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# taz.de -- FPÖ und Medien in Österreich: In der Echokammer
> Provokationen gehen immer: Keine andere Partei nutzt Medien so gezielt
> wie die FPÖ. Journalisten braucht sie dafür nicht mehr.
Bild: Er ist überall: Norbert Hofer und Gefolgschaft in gruselig-lustiger Bier…
Wien taz | Norbert Hofer übernimmt im Wahlkampf um das Bundespräsidentenamt
die Rolle des ewig lächelnden Good Guy, der keiner Fliege etwas zuleide tun
kann. So zuletzt bei einem TV-Duell mit seinem Konkurrenten Alexander Van
der Bellen (Grüne) im Privatsender Puls4. Hofer selbst verzichtete auf
scharfe Attacken. Dafür übernahm Ursula Stenzel diesen Part, die früher für
die bürgerliche ÖVP der Wiener Inneren Stadt vorstand und jetzt für die FPÖ
als Wut-Stadträtin im Rathaus sitzt.
Eigentlich war sie nur als Gast ins Studio geladen, sollte beobachten und
analysieren. Trotzdem ergriff sie auch das Wort und qualifizierte den
Wirtschaftsprofessor Van der Bellen als „lavierenden Multikultiverfechter“
ab. Sie konfrontierte ihn mit seiner einstigen Mitgliedschaft bei den
Freimaurern und einer Stimmabgabe (vor 50 Jahren bei Innsbrucker
Gemeinderatswahlen) für die Kommunisten.
Kurz davor hatte sie in den sozialen Medien gemunkelt, Van der Bellens
Vater könnte mit den Nazis sympathisiert haben. Bei einem Flüchtling aus
dem sowjetisch besetzten Estland sei das keine Überraschung. Von dieser
Unterstellung wollte sie nun halbherzig abrücken. Van der Bellen gab sich
damit nicht zufrieden. Die Strategie sei bekannt: „Etwas Ehrenrühriges in
den Raum stellen und danach sagen, ich habe es so nicht gemeint.“
Dieselbe Strategie wandte Hofers Wahlkampfleiter Herbert Kickl am
vergangenen Montag an. Ein Parteifunktionär hatte ein Wahlkampfplakat von
Van der Bellen mit Hund vor Alpenhintergrund neben zwei Hitlerfotos mit
Hund und Bergen gestellt. Schnell machte die Montage in den sozialen Medien
die Runde. Kickl erklärte dazu: „Was würden denn die Grünen sagen, wenn die
FPÖ so ein Setting verwendet hätte? Das Posting hat offenbar den Sinn,
diesen linken Machenschaften den Spiegel vorzuhalten.“
## Erfolg mit Provokation
Seit Jahren fährt die FPÖ mit gezielten Provokationen gut. Die Wutwähler,
die jetzt in den USA Geschichte schreiben, werden in Österreich schon seit
vielen Jahren erfolgreich von der FPÖ instrumentalisiert.
Schon der rasante Aufstieg Jörg Haiders in den 1990er Jahren verdankte sich
diesem Kommunikationsschema. „Genauso ist es“, sagt Erhard Stackl, der
damals für das Wochenmagazin profil schrieb und dann stellvertretender
Chefredakteur beim Standard war. Die Zeitschriften mit Haider auf dem Cover
hätten sich „fantastisch verkauft“. Jörg Haider verstand es, die
Mainstreammedien für seine Zwecke zu nutzen. Dass die Berichte meist
negativ waren, hat seinem politischen Aufstieg nicht geschadet. Es habe
sich nachträglich als fruchtlos erwiesen, gegen Botschaften, die Emotionen
ansprechen, mit Argumenten anzukämpfen. Heute, so Stackl, brauche die FPÖ
die normalen Medien nicht mehr in diesem Maße, weil sie ihre eigenen habe.
