# taz.de -- Kommentar Gesundheitspolitik: Fassungslose Lobbyisten | |
> Das Image der Pharmakonzerne ist fast so schlecht wie das der | |
> Rüstungsindustrie. Deshalb schustert die FDP die zu verteilenden | |
> Milliarden lieber den Ärzten zu. | |
Die Pharmaindustrie ist enttäuscht: Endlich regiert wieder eine | |
schwarz-gelbe Koalition - und dann beschneidet ausgerechnet ein | |
FDP-Gesundheitsminister die Gewinne der Arzneikonzerne. Erstmals seit | |
Jahren werden die mit Medikamenten gemachten Profite kaum steigen, was die | |
Lobbyisten fassungslos zurücklässt. Nie hätten sie damit gerechnet, dass | |
die liberale Klientelpartei ihre Klientel nicht mehr bedient. Was ist da | |
passiert? | |
Die Antwort ist einfach: Es gibt eben mehr als nur eine Lobbytruppe, die | |
die Liberalen zu versorgen haben. Denn nicht nur die Pharmakonzerne wollen | |
ihre Gewinne maximieren, auch die Ärzte möchten ihr Einkommen drastisch | |
steigern. Beides gleichzeitig ist aber nicht möglich, weil schlicht das | |
Geld fehlt. Denn egal ob es um Medikamente oder um Arzthonorare geht - | |
finanziert werden sie immer von den Krankenversicherten. Und deren | |
Realeinkommen stagnieren schon seit Jahren. | |
Mediziner und Pharmalobby ignorieren zwar gern, dass ihre Einkünfte von den | |
Gehältern der Massen abhängen - und wähnen sich als autonome | |
"Leistungsträger", die eine privilegierte und elitäre Sphäre besiedeln, die | |
vom Schicksal der Arbeitnehmer abgekoppelt ist. Doch die Realität sieht | |
eben anders aus. Wenn den gesetzlichen Krankenkassen das Geld ausgeht, dann | |
muss es irgendwann auch für Ärzte und Pharmafirmen zu Einbußen kommen. | |
Der Verteilungskonflikt innerhalb der Gesundheitsbranche ist also | |
unausweichlich. Für die FDP stellte sich daher nur noch die machttaktische | |
Frage, welche der beiden Lobbytruppen politisch gefährlicher ist. Wie für | |
eine lang erprobte Klientelpartei zu erwarten, haben die Liberalen den | |
richtigen Instinkt bewiesen und vorrangig die Ärzte hofiert. Denn diese | |
können nicht nur 300.000 Mediziner mobilisieren - vor allem können sie in | |
ihren Wartezimmern Millionen von Patienten agitieren. Also durften sich die | |
Landärzte kürzlich darüber freuen, dass es für sie einen ordentlichen | |
Zuschlag geben wird. | |
Die Pharmafirmen haben in diesem Verteilungspoker keine Chance. Ihr Image | |
bei den Wählern ist so schlecht, dass sie nur noch knapp vor den | |
Rüstungsfirmen rangieren. Das hat die FDP für sich genutzt. Mitleid mit den | |
Arzneimittelkonzernen ist dennoch unnötig: Sie machen noch immer | |
Milliardengewinne. | |
15 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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