# taz.de -- Misogynie in Gerhard Falkners Roman: Kein Schwanz ist abgelutschter | |
> In „Apollokalypse“ lässt Gerhard Falkner eine fiktive, wenig sympathische | |
> Figur auftauchen. Sie heißt Betty Stürmer – wie eine reale Künstlerin. | |
Bild: Muss das denn sein? Immer dieselben Klischees – über Frauen, aber auch… | |
Gerade ist Betty Stürmers Ausstellung „Szenegirl“ im Berliner Projektraum | |
Zwitschermaschine zu Ende gegangen. Die Besucher und Besucherinnen konnten | |
dort in einen Kosmos aus wilden, charmanten Zeichnungen eintauchen und | |
dabei eine Menge über die weitgehend unbekannten mittleren und späten | |
1980er Jahre in Berlin Schöneberg und Kreuzberg erfahren. Denn ja, die | |
Künstlerin Betty Stürmer war, wie es der Titel ihrer Ausstellung sagt, ein | |
Szenegirl. Sie war dabei, als Künstlerin, DJ und Performerin. In den | |
1980er, den 90er und 2000er Jahren, bis heute. Anders als andere, die es | |
gerne gewesen wären. | |
Gerade also ist ihre Ausstellung zu Ende, da wird sie von allen Seiten auf | |
ihre Rolle in Gerhard Falkners Roman „Apollokalypse“ angesprochen. Betty | |
Stürmer ist dort zwar tatsächlich, wie der Autor in einem Nachspann | |
schreibt, „lediglich Eckdatum im zeitlichen Koordinatensystem“, denn ein | |
bisschen scheinbare Authentizität braucht er ja schon, für seinen | |
„Epochenroman über die 80er und 90er Jahre, über Berlin“ wie der | |
Klappentext sagt. | |
Betty Stürmer hat auch, wie Falkner in einer Anmerkung zum Roman schreibt, | |
„mit der Romanhandlung nicht das Geringste zu tun“. Gerade weil das so ist, | |
wundert es doch sehr, dass für sie nicht gilt, dass die Namen, die im Buch | |
„beibehalten“ wurden, „ausschließlich in respektvoller und | |
freundschaftlicher Weise verwendet“ sind, wie Falkner behauptet. | |
Ganz im Gegenteil. Das „Betty Stürmer“ überschriebene Kapitel ist eine | |
einzige klischeebeladene Arie der Misogynie. Vier lange Seiten, die nicht | |
nur nichts mit der Romanhandlung zu tun haben, sondern die einfach | |
aufhalten beim Lesen eben dieser Romanhandlung. Sie tragen zu Kreuzberg, | |
der Szene und wie man miteinander umging nichts bei, was nur irgendwie | |
interessant oder wenigstens typisch gewesen wäre. | |
## Klischee statt Chronik | |
Es ist die alte Leier von der von „Entsagung und Austrocknung“ | |
gezeichneten, mit 36 Jahren schon ältlichen Frau – Handarbeitslehrerin ist | |
das ach wie witzige Synonym des Autors für Künstler in der weiblichen Form | |
– die naturgemäß auch noch zu blöd ist, sich den Typen, der sich ihr | |
anbietet, wirklich zu krallen für den lang vermissten Koitus. Kein Schwanz | |
ist abgelutschter als diese Konstellation, die, weil Klischee statt | |
Chronik, so absolut zeit- und ortlos ist, so wenig 80er Jahre und | |
Kreuzberg, dass ihre Protagonistin gewiss nicht Betty Stürmer heißen muss. | |
In Wahrheit heißt ihre Protagonistin Gerhard Falkner, dem es offensichtlich | |
ein echtes Anliegen gewesen sein muss, diesen langweiligen, immer gleichen | |
misogynen Kram auf vier Seiten auszuwalzen. Er musste offensichtlich was | |
loswerden. Und das ist nun besonders ärgerlich. Denn man möchte seinen | |
Roman lesen, sich über die Sprache wundern oder entzückt sein, sie für | |
gelungen halten oder verfehlt, bestimmt will man sich aber nicht mit dem | |
Autor und seinen peinlichen Macken beschäftigen. | |
Hier aber, bei „Betty Stürmer“, fliegt man so richtig raus aus der Lektüre | |
und denkt: Oh Gott, der arme Gerhard Falkner, was ist ihm nur widerfahren, | |
dass er so ausholen muss? Egal, es interessiert einen nicht. Und niemand, | |
wahrscheinlich noch nicht mal der bekannte, von geschlechtlicher Rachsucht | |
geplagte Mann, würde in „Apollokalypse“ das Kapitel „Betty Stürmer“ | |
vermissen. | |
15 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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