| # taz.de -- Über den besseren Umgang mit Spenden: „Transparenz ist wichtig“ | |
| > Ein Pharmakonzern hat 200.000 Euro an die Uni Bremen gespendet, zunächst | |
| > anonym. Der Pharmakologe Gerd Glaeske plädiert für einen transparenten | |
| > Umgang | |
| Bild: Spender der Uni Bremen bleiben bislang gern mal anonym | |
| taz: Herr Glaeske, bekommen Sie öfter großzügige Spenden wie die 200.000 | |
| Euro von der Firma Neuraxpharm? | |
| Gerd Glaeske: Nein. Wir haben vorher noch nie eine Spende bekommen. Und | |
| schon gar nicht von der Pharmaindustrie. | |
| Sie gelten vor allem seit Ihren Veröffentlichungen im Ratgeber „Bittere | |
| Pillen“ als deren Kritiker. Wieso dann die Spende? | |
| Wir arbeiten ja in der Versorgungsforschung und machen ausdrücklich keine | |
| Produktforschung. Ich glaube, dass es einen Nachholbedarf für methodische | |
| Ansätze in der Versorgungsforschung gibt, und dass die Repräsentanten von | |
| Neuraxpharm das wahrgenommen haben und uns deshalb unterstützen wollten. | |
| Haben Sie irgendwelche Verbindungen zu der Firma? | |
| Nein, ich kenne niemanden bei Neuraxpharm, und ich war auch überrascht, als | |
| die Spende einging. Wir haben hin- und herüberlegt, wie wir damit umgehen. | |
| Aber da wir keinerlei Arbeitsbeziehungen zu der Firma pflegen und keines | |
| unserer Projekte sich ihren Produkten je beschäftigt hat, haben wir die | |
| Spende für unsere Versorgungsforschung genutzt – und in unseren | |
| Innovationsreport gesteckt. | |
| Wie funktioniert das überhaupt mit den Spenden, landet das Geld direkt auf | |
| Ihrem Institutskonto? | |
| Nein. Die Uni verwaltet die Spenden. Wenn wir darauf zugreifen wollen, | |
| müssen wir einen Antrag auf Nutzung der Mittel stellen. Wir haben keinen | |
| direkten Zugriff auf das Geld. | |
| Wenn jemand Ihrem Institut etwas spenden will, überweist er das Geld also | |
| an die Uni und Sie kriegen dann Bescheid? | |
| Genau. Das wusste ich vorher auch nicht. Wir haben von der Spende und dem | |
| Absender erst erfahren, als das Geld schon da war. | |
| Was haben Sie dann gemacht? | |
| Ich habe dem Spender zurückgemeldet, wie wir das Geld einsetzen werden: in | |
| der Versorgungsforschung. Das ist das Einzige, was mich mit dem Spender | |
| verbindet: Zwei Zeilen E-Mail-Kommunikation, auch mit dem Hinweis, dass ich | |
| keinerlei Gegenleistungen zu erbringen habe. Das war mir wichtig, auch zur | |
| Absicherung. | |
| Das heißt, es gibt schon eine Sensibilität dafür, dass diese Spende | |
| zumindest Fragen aufwirft? | |
| Natürlich. Ich wollte mich absichern. Uns wird ja auch oft von Ärzteseite | |
| vorgeworfen, wir seien ein „Kassen-Institut“. Denn viele unserer Stellen | |
| sind nicht von der Uni finanziert, sondern durch eingeworbene Drittmittel | |
| von Krankenkassen. | |
| Woran liegt das? | |
| Das geht gar nicht anders, denn die Uni selbst zahlt mir nur eine halbe | |
| Stelle – für das Sekretariat. Das führt zu einem strukturellen Problem, | |
| denn ohne Mitarbeiter kann man keine neuen Projekte planen. Daher müssen | |
| wir Drittmittel einwerben. Ich habe keine Veranlassung, das zu kaschieren. | |
| Wie hilfreich war denn jetzt die Spende von Neuraxpharm? | |
| Die war einerseits sehr hilfreich, aber ich kann andererseits auch | |
| nachvollziehen, dass Kritiker da nachhaken und das zu Diskussionen führt. | |
| Deswegen ist es mir wichtig, das Ganze transparent darzustellen. Denn eines | |
| muss klar sein: Natürlich werde ich einen Teufel tun und irgendwelche | |
| Themen nur aufgrund einer Spende bearbeiten. Und wer mir das unterstellt, | |
| der kennt mich nicht. | |
| Die Uni hält ja auch die einzelnen Institute und Professoren dazu an, um | |
| Drittmittel und/oder Spenden zu werben. Wie könnte denn die Spendenpraxis | |
| an der Uni verbessert werden, sodass solche Unklarheiten erst gar nicht | |
| entstehen? | |
| Bislang werden die Spenden von der Uni-Verwaltung betreut. Man könnte aber | |
| zum Beispiel ein kleines öffentliches Gremium schaffen, das sich jede | |
| Spende und ihre Verwendung genau anguckt. Das müssen gar nicht viele Leute | |
| sein, fünf bis sechs würden da reichen. Dann gebe es eine Öffentlichkeit, | |
| die klar macht: Wer spendet eigentlich was und wofür? | |
| Sie sind also grundsätzlich für Spenden? | |
| Ja, ich unterstütze Public Private Partnerships – wenn Zweck und Ziel | |
| transparent sind. Aber die Transparenz ist wichtig, und das in alle | |
| Richtungen: Wenn die Spender aber anonym bleiben, kann es letztlich keine | |
| Transparenz geben. | |
| 29 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Karolina Meyer-Schilf | |
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