# taz.de -- Sponsering von Patientengruppen: Ein Kodex für Pharmafirmen | |
> Die forschenden Arzneimittelunternehmen haben sich selbst Regeln für den | |
> Umgang mit Patientenorganisationen auferlegt. Der Kodex ist sogar von der | |
> Kartellbehörde abgesegnet worden. | |
Bild: 82 konkurrierende Pharmaunternehmen wollen sich gegenseitig auf die Finge… | |
Pharmaunternehmen sind gern bereit, mit Patientenverbänden zu kooperieren | |
und sie finanziell zu unterstützen. Ein "enger Austausch", etwa bei der | |
Beobachtung und Weiterentwicklung bereits eingeführter Medikamente, sei | |
"forschungs- und gesundheitspolitisch erwünscht", meint Cornelia Yzer, | |
Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller | |
(VFA). | |
"Nutzenkalküle" der Industrie beobachtet dagegen der Bremer | |
Gesundheitsökonom Gerd Glaeske. Ziel kooperationswilliger Firmen sei "der | |
direkte Zugang zum Endverbraucher über die Selbsthilfe". Diese | |
Marketing-Strategie sei "kosteneffektiver" machbar, als Mediziner zu einem | |
wohlwollenden Arzneimittel-Verordnungsverhalten zu veranlassen - wofür die | |
Pillenbranche nach Professor Glaeskes Darstellung pro niedergelassenem Arzt | |
jährlich rund 35.000 Euro aufwände. | |
Die Glaubwürdigkeit von Selbsthilfeorganisationen sei gefährdet, wenn sie | |
nicht öffentlich und durchschaubar machen, welche Sponsorengelder an sie | |
fließen, so Glaeske. | |
"Mehr Transparenz" verheißt ein Kodex, den nun das Bundeskartellamt als | |
verbindliche Wettbewerbsregel anerkannt hat. Entworfen hat ihn der Verein | |
"Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie" (FSA), in dem | |
sich 82 konkurrierende Pharmaunternehmen gegenseitig auf die Finger schauen | |
wollen. In einer Mitteilung für die Presse sagt Lobbyistin Yzer, der | |
FSA-Kodex gehöre "europaweit zu den strengsten"; das Papier verlange, dass | |
Firmen ihre finanzielle Unterstützung an Patientenverbände veröffentlichen | |
müssen und keinen unlauteren Einfluss auf sie nehmen dürfen. | |
Begrüßt wird der Kodex auch von Achim Weber, Selbsthilfe-Referent beim | |
Paritätischen Wohlfahrtsverband: "Wir sind daran interessiert, dass alle | |
kooperierenden Partner darlegen, welche Verbindungen zwischen ihnen | |
bestehen und dies veröffentlichen." | |
Solche Statements klingen eindeutig - der Wortlaut des Kodex lässt jedoch | |
erhebliche Interpretationsspielräume zu. Wo Knackpunkte liegen, zeigt die | |
Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer (AkdÄ) in einer detaillierten | |
Stellungnahme, die "erheblichen Korrekturbedarf" anmahnt. | |
Die Selbstverpflichtung des FSA verlangt, dass Mitgliedsunternehmen | |
mindestens einmal im Jahr "eine Liste" derjenigen Patientenorganisationen | |
veröffentlichen müssen, denen sie Gelder oder "erhebliche" Sachzuwendungen | |
zur Verfügung stellen - wo und wie detailliert, steht aber nicht in den | |
Vorgaben. | |
Die AkdÄ um ihren Vorsitzenden Wolf-Dieter Ludwig hätte es lieber | |
konkreter: "Besser ist eine allgemein zugängliche öffentliche | |
Registerpflicht - alles andere ist per se intransparent." Außerdem will die | |
AkdÄ in einem öffentlichen Register sämtliche Kooperationsverträge | |
dokumentiert sehen. | |
Im FSA-Kodex steht, dass Pharmafirmen die redaktionelle Arbeit von | |
Selbsthilfepublikationen "nicht ohne rechtfertigenden sachlichen Grund" | |
beeinflussen dürfen. "Einflussnahme sollte generell unzulässig sein", meint | |
dazu die AkdÄ. Nicht hinnehmbar sei zudem, was der Kodex im Rahmen eines | |
einvernehmlichen Vertrages billigt: das Verwenden von Logos der | |
Patientenselbsthilfe auf Produktinformationen, Broschüren, Internetseiten | |
oder bei Veranstaltungen von Firmen. | |
Verboten gehört nach Lesart der AkdÄ, dass Arzneihersteller ausdrücklich | |
damit werben, dass sie Selbsthilfeorganisationen unterstützen. Diese | |
PR-Variante gestattet der Kodex jedoch ebenso wie die Option, dass | |
Patientenverbände ihre Publikationen mit Schriftzügen industrieller | |
Geldgeber bedrucken lassen. | |
Sehr genau gelesen hat die AkdÄ die Ausführungen über "Neutralität und | |
Unabhängigkeit". Der Kodex verlangt zwar, dass bei Veranstaltungen der | |
Patientenselbsthilfe eine einseitige Darstellung zu Gunsten eines | |
Unternehmens, einer bestimmten Therapie oder eines bestimmten Produktes | |
ausgeschlossen sein muss. Es fehlt nach Meinung der AkdÄ aber eine | |
"Verpflichtung zur umfassenden Information auch über konkurrierende | |
Behandlungen". | |
Unklar bleibt für die AkdÄ zudem, wie die Kooperationspartner die im Kodex | |
vorgegebene "eindeutige Trennung" zwischen Unternehmensinformationen und | |
Empfehlungen der Selbsthilfe praktisch hinbekommen wollen. | |
Der Forderung von Professor Ludwig und Kollegen, den FSA-Kodex eingehend zu | |
überarbeiten, haben die Urheber komplett ignoriert. Immerhin ermutigen sie | |
die Öffentlichkeit, künftig genau hinzuschauen, ob sich die Firmen im | |
Kooperationsalltag an die selbst verordneten Vorgaben halten. "Jedermann | |
und jede Institution können Beanstandungen einreichen", erklärt | |
VFA-Hauptgeschäftsführerin Yzer. Die FSA-Schiedsstelle, deren zweite | |
Instanz auch mit drei Ärzten und einem Patientenvertreter besetzt ist, | |
werde allen Eingaben nachgehen; bei Verstößen könnten Geldstrafen bis zu | |
250.000 Euro und eine öffentliche Rüge die Folge sein. | |
Als Beleg dafür, dass er "zeitnah und wirksam" gegen Kodex-Verstöße | |
vorgehe, vermeldet der FSA auf seiner Homepage ein Ordnungsgeld von 50.000 | |
Euro, verhängt im Februar 2008 gegen die Novartis Pharma GmbH. Dem | |
Unternehmen, das 2007 allein in Deutschland 2,8 Milliarden Euro umgesetzt | |
haben soll, war in einem Pressebericht unter anderem eine "Einladung von | |
Ärzten zu einer Veranstaltung in den Spreewald" vorgeworfen worden. Was | |
sich dort genau abgespielt hat, steht nicht in der FSA-Mitteilung. | |
20 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Peter Görlitzer | |
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