# taz.de -- Deutsche G-20-Präsidentschaft: Steuern im Gipfelabseits | |
> Deutschland will die G-20-Präsidentschaft dafür nutzen, | |
> Steuerschlupflöcher zu bekämpfen. Das dürfte schwer werden. | |
Bild: Wiedersehen: In Hangzhou war Schäuble Gast, bald ist er der Gastgeber de… | |
BERLIN taz | Es läuft nicht gerade gut für Wolfgang Schäuble. Endlich | |
übernimmt Deutschland am Donnerstag die G-20-Ratspräsidentschaft, doch den | |
großen Durchbruch beim Thema Steuern wird es wahrscheinlich wieder nicht | |
geben. | |
Dabei habe die Chinesen vielversprechende Vorarbeit geleistet. Auf dem | |
G-20-Gipfel im chinesischen Hangzhou im September 2016 beschlossen die | |
Teilnehmer zumindest auf einem Feld konkrete Maßnahmen, um Steueroasen | |
auszutrocknen: Ab September tauschen weltweit über 90 Staaten Steuerdaten | |
aus, um Wirtschaftsflüchtlinge leichter zu ermitteln. Staaten, die nicht | |
mitmachen, kommen bis Juli 2017 auf eine schwarze Liste, dann drohen | |
Maßnahmen. Welche, ist unklar, aber schon die Ankündigung könnte wirken. | |
Das ist nur ein Beispiel eines ganzen Paketes für ein „faires und modernes | |
internationales Steuersystem“, wie es die G 20 nennt. Eine weitere Maßnahme | |
ist etwa, dass Staaten künftig ermitteln sollen, wem eine Briefkastenfirma | |
tatsächlich gehört – oft sind nur Strohmänner eingeschaltet, um in einem | |
globalen Dickicht von Töchtern Steuern zu minimieren oder Gewinne ganz zu | |
verstecken. | |
Doch in der Bundesregierung gibt es erhebliche Zweifel, ob es in diesem | |
Bereich Fortschritte geben wird. Zwar findet sich das „Internationale | |
Steuerkooperation“ weiterhin an zentraler Stelle unter den | |
Gipfel-Schwerpunkten der Bundesregierung. Man werde „die internationale | |
G-20-Steueragenda fortführen“ und „Transparenz und Steuerehrlichkeit weiter | |
befördern“, heißt es da. | |
Doch in einer aktuellen Videobotschaft der Kanzlerin, in der Angela Merkel | |
sechs Minuten lang über den G-20-Gipfel redet, taucht das Thema | |
Steuerflucht nicht auf. Und auch im Bundesfinanzministerium scheint man die | |
Erwartungen drücken zu wollen, dass unter deutscher Präsidentschaft die | |
Projekte allzu weit vorangetrieben werden. | |
Das liegt vor allem daran, dass die Haltung der USA völlig unklar ist. Wenn | |
sich die G-20-Finanzminister im März in Baden-Baden treffen, ist der | |
US-Kollege erst wenige Wochen im Amt. Und bereits ab Dezember finden | |
regelmäßig Treffen von Vertretern der Ministerien der G-20-Staaten statt, | |
um Beschlüsse zur Steuerpolitik vorzubereiten. | |
## Kooperation statt Konkurrenz | |
Mitten hinein in diese Phase übernimmt im Januar die Regierung Trump. Eine | |
normale Amtsübergabe dürfte es nicht sein, weil in Deutschland offenbar | |
niemand abschätzen kann, was Washington unter dem Immobilienmogul in Sachen | |
internationaler Steuerpolitik unternehmen wird. | |
Offiziell gibt sich das Schäuble-Ministerium zuversichtlich – in der G 20 | |
gebe es schließlich ständig Regierungswechsel. Aber so läuft politische | |
Kommunikation: Berlin will potenzielle Gesprächspartner des neuen | |
Trump-Teams nicht verprellen. Deshalb werden Bedenken allenfalls unter der | |
Hand an die Presse gestreut. | |
Ein zweiter Punkt macht die G-20-Präsidentschaft Deutschland in Sachen | |
Steuerpolitik schwer. Eigentlich müssten Staaten mehr kooperieren, um sich | |
nicht gegenseitig zu unterbieten, wenn es um Unternehmenssteuern geht. Ein | |
schweres Terrain, die Formulierungen auf G-20-Ebene bleiben stets wolkig. | |
Eine Harmonisierung von Steuersätzen ist selbst auf EU-Ebene nicht drin, | |
auf internationaler Ebene scheint sie komplett illusorisch. Doch jetzt | |
könnte es statt weniger Steuerdumping sogar wieder mehr geben. Denn Donald | |
Trump will die Unternehmenssteuern auf 15 Prozent senken. Und das könnte | |
Nachahmer anziehen, fürchtet Lisa Großmann vom Netzwerk | |
Steuergerechtigkeit. „Die Regierungschefs dürfen jetzt nicht wie Trump in | |
das Horn blasen, dass hohe Unternehmenssteuern schlecht für die Wirtschaft | |
sind und gesenkt werden müssen“, warnt sie. | |
Doch auch die britische Premierministerin Theresa May beabsichtigt, den | |
Brexit-Schock auf der Insel zu überwinden, indem Firmen mit ähnlichen | |
Tarifen auf die Insel gelockt werden. Das brachte Schäuble auf den Plan. | |
Selbst wenn Großbritannien eines Tages nicht mehr der EU angehöre, sei es | |
an die Vereinbarungen der G-20-Gruppe der führenden Industrie- und | |
Schwellenländer gebunden, mahnte Schäuble – „jedenfalls, wenn sie | |
anständige Leute sind“. Sollte heißen, dass man sich doch eigentlich | |
bereits gegen einen Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze geeinigt habe. | |
Aber bekanntlich sind alle G-20-Beschlüsse nicht bindend. Halten muss sich | |
an die Papiere niemand. Mehr als böse Worte anderer Staaten drohen nicht. | |
Angesichts der unklaren Perspektive beim G-20-Kernthema Steuern will | |
Deutschland andere Themen auf die Agenda setzen. Dazu gehören neben Klima | |
und Energie auch Entwicklungspolitik, globale Gesundheit, die Stärkung der | |
Stellung von Frauen sowie die Bekämpfung von Fluchtursachen. | |
Nichtregierungsorganisationen sehen diese Ausweitung mit gemischten | |
Gefühlen. Einerseits sei es gut, wenn die G-20-Staaten sich engagierten und | |
eine Vorreiterrolle einnähmen, sagte Klaus Seitz, Politikchef bei Brot für | |
die Welt und Vizevorstand beim entwicklungspolitischen Dachverband Venro. | |
Damit die übrigen 173 nicht unter den Tisch fielen, müsse die | |
„Federführung“ aber bei den Vereinten Nationen bleiben. | |
30 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
Malte Kreutzfeldt | |
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