# taz.de -- Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien: Frieden, zweiter Anlauf | |
> Der Frieden mit der Farc in Kolumbien scheiterte an einer | |
> Volksabstimmung. Nun gibt es einen neuen Vertrag. Ist der Krieg vorbei? | |
Bild: 13 Seiten mehr: Juan Manuel Santos unterzeichnet den Friedensvertrag | |
Warum wurde jetzt ein neues Friedensabkommen unterzeichnet? | |
In den vergangenen Jahrzehnten hat die kolumbianische Regierung immer | |
wieder erfolglos Anläufe unternommen, Frieden mit der Farc-Guerilla zu | |
schließen und damit den längsten bewaffneten Konflikt in Südamerika zu | |
beenden. Es war also ein großer Durchbruch, als in diesem Jahr ein | |
Waffenstillstand verkündet wurde und dann Ende August nach vier Jahren | |
Verhandlung ein Friedensabkommen auf dem Tisch lag, das auch eine | |
Landreform vorsieht und die Bekämpfung des Drogenanbaus. Die Unterzeichnung | |
des Abkommens inszenierten sie in Cartagena als großes Friedensfest. | |
Obwohl es formal nicht nötig gewesen wäre, setzte Präsident Juan Manuel | |
Santos eine Volksabstimmung an. Am 2. Oktober lagen die Gegner des | |
Abkommens bei sehr geringer Wahlbeteiligung knapp vorn. Selbst das | |
„Nein“-Lager um den Expräsidenten Álvaro Uribe hatte nicht damit gerechne… | |
dass sie mit ihrer Kampagnenmischung aus inhaltlicher Kritik und | |
substanzloser Propaganda Erfolg haben würde. | |
Präsident Santos improvisierte einen Plan B: die Überarbeitung des | |
Abkommen. Das hatte er vorher ausgeschlossen. Ihm kam zugute, dass Uribe | |
und seine Leute auf die Strategie umgeschwenkt waren, das konkrete Abkommen | |
abzulehnen und nicht den Friedensprozess an sich. Nach der Abstimmung traf | |
sich Santos mit den Expräsidenten Uribe und Andrés Pastrana sowie Gruppen | |
von anderen Kritikern. Seine Verhandler nahmen einen Katalog mit rund 500 | |
Forderungen mit. Beide Seiten waren sich bewusst, dass sie schnell zu einem | |
Ergebnis kommen müssen. Denn keiner kann wissen, wie lange sich alle | |
Farc-Kämpfer an den Waffenstillstand halten. Am 13. November verkündeten | |
Regierung und Farc, dass sie sich auf ein neues Abkommen geeinigt haben. An | |
diesem Donnerstag haben es Santos und Farc-Chef Rodrigo Londoño Echeverri | |
alias „Timoschenko“ in der Hauptstadt Bogotá unterzeichnet – in einer | |
bescheidenen Zeremonie. | |
Hat Santos der Gewinn des Friedensnobelpreises geholfen? | |
Nicht unbedingt. Auf internationaler Ebene war die Bestätigung seines | |
Kurses für ihn sicherlich eine Unterstützung. Innenpolitisch sieht es | |
anders aus. Die rechte Opposition hatte ihm schon vor der Volksabstimmung | |
vorgeworfen, nur nach dem Nobelpreis zu streben und damit seinen | |
persönlichen Ruhm über die Interessen des Landes zu stellen. Sie können nun | |
jederzeit das Argument anbringen, dass Santos nur um den Nobelpreis willen | |
ein in ihren Augen besseres Abkommen verhindert hat. | |
Was wurde im Abkommen geändert? | |
Das überarbeitete Abkommen ist etwas länger geworden, es hat 310 Seiten, 13 | |
mehr. Bei fast allen Punkten wurden Änderungen im Sinne der Nein-Sager | |
vorgenommen: Es soll etwa das Vermögen der Farc für Entschädigungszahlungen | |
herangezogen werden. Auch bei den Vereinbarungen zur Übergangsjustiz gibt | |
es Änderungen. Beteiligung am Drogenhandel wird nicht mehr automatisch als | |
