# taz.de -- Illegale Siedlung im Westjordanland: Warten auf die Räumung | |
> Bis zum 25. Dezember müssen die rund 40 Häuser von Amona abgerissen | |
> werden. Doch der Streit ums Land ist noch nicht vorbei. | |
Bild: Szene aus Amona | |
AMONA/SILWAD taz | Einige hundert Jugendliche proben den Widerstand gegen | |
die bevorstehende Räumung der Siedlung Amona. Die jungen Leute tragen die | |
gestrickte Kipa auf dem Kopf, das Zeichen nationalreligiöser Juden. | |
Geschützt von der Dunkelheit nähern sie sich nachts auf ein paar Kilometer | |
Entfernung der umstrittenen Ortschaft nordöstlich von Ramallah, wo heute | |
gut 40 Familien leben. | |
Bis 25. Dezember, so ordnete es der Oberste Gerichtshof in Jerusalem an, | |
sollen Bulldozer die meist provisorischen Mobilhäuser der israelischen | |
Siedler dem Erdboden gleichmachen. Amona ist illegal, auch nach | |
israelischen Recht. Die Häuser stehen auf privatem Land palästinensischer | |
Grundstückseigentümer. | |
Eli Greenberg wohnt seit 13 Jahren in Amona. „Wir sind gute Bürger“, sagt | |
der achtfache Familienvater, der nicht zulassen will, dass „noch einmal | |
Juden von hier vertrieben werden, so wie vor 2.000 Jahren“. In Amona zu | |
leben bedeutet für ihn, „die Geschichten der Bibel lebendig werden zu | |
lassen“. | |
Amona ist die größte von rund einhundert illegalen Siedlungen. Israels | |
Behörden versagten den Ortschaften anfangs zwar Baugenehmigungen, sorgten | |
aber für die nötige Infrastruktur. Ein derzeit vom Parlament diskutierter | |
Vorschlag könnte die einst wild errichteten Siedlungen im Nachhinein | |
legalisieren. | |
## Unter israelischer Militärverwaltung | |
„Die Knesset hat noch nie ein Gesetz über Land in den Palästinensergebieten | |
verabschiedet“, sagt Gilad Grossman, Sprecher der israelischen | |
Menschenrechtsorganisation Jesch Din (Es gibt ein Recht), der den | |
Gesetzentwurf für nicht haltbar hält. Das besetzte Westjordanland | |
untersteht der israelischen Militärverwaltung. „Die Knesset wäre erst | |
zuständig, wenn das Land annektiert werden würde.“ Für Amona käme jede | |
Rettung vermutlich ohnehin zu spät, es sei denn, die Abgeordneten stimmen | |
für ein Gesetz, das gleichzeitig die Entscheidung des Obersten Gerichts | |
über die Räumung revidiert. | |
Miriam Hammad freut sich darauf, auf ihr Land zurückzukehren, das sie seit | |
20 Jahren nicht betreten durfte. Die 82-jährige Palästinenserin aus dem | |
Dorf Silwad ist eine der Grundstückseigentümer, die mithilfe von Jesch Din | |
vor Gericht zogen. „Ich wusste, dass die Richter uns Recht geben würden“, | |
sagt Hammad. „Seit ich sieben Jahre alt war, nahm mich mein Vater mit auf | |
den Hügel“, erinnert sie sich. „Ich half ihm beim Säen von Bohnen und | |
Tomaten, und im Sommer stellten wir ein Zelt auf zum Schutz vor der Sonne.“ | |
Hammad berichtet von dem „Schrecken“, als die Fremden mit ihren Wohnmobilen | |
kamen, „mit Gewalt unser Land stahlen“, um sich darauf niederzulassen, und | |
von den Soldaten, die „auf uns geschossen haben, wenn wir uns näherten“. | |
Die palästinensischen Bauern mussten einen weiträumigen Sicherheitsabstand | |
zur illegal errichteten Siedlung halten. Einen Kontakt zu den Israelis gab | |
es nicht. „Hier war nichts“, meint Nachum Schwarz, der zu denen gehört, die | |
Ende 1996 als erste nach Amona zogen. Nach seinem Militärdienst beschloss | |
er, sich auf dem Hügel niederzulassen, auf dem er als Kind gespielt hat. | |
„Wir waren Pioniere und hatten das Gefühl, eine wichtige Mission zu | |
erfüllen.“ | |
Schwarz wuchs in Ofra auf, eine wenige hundert Meter entfernt liegende | |
Siedlung. Von einem Wegzug aus Amona will er nichts hören. „Die Regierung | |
hat Stromleitungen und Wasserrohre gelegt und 40 Grundstücke zur Verfügung | |
gestellt“, berichtet er. Schwarz züchtet Schafe und baut Himbeeren an. Ein | |
Unrecht sei durch ein anderes nicht wiedergutzumachen. Wenn die | |
palästinensischen Bauern mit Dokumenten beweisen könnten, dass das Land | |
ihnen gehört, sollten sie kompensiert werden. „Der neue Gesetzentwurf sagt: | |
Trefft euch in der Mitte!“ | |
Von Kompensation wollen die Palästinenser nichts hören. „Geld bedeutet mir | |
nichts“, sagt Miriam Hammad. „Das Land ist alles für uns, es ist unser | |
Herz.“ Auch Hammads Nachbar Issa Zayed schüttelt den Kopf. „Dein Land | |
aufzugeben ist, als verließest du dein eigenes Kind.“ Wie früher will Zayed | |
jetzt wieder Feigenbäume anpflanzen, Weinstöcke und Oliven. Greenberg, | |
Schwarz, ihre Familien und Nachbarn müssen bis dahin ihre Koffer packen und | |
einige Kilometer weiter nach Norden ziehen. In der Siedlung Shilo sollen | |
neue Häuser gebaut werden für die Familien aus Amona und für viele andere | |
neue Siedler. | |
21 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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