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# taz.de -- Friedensvertrag mit Farc-Rebellen: Kolumbiens „D-Day“
> In Kolumbien beginnt bald die „Waffenabgabe“. Doch viele sehen den
> Frieden mit den „Revolutionären Streitkräften“ kritisch.
Bild: UnterstützerInnen des Friedensprozesses in Kolumbien
Bogotá dpa | Das hätte blöd ausgesehen. Ein Friedensnobelpreis für einen
Frieden, den es gar nicht gibt. Über diese Wochen 2016 kann Kolumbiens
Präsident Juan Manuel Santos ein spannendes Buch schreiben – er, der
zuletzt immer mit der weißen Friedenstaube am Revers auftrat, muss kommende
Woche doch nicht mit leeren Händen nach Oslo fahren, um den Preis entgegen
zu nehmen. Im zweiten Anlauf hat er es geschafft.
Die Handlung im Schnelldurchlauf: Friedensvertrag mit der linken
Farc-Guerilla am 26. September unterzeichnet. Vom Volk am 2. Oktober im
Referendum abgelehnt. Am 7. Oktober Anruf aus Oslo: Santos bekommt den
Friedensnobelpreis 2016. Danach neue Verhandlungen mit der Farc. Neuer
Vertrag. Am 24. November noch einmal unterzeichnet. Dieses Mal lieber kein
Referendum, der Kongress soll entscheiden. Dort wird dann am 30. November
doch noch Geschichte geschrieben: Kolumbien beendet den ältesten und
letzten großen Konflikt der westlichen Hemisphäre.
Zumindest teilweise. Denn es ist ein wenig ein Frieden auf Biegen und
Brechen. Santos hatte schlicht keinen Plan B, wenn das Volk „No“ sagt.
Ähnlich wie beim Votum für einen Brexit in Großbritannien und der Wahlsieg
von Donald Trump in den USA hatten alle Umfragen das Gegenteil
vorhergesagt. Sein früherer Förderer, Amtsvorgänger Álvaro Uribe, ein
konservativer Hardliner, der die Farc für den Mord an seinem Vater
verantwortlich macht, mobilisierte einfach besser.
Uribe war vor allem ein Dorn im Auge, dass die meisten geständigen
Guerilleros ihre Strafen entspannt im Arrest auf ländlichen Farmen
verbringen dürfen. Immer wieder griff er Santos an, der unter ihm noch
Verteidigungsminister war und die Farc bombardieren ließ. Aber Santos
erkannte, dieser asymmetrische Krieg gegen eine Guerilla, die sich im
Dschungel verschanzt und mit dem Kokaingeschäft viel Geld verdient, ist
kaum zu gewinnen. Er nutzte das Momentum, denn die Guerilla war auch des
Kämpfens überdrüssig. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sie nun
wenige Tage nach dem Tod ihres großen Vorbilds, Fidel Castro, dem
Guerillakampf endgültig abschwören.
Zwar kam Santos Uribe entgegen, vor allem will er das Vermögen der Farc für
die Entschädigung der Opfer heranziehen und der Arrest für Ex-Kämpfer soll
strenger kontrolliert werden. Aber dass Uribes Partei, Centro Democrático,
den Abstimmungen im Senat (Ergebnis: 75:0) und im Parlament (130:0) einfach
fernblieb, zeigt nach 220.000 Toten die Zerrissenheit, die Spaltung. Es ist
ein Frieden mit der Brechstange, der vom Uribe-Lager und vielen Bürgern
nicht unterstützt wird. Aber seitdem verhandelt wird, gab es bereits kaum
noch Tote.
## Frieden bisher nur auf dem Papier
Mit dem „D-Day“, dem Inkrafttreten des Vertrags soll in Kürze auch unter
Beteiligung von UN-Blauhelmen die Abgabe der Waffen der noch 5.800 Kämpfer
beginnen, diese sollen dann eingeschmolzen werden, daraus sollen
Friedensmahnmale entstehen. Santos will, dass sich die Farc-Kämpfer in den
„Übergabezonen“ in ländlichen Gebieten noch vor Jahresende sammeln. Bis M…
2017 „wird diese Guerilla aufhören zu existieren“, verspricht er. Aber es
gibt bisher keinen Frieden mit der kleineren ELN-Guerilla. Und es erstarken
„Bacrims“, kriminelle Banden, die frühere Paramilitärs und Guerilleros
rekrutieren und über 30.000 Mitglieder haben sollen – so bleibt es noch ein
steiniger Weg.
Ist es nicht ein Makel, dass das Volk nicht erneut gefragt wurde? „Das
einstimmige Ergebnis hat den neuen Friedensvertrag demokratisch
legitimiert“, meint der Kolumbien-Beauftragte der Bundesregierung, Tom
Koenigs (Grüne). Uribes Partei habe sich durch das Fernbleiben bei der
Abstimmung marginalisiert. „Heute ist D-Day für Kolumbien. Jetzt beginnt
die Demobilisierung und Reintegration der Farc.“
Die Farc gelten als Schlüssel zum Frieden – und Ökonomen rechnen mit einem
satten Wirtschaftswachstum, wenn viele Landstriche befriedet werden und
nicht mehr Milliarden in den Konflikt investiert werden müssen. Kolumbien,
dieses reich gesegnete, wunderschöne Land, könnte zum Tigerstaat
Südamerikas werden – und Millionen Touristen anlocken.
Seit 1964 bekämpfte die Farc die Staatsmacht, damals entstanden im Zuge des
Ost-West-Konflikts überall linke Guerillagruppen. Nun will die Farc eine
Partei gründen. „In Zukunft soll das Wort die einzige Waffe der Kolumbianer
sein“, sagte ihr Boss „Timochenko“. Aber nach der Pleite beim Referendum
musste er erkennen, dass es nach all den Verbrechen ein weiter Weg bis zur
Rehabilitierung ist. Santos bekommt nun seinen Preis. Aber bisher hat er
den Frieden nur auf dem Papier.
6 Dec 2016
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