| # taz.de -- Siedlungsbau im Westjordanland: Migron wird jetzt geräumt | |
| > Nach einem Urteil verlassen die ersten Familien die illegale Siedlung | |
| > Migron. Die Bewohner wollen keinen Widerstand leisten. Sie bekommen neue | |
| > Wohnungen. | |
| Bild: Polizeieinsatz: Siedler wurden von den Dächern ihrer Häuser in Migron g… | |
| MIGRON taz | Die israelischen Behörden haben am Sonntag die Räumung der im | |
| Westjordanland gelegenen jüdischen Siedlung Migron eingeleitet. Einige | |
| Familien hätten ihre Häuser bereits am Morgen freiwillig verlassen, sagte | |
| Polizeisprecher Micky Rosenfeld. Die übrigen seien aufgefordert worden, bis | |
| spätestens Dienstag zu folgen. | |
| Auf einigen Häusern in Migron stand: „Wir kommen wieder“ oder „Wir werden | |
| den Zionismus nie vergessen“. Nach Angaben der Polizei gab es | |
| Auseinandersetzungen zwischen etwa 50 jungen Siedlern aus benachbarten | |
| Orten mit der Polizei. | |
| Migron ist einer der größten sogenannten Vorposten, die von der | |
| israelischen Regierung nie legalisiert worden sind, und hätte laut der 2003 | |
| mit der PLO unterzeichneten „Roadmap“ längst abgerissen werden müssen. Im | |
| Januar 2011 entschied ein Gericht im Sinne von „Peace Now“ und mehreren | |
| palästinensischen Grundbesitzern, die Klage eingereicht hatten. Weil die 50 | |
| Häuser von Migron auf privatem Land stehen, sollen sie abgerissen werden. | |
| Für Aviela Deitsch, die in Migron lebt, macht der Rechtsspruch keinen Sinn. | |
| Die füllige 40-Jährige, die erst vor ein paar Jahren aus den USA | |
| eingewandert ist und sechs Kinder in der Siedlung aufzieht, trägt ein | |
| buntes Kopftuch. Sie zählt sich, wie alle hier, zum national-religiösen | |
| Lager. „Das Land Israel gehört dem Volk Israel“ ist ihre Devise. Völlig | |
| unverständlich ist für sie deshalb das Urteil, das das Land den | |
| benachbarten palästinensischen Dörfern Burka und Deir Dibwan zuspricht. | |
| ## Ersatzwohnungen in legaler Siedlung | |
| Obdachlos wird allerdings niemand. Etwa einen Kilometer südlich von Migron | |
| legen palästinensische Arbeiter letzte Hand an die Fertighäuser, in die die | |
| Siedler umziehen sollen. Givat HaJekew heißt das neue Viertel, das an die | |
| „legale Siedlung“ Psagot grenzt. Seit Ostern wird hier mit verstärkter | |
| Kraft gearbeitet. Die Regierung kommt den Siedlern mit dem Bau der | |
| Ersatzwohnungen entgegen, um Gewalt vorzubeugen. | |
| Ganz so idyllisch wie in dem auf einem Hügel gelegenen Migron ist es hier | |
| unten nicht. Die Häuser stehen dichter beieinander. Für die Siedler heißt | |
| es Abschied nehmen von ihren grünen Vorgärten und den Ziegen im Kinderzoo. | |
| Der Schrecken von Amona, einem „Vorposten“, der vor sechs Jahren geräumt | |
| wurde, ist allen noch lebhaft in Erinnerung. 4.000 Siedler waren damals | |
| angereist, um den Abriss von ganzen neun Häusern zu verhindern. Bei | |
| heftigen Auseinandersetzungen mit einem fast doppelt so großen | |
| Sicherheitsaufgebot gab es viele Verletzte. | |
| Glaubt man den Bewohnern von Migron, packen die rund 100 Erwachsenen und | |
| etwa 200 Kinder zwar nicht freiwillig ihre Koffer. Sie wollen sich aber | |
| mehr oder weniger friedlich von den Sicherheitskräften aus ihren Häusern | |
| holen lassen, unberührt von den Hetzparolen radikalerer Siedler. | |
| ## Regierung lässt Siedlungen erweitern | |
| „Ihr müsst euch tapfer zur Wehr setzen“, riet Dov Lior, Chefrabbiner in | |
| Hebron und Kirjat Arba, vergangene Woche. „Dieser Ort gehört keinem | |
| Effendi“, polemisierte er und sprach dem Gericht, „das sein Urteil nicht | |
| auf die Thora stützt“, jede Zuständigkeit ab. Rabbi Eliakim Levanon, | |
| Bezirksrabbiner für Samaria, drohte gar: „Wer die Hand gegen Migron erhebt, | |
| dem soll die Hand abgeschlagen werden.“ | |
| Die Übereinkunft zwischen Siedlern und Regierung ist kein so schlechtes | |
| Geschäft für das rechte Lager. Zusätzlich zu dem Neubauviertel in Givat | |
| HaJekew versprach Regierungschef Benjamin Netanjahu neue Häuser in der | |
| benachbarten Siedlung Adam. „Das Baugelände östlich von Adam ist das größ… | |
| im gesamten Westjordanland“, meint Dror Etkes, Initiator der Abteilung | |
| „Settlement watch“ von „Peace Now“. Seit Jahren dokumentiert Etkes den | |
| illegalen Siedlungsbau. Den Umzug der Siedler nach Givat HaJekew bezeichnet | |
| er als einen „Witz“. | |
| Trotzdem sei es gut und richtig gewesen, ein Verfahren einzuleiten. | |
| Abgesehen davon, dass die privaten Landbesitzer ihr Recht einklagen, „geht | |
| es um die politische Bewusstseinsbildung und darum, zu zeigen, wie | |
| verdorben das System ist“. Diese Woche beginnt auch der Abriss der | |
| illegalen Siedlerhäuser in Ulpana, einem Wohnviertel, das ebenfalls | |
| aufgrund eines Urteils des Obersten Gerichts geräumt werden musste. „Die | |
| Bilder von der Räumung der illegalen Häuser“, meint Etkes, „sind Gold für | |
| uns.“ (mit dapd/afp) | |
| 2 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
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