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# taz.de -- Pharmaspenden für Patientenorganisationen: Mehr Transparenz geford…
> Ohne Großspenden der Pharmafirmen müssten einige
> Patienten-Selbsthilfevereine wohl dichtmachen. Kenntlich machen könnte
> man die Herkunft des Geldes schon.
Bild: Beim Sponsering von Patientenorganisationen liegt der Pharmakonzern Roche…
HAMBURG taz | Kooperationen von Pharmafirmen und Patientenorganisationen
werden zunehmend kritisch beäugt. Beobachter wie der Bremer
Gesundheitsökonom Gerd Glaeske warnen, Ziel spendabler
Arzneimittelhersteller sei "der direkte Zugang zum Endverbraucher über die
Selbsthilfe". Argwohn wird noch befördert, wenn die Beteiligten zu Inhalten
und Dimensionen des Sponsorings einfach schweigen.
Das weiß auch die Kommunikationsgeschäftsführerin des [1][Verbandes
Forschender Arzneimittelhersteller (vfa)]. "Beim Geld", erläutert Susan E.
Knoll, "fängt die Transparenz an! Deshalb wollen wir es jedem
Interessierten leicht machen, sich über finanzielle Ströme zwischen
Industrie und Patientenorganisationen zu informieren."
Erste Hilfe soll eine [2][Übersicht] leisten, die inzwischen auf der
vfa-Homepage zu finden ist. Aufgelistet sind dort 32 Pharmaunternehmen.
Klickt man den Namen einer Firma an, erscheinen auf dem Computerbildschirm
Informationen über Zahlungen an Patientenorganisationen.
Der Hintergrund: Die forschenden Pharmafirmen hatten sich in einem
[3][Kodex], der seit 2009 gilt, zu mehr Transparenz verpflichtet.
Klar ist, dass die an Patientenorganisationen gezahlten Gelder einmal im
Jahr, Stichtag 31. März, publik gemacht werden müssen. Aber der Kodex lässt
offen, wo und wie detailliert die "Unterrichtung der Öffentlichkeit" zu
erfolgen hat.
## Nur Pflichtangaben
So überrascht es nicht, dass die Angaben auf den firmeneigenen
Internetseiten unterschiedlich informativ ausfallen. Von Pharmariesen wie
Sanofi-Aventis oder Takeda erfährt man lediglich, was sie mindestens
angeben müssen.
Aber was weiß man wirklich über Grund, Inhalte und Tragweite der
Zusammenarbeit der ungleichen Partner, nachdem man zum Beispiel gelesen
hat, dass Sanofi im vorigen Jahr 48.750 Euro an die Deutsche Gesellschaft
für Muskelerkrankte überwiesen habe? Oder dass Takeda dem Bundesverband
Prostatakrebs Selbsthilfe 30.000 Euro "nicht zweckgebunden" gespendet habe?
Dass es aussagekräftiger geht, macht der Pharmakonzern GlaxoSmithKline
(GSK) wohl am besten vor. Das Unternehmen gibt auch an, welche Beträge es
wofür ausgegeben hat und seit wann eine Kooperation besteht. Beispiel "Das
Lebenshaus": 2010 erhielt dieser Selbsthilfeverein, in dem sich
Krebspatienten, Angehörige und Fachmediziner organisiert haben, von GSK
insgesamt 15.947 Euro.
## Beratung und Publikationen
Verwendet worden sei das Geld für die Beratung von Betroffenen und
Angehörigen, die Durchführung von fünf Nierenkrebs-Foren sowie das
Erstellen mehrerer Publikationen.
Zudem erklärt der Pharmakonzern GlaxoSmithKline, dass die Zusammenarbeit
mit Lebenshaus seit 2010 bestehe, wobei die zugewendeten 15.947 Euro "ca.
sechs Prozent des gesamten Budgets der Organisation" ausmachten.
Surft man zur Internetseite von [4]["Lebenshaus"], liest man dort, dass der
Verein gemeinnützig sei - "ohne Einflussnahme Dritter". Seine Arbeit
finanziere er durch Fördermitgliedschaften, Privat- und Firmenspenden sowie
Sponsoring.
