# taz.de -- Die AOK kritisiert niedergelassene Ärzte: Zu wenig Zeit für geset… | |
> Niedergelassene Haus- und Fachärzte arbeiten zu wenig für ihr Geld. Das | |
> kritisiert die AOK in einer neuen Studie. Den Schaden beziffert sie auf | |
> mehrere Milliarden Euro. | |
Bild: Die AOK meint zu wissen, warum es in manchen Praxen länger dauert. | |
JOACHIMSTHAL taz | Der designierte Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, | |
Jürgen Graalmann, wirft den niedergelassenen Haus- und Fachärzten vor, für | |
ihr Geld nicht genug zu arbeiten. "Momentan bekommen die Versicherten nicht | |
genügend Leistung für das, was sie bezahlen", sagte Graalmann auf einer | |
Veranstaltung in Joachimsthal am Donnerstagabend. Die Kassenärztliche | |
Bundesvereinigung (KBV) wies den Vorwurf zurück. | |
Die Kritik stützt sich auf eine repräsentative Befragung von | |
niedergelassenen Haus- und Fachärzten durch das Institut Psychonomics im | |
Auftrag der AOK. Die Ärzte sollten angeben, wie viel Zeit sie für ihre | |
gesetzlich versicherten Patienten aufwenden - also für deren Behandlung, | |
für Hausbesuche, telefonische Beratung und Verwaltung. Das Ergebnis: | |
Hausärzte sind im Schnitt 47 Stunden pro Woche für ihre gesetzlich | |
Versicherten da, Fachärzte 39 Stunden. | |
Von den Kassen bezahlt bekommen die Ärzte aber ein Honorar, das einem mit | |
51 Wochenstunden kalkulierten Lohn entspricht. Die "Minderleistung" in Form | |
von bezahlter, aber nicht erbrachter Arbeitsleistung entspreche einem Wert | |
von jährlich 4 Milliarden Euro und sei insbesondere bei den Fachärzten mit | |
23 Prozent nicht tolerierbar: Jeder fünfte gesetzlich Versicherte warte | |
deswegen mittlerweile mehr als drei Wochen auf einen Termin beim Facharzt. | |
## Pflicht: 20 Sprechstunden pro Woche | |
"Keiner kann der Politik mehr weismachen, dass steigende Wartezeiten die | |
Folge mangelnder personeller oder finanzieller Ressourcen sind", sagte | |
Graalmann. Die langen Wartezeiten ergäben sich einzig aus eigenmächtiger | |
Sprechzeitenverkürzung. Die KBV entgegnet, die Vertragsärzte seien nur zu | |
20 Sprechstunden pro Woche verpflichtet. Sie erbrächten "wesentlich mehr | |
Leistungen, als sie bezahlt bekommen", so der KBV-Vorstandsvorsitzende | |
Andreas Köhler. | |
Laut AOK ist ein weiteres Problem die Praxisschließung zum Quartalsende. So | |
gab jeder dritte befragte Arzt an, in den letzten zwölf Monaten seine | |
Praxis an fünf Arbeitstagen geschlossen zu haben. Über die Hälfte der | |
Fachärzte erklärten, Behandlungstermine bei medizinisch planbaren Fällen | |
aus finanziellen Gründen bewusst auf den Anfang des nächsten Quartals | |
verschoben zu haben. | |
Honorarkürzungen als Strafe schloss Graalmann aus. "Finanzielle Sanktionen | |
würden bedeuten, dass wir uns mit der Situation abfinden." Stattdessen | |
forderte er die KBV auf, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und die | |
Versorgung sicherzustellen. Es könne nicht sein, dass die Ärzte ihre von | |
den gesetzlichen Kassen bezahlte Arbeitszeit dafür nutzten, privat | |
Versicherte zu behandeln oder Selbstzahlerleistungen zu erbringen. | |
Graalmann drohte mit "politischen Initiativen", sollte dieser Appell | |
ungehört bleiben. | |
2 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Krankenversorgung auf dem Land: Das Gartower Modell | |
Der Hausarzt Reiner Kretschmer pendelt jeden Tag zwischen seiner eigenen | |
Praxis und der angemieteten Filiale. So entgeht der Ort Gartow dem | |
Ärtzemangel. | |
Perfide Werbestrategie der Mediziner: Der Arzt als Chefredakteur | |
Man sollte skeptisch sein, wenn in der Infozeitschrift im Wartezimmer der | |
Arzt als Chefredakteur aufgeführt ist. Arztpraxen nehmen zweifelhafte | |
PR-Dienste in Anspruch. | |
Pharmaspenden für Patientenorganisationen: Mehr Transparenz gefordert | |
Ohne Großspenden der Pharmafirmen müssten einige | |
Patienten-Selbsthilfevereine wohl dichtmachen. Kenntlich machen könnte man | |
die Herkunft des Geldes schon. | |
Psychotherapeuten in Deutschland: Besser keine Nervenkrise in Uelzen | |
Die Zahl der psychischen Erkrankungen nimmt zu, die Wartezeiten werden | |
länger. Mit dem Versorgungsgesetz entbrennt ein Streit um die Verteilung | |
von Therapiepraxen. | |
Kommentar Gesundheitspolitik: Fassungslose Lobbyisten | |
Das Image der Pharmakonzerne ist fast so schlecht wie das der | |
Rüstungsindustrie. Deshalb schustert die FDP die zu verteilenden Milliarden | |
lieber den Ärzten zu. |