Parteichef Heinz-Christian Strache ist unter den Politikern der
unbestrittene Facebook-Kaiser. Er kann sich mit 461.000 Facebook-Fans
brüsten. Facebook, so Ingrid Brodnig, Medienredakteurin bei profil, biete
den Parteien die Chance, ihre Wähler ohne zwischengeschaltete Journalisten
anzusprechen: „Die FPÖ macht das extrem geschickt, über ihre eigenen Kanäle
eine Erzählung zu spinnen.“
Außerdem stecke sie viel Geld in diese Strategie: Ein Posting bei Facebook
erreiche normalerweise nur etwa sechs Prozent der Fans. Wer mehr Nutzern
eingeblendet werden will, kann für eine größere Reichweite bezahlen. Damit
verdient Facebook Geld. Keine andere österreichische Partei lasse sich das
Pushen ihrer Meldungen mehr kosten als die FPÖ, sagt Brodnig. In der
jüngsten Ausgabe von profil gibt der Leiter des FPÖ-Kommunikationsbüros
sogar zu: „Für einzelne Beiträge investieren wir bis zu 1.000 Euro.“
Die rechtspopulistischen Parteien – die AfD ebenso wie die FPÖ – raten
ihren Wählern, den etablierten Medien nicht zu glauben. Wutbürger und
FPÖ-Fans machen ihrer Empörung über die „Lügenpresse“ häufig Luft. Bro…
„Sie sind extrem kritisch, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
betrifft.“ Besonders beliebt ist die Plattform unzensuriert.at, die im
Umfeld des ehemaligen Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf
entstanden ist. Der schlagende Burschenschaftler Graf ist selbst für
FPÖ-Verhältnisse extrem rechts. „Ein äußerst unseriöses Medium“, sagt
Ingrid Brodnig, „das sich brüstet, 'unzensuriert’ zu sein, aber eindeutig
eine Nähe zur FPÖ aufweist.“ Der Geschäftsführer von
unzensuriert.atarbeitet etwa als Referent im Parlamentsklub der Partei.
Eine Falschmeldung ist im Netz bereits zigtausendmal geteilt und gelikt,
bevor jemand nachweisen kann, dass nichts dran ist. Dann gebe es aber oft
keine Richtigstellung durch FPÖ-Politiker, die diese Falschmeldung
verbreiteten, weiß Brodnig, sondern die Meldung werde stillschweigend
gelöscht.
## Ehe mit dem Boulevard
Strache spielt außerdem virtuos Pingpong mit dem Boulevardblatt Kronen
Zeitung. Er lanciert Meldungen, die von der Krone abgedruckt oder online
gestellt werden. Er weist dann bei Facebook auf diesen Artikel hin und
sorgt dafür, dass er gelesen und gelikt wird.
Krone-online-Chef Richard Schmitt hat das in einem Interview mit dem
Fleisch-Magazin zugegeben: „Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf
Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-fache hoch.
Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen.“
Wenn man ihm glauben darf, müssen die Politiker nur penetrant genug sein,
um im Blatt berücksichtigt zu werden: „Wenn ich mir meine Wochenbilanz
anschaue, dann habe ich 20 Anrufe von der FPÖ, ein paar von den Grünen und
dem einen oder anderen ÖVP-Minister und von einem aus der SPÖ. […]
Natürlich spiegelt sich das auch in meiner Berichterstattung wider, klar.“
Eine Gruppe, die sich FPÖ-Watch nennt, spürt den von der Partei
verbreiteten Falschmeldungen und Manipulationen nach. Sie hat eine
[1][Liste von Medien erstellt, die der FPÖ nahestehen] oder deren Ideologie
teilen. Vom deutschnationalen Portal anonymous.ru bis zum alten Leibblatt
der Deutschnationalen, [2][Zur Zeit] des ehemaligen Haider-Beraters Andreas
Mölzer, wird da ein Abc von hetzerischen Blättern und Onlineseiten
aufgelistet. Auch die deutsche Version des Putin-Senders Russia Today gilt
den Rechten als glaubwürdige Quelle. Auf diesen „Nachrichten“-Seiten werde
oft gehetzt, übertrieben, teils würden Falschinformationen veröffentlicht.
„Die Meldungen“, so FPÖ-Watch, „verbreiten sich in den Netzwerken wie ein
Lauffeuer, denn die vorgestellten Seiten verwenden sich meistens
untereinander selbst als Quelle. Dadurch wird die Hetze noch verstärkt.
Gegenteilige Meldungen von anderen Medien werden in dieser Echokammer
ignoriert“.
3 Dec 2016
## LINKS
[1] https://medium.com/@fpoeticker/das-abc-der-unseri%C3%B6sen-quellen-eine-%C3…
[2] http://zurzeit.eu/
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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