"Die bisher höchste Privatspende liegt bei 4.000 Euro!", verlautbart die
Lebenshaus-Seite; von wem wie viele Euros fließen, steht dort allerdings
nicht. Dass der gemeinnützige Verein weitere großzügige Förderer aus der
Pillenbranche hat, erfährt indes, wer auf die Idee kommt, die
Internetseiten einzelner Firmen wie Pfizer oder Novartis gezielt zu
durchsuchen.
## Datenbank bringt Transparenz
Unterstützung bei der Recherche bietet auch ein Gratis-Service, den
neuerdings ein [5]["Institut für Qualität und Transparenz von
Gesundheitsinformationen" (IQTG]) online bereit hält. Das IQTG, betrieben
vom Arzt und Medizinjournalisten Christian Leopold sowie vom
Medizininformatiker Michael Hägele, hat eine [6]["Transparenzdatenbank"]
gestartet; die im Internet verstreute Angaben zum Pharmasponsoring ziemlich
übersichtlich aufbereitet.
Gibt man in der Suchfunktion den Begriff "Lebenshaus" ein, wird angezeigt,
dass dieser Selbsthilfeverein im vorigen Jahr über 200.000 Euro von
Pharmafirmen bekommen habe, am großzügigsten sei Novartis mit 109.343 Euro
gewesen.
Möchte man wissen, welches Unternehmen 2010 das meiste Geld an
Patientenorganisationen hierzulande verteilt hat, wird man in der
IQTG-Datenbank ebenfalls fündig. Vorn liegt Roche mit 737.055 Euro, gefolgt
von Novartis (671.758 Euro) und Pfizer (485.269 Euro).
Dass sich in punkto Sponsoring-Transparenz zumindest bei den großen
Pharmafirmen etwas bewegt hat, ist sicherlich zu begrüßen, und womöglich
werden sich im Wettbewerb ums beste Image bald weitere Firmen an der
relativen Offenheit von GlaxoSmithKline orientieren.
## Nachholbedarf bei der Selbsthilfe
Der Kodex des Vereins "Freiwillige Selbstkontrolle für die
Arzneimittelindustrie" (FSA) verlangt indes noch mehr: Die
FSA-Mitgliedsfirmen müssen auch "darauf hinwirken", dass
Patientenorganisationen die finanzielle Unterstützung "von Beginn an
gegenüber der Öffentlichkeit kenntlich" machen.
Angesichts dieser Vorgabe drängt sich die Frage auf: Wie mitteilsam sind
eigentlich die Gesponserten selbst? Bisher gibt es weder eine einschlägige
Datenbank in Eigenregie der Selbsthilfe noch eine umfassende
wissenschaftliche Untersuchung. Bei einer ersten Stichprobe auf den
Websites diverser Patientenvereine sind jedenfalls kaum Angaben zu
Sponsoren und Geldbeträgen zu finden.
Klar ist allerdings auch: Die Offenlegung von Geldflüssen allein macht
inhaltlich nur bedingt schlauer. Wie richtig gute Transparenz ausgestaltet
sein könnte, hatte die Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer bereits
im Jahr 2008 skizziert: Notwendig sei ein öffentliches Register, in dem
sämtliche Kooperationsverträge zwischen Pharmafirmen und
Patientenorganisationen zentral dokumentiert sind. Am besten für jedermann
und -frau anklickbar im Internet.
1 Sep 2011
## LINKS
[1] http://www.vfa.de/
[2] http://www.vfa.de/de/patienten/zusammenarbeit-mit-patientenselbsthilfegrupp…
[3] http://www.fs-arzneimittelindustrie.de/
[4] http://www.daslebenshaus.org/
[5] http://www.iqtg.de
[6] http://www.iqtg.de/cms/zuwendungzeig.asp?inst=iqtg
## AUTOREN
Klaus-Peter Görlitzer
## TAGS
Pharma
Pharmaindustrie
Arzneimittel
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