgenommen.
Deutsche Rüstungsindustrie: Ein stummes Idyll
Auch wenn Saudi-Arabien den Jemen bombardiert, liefert Deutschland weiter
Waffen dorthin. Dort, wo sie gebaut werden, scheint der Krieg fern.
Explosion auf mexikanischem Markt: Pyrotechnik fordert 31 Tote
Auf einem Markt für Feuerwerkskörper in Mexiko kommt es zu mehreren
Explosionen. Marktstände gehen in Flammen auf, viele Menschen sterben.
Rüstungsexporte nach Mexiko: Aktivistin mit Sig-Sauer-Waffe getötet
Recherchen der taz bestätigen: Zwölf Menschen sind mit einer Pistole P239
getötet worden. Die Herkunft der Waffe ist umstritten.
Gestohlene Asservate: Computerkriminalität in Kiel
Der Staatsanwaltschaft Kiel sind beschlagnahmte Computer geklaut worden –
darunter ein Laptop aus den Ermittlungen gegen Waffenhersteller Sig Sauer.
Deutscher Waffenhersteller Sig Sauer: Knarren für den Irak
Sig Sauer soll vor neun Jahren 5.000 Pistolen illegal in den Irak geliefert
haben. Einige seien später PKK-Kämpfern in die Hände gefallen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.