politisches Delikt eingestuft. Aber die am stärksten kritisierten Punkte | |
wurden nicht angetastet. Für schwere Verbrechen müssen sich sowohl | |
Farc-Rebellen als auch Angehörige der Sicherheitskräfte vor Sondergerichten | |
verantworten. Hier gilt weiterhin: Wer seine Taten zugibt und bereut, kommt | |
mit maximal acht Jahren Strafe davon. Haft ist in diesem Fall nicht | |
vorgesehen, stattdessen soll mit Diensten an der Gemeinschaft | |
Wiedergutmachung geleistet werden. Wie genau das aussehen soll, wurde jetzt | |
präzisiert. | |
Wie wird das Friedensabkommen umgesetzt? | |
Eine erneute Volksabstimmung wird es nicht geben, das Abkommen soll vom | |
Kongress verabschiedet werden. Am Dienstag wird der Senat darüber abstimmen | |
und einen Tag später das Repräsentantenhaus. In beiden Parlamentskammern | |
gibt es eine große Mehrheit dafür. Dann beginnt ein detaillierter Zeitplan, | |
der in Havanna ausgehandelt wurde. Allerdings herrscht Uneinigkeit darüber, | |
welcher Tag eigentlich der Startpunkt ist. „Der Tag der Verabschiedung im | |
Kongress ist der D-Day“, sagte Santos am Donnerstag. Die Farc betont, dass | |
zunächst das Amnestiegesetz in Kraft treten müsse. | |
Nach offiziellen Angaben hat die Farc genau 5.765 Kämpfer, die innerhalb | |
von 180 Tagen demobilisiert werden. Die Guerilleros müssen sich fünf Tage | |
nach dem D-Day in 27 im Land verteilten Zonen sammeln. Nur in den dortigen | |
Camps dürfen sie Uniform und Waffe tragen. Sie erwartet eine Einmalzahlung | |
von 2 Millionen Peso (rund 600 Euro) und gegebenenfalls zwei Jahre eine | |
niedrige monatliche Sozialhilfe. | |
Nach eigenen Angaben hat die Farc 14.000 Gewehre und Pistolen und 6.000 | |
andere Waffen, diese müssen nun alle abgegeben werden. Dieser Prozess wird | |
von einer UN-Mission mit bis zu 450 Beobachter überwacht. Spätestens nach | |
150 Tagen müssen alle Waffen an die UN übergeben werden. Aus ihnen sollen | |
drei Friedensdenkmäler errichtet werden, eines bei den Vereinten Nationen, | |
eines in Kuba und das dritte in Kolumbien. | |
Sobald die Guerilleros entwaffnet sind, darf sich die Farc als politische | |
Partei registrieren lassen. Sie hat in den Wahlperioden von 2018 bis 2026 | |
unabhängig vom Wahlergebnis je fünf Abgeordnete im Senat und | |
Repräsentantenhaus sicher. Die politische Beteiligung, die der Farc sehr | |
wichtig ist, ist der Opposition ein Dorn im Auge. | |
Was machen nun die Gegner des Abkommens? | |
Vergangenen Montag gab es ein letztes Treffen zwischen der Regierung und | |
den Gegnern des Abkommen. Nachdem die Regierung weitere Nachbesserungen | |
ablehnte, erklärte Uribe den Dialog für beendet. Es werde nicht der Willen | |
des Volkes umgesetzt, sagte er, denn der jetzt unterzeichnete Vertrag | |
gewähre weiterhin Straflosigkeit. Ob die Gegner des Abkommens neben den | |
verbalen Protesten auch die Straße mobilisieren wollen, blieb zunächst | |
offen. | |
Gibt es jetzt wirklich Frieden in Kolumbien? | |
Der Kampf der marxistisch-leninistischen Farc-Guerilla gegen Armee und | |
rechte Paramilitärs forderte viele Opfer. Mindestens 340.000 Menschen | |
starben seit 1964, die meisten Zivilisten. 6 Millionen der rund 48 | |
Millionen Einwohner Kolumbiens sind Binnenvertriebene. Jetzt schon hat der | |
Friedensprozess eine positive Wirkung, die vergangenen anderthalb Jahre | |
waren in Kolumbien die friedlichsten seit Jahrzehnten. Das heißt nicht, | |
dass jetzt alles gut wird. Eine Herausforderung bleibt auch die kleinere | |
Guerilla ELN. Friedensgespräche mit ihr sind im Oktober vorerst geplatzt. | |
Außerdem gibt es die Befürchtung, dass nun verstärkt paramilitärische | |
Gruppen aktiv werden. „Es ist ein neuer Völkermord an Vertretern sozialer | |
Bewegungen und von Bauernverbänden im Gange“, schrieb die Farc in einem am | |
Montag veröffentlichten offenen Brief an Santos. Allein in den vergangenen | |
Tagen wurden drei Anführer ermordet. Zuletzt in der Nacht auf Donnerstag, | |
als in der Provinz Cauca ein Aktivist von einem mutmaßlichen Killerkommando | |
getötet wurde. Bei manchen weckt das böse Erinnerungen an die achtziger | |
Jahre, als reihenweise Mitglieder der linken Partei Unión Patriótica | |
ermordet wurden. Im Friedensabkommen wurden deshalb Sicherheitsgarantien | |
für entwaffnete Guerilleros aufgenommen. | |
25 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
Jürgen Vogt | |
## TAGS | |
Kolumbien | |
Farc | |
Friedensnobelpreis | |
Juan Manuel Santos | |
Friedensnobelpreis | |
Kolumbien | |
Kolumbien | |
Kolumbien | |
Kolumbien | |
Kolumbien | |
Juan Manuel Santos | |
Kolumbien | |
Juan Manuel Santos | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verleihung des Friedensnobelpreises: Santos nimmt Auszeichnung entgegen | |
In Oslo hat Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos den Nobelpreis | |
erhalten, In seiner Rede bezeichnete er sein Land als wegweisend für andere | |
Krisenregionen. | |
Friedensvertrag mit Farc-Rebellen: Kolumbiens „D-Day“ | |
In Kolumbien beginnt bald die „Waffenabgabe“. Doch viele sehen den Frieden | |
mit den „Revolutionären Streitkräften“ kritisch. | |
Abkommen in Kolumbien: Frieden mit den Farc-Rebellen | |
Mehr als 50 Jahre dauerte der Bürgerkrieg in Kolumbien, eine erste Version | |
des Friedensvertrags fiel zuletzt durch. Jetzt stimmte auch der Kongress | |
zu. | |
Aus Le Monde diplomatique: Gespräche mit kriegsmüden Rebellen | |
Der Friedensprozess in Kolumbien ist höchst unsicher. Auf der nationalen | |
Konferenz der Farc beschwor die Führung die Zukunft der Guerilla als | |
Partei. | |
Kommentar Friedensvertrag in Kolumbien: Die Macht des faktischen Friedens | |
Regierung und Farc unterzeichnen am Donnerstag das hart umkämpfte | |
Friedensabkommen. Nun muss die Umsetzung klappen. | |
Streit um Friedensvertrag in Kolumbien: Opposition fordert Neuwahlen | |
Am Donnerstag soll der Vertrag mit der FARC unterzeichnet werden. Die | |
rechte Opposition protestiert und erklärt den Dialog mit der Regierung für | |
beendet. | |
Friedensprozess in Kolumbien: Vertrag ohne erneute Abstimmung | |
Kolumbien Präsident Santos kündigt an, der modifizierte Friedensvertrag | |
solle schon am Donnerstag unterzeichnet werden. Die Opposition übt Kritik. | |
Friedensprozeß in Kolumbien: Neue Einigung in absoluter Rekordzeit | |
Regierung und Farc-Rebellen haben wesentliche Passagen des | |
Friedensabkommens mit der Farc wurden neu ausgehandelt. Ein zweites | |
Referendum wird es nicht geben, dafür ein Votum im Parlament. | |
Friedensnobelpreis 2016: Kolumbiens Präsident Santos geehrt | |
Der Friedensnobelpreis geht an den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel | |
Santos. Er erhält ihn für seine Anstrengung, den Bürgerkrieg im Land zu | |
beenden. |