# taz.de -- Gesetzentwürfe zum Familiennachzug: Flüchtlinge warten sich kaputt | |
> Grüne und Linke wollen den Familiennachzug wieder erleichtern. Sie haben | |
> Gesetzentwürfe dazu eingereicht, die Wartefristen abschaffen sollen. | |
Bild: Die Syrerin Selma Baker und ihre beiden Töchter leben jetzt in Thüringe… | |
BERLIN taz | Asma A. zum Beispiel ist syrische Mutter von vier Kindern, der | |
Ehemann wurde vom IS getötet. Sie hat es mit zwei Kindern nach Deutschland | |
geschafft. Die anderen beiden Töchter, 15 und 16 Jahre alt, leben in einer | |
Flüchtlingsunterkunft in der Türkei. Asma A. hat in Deutschland nur den | |
„subsidiären Schutz“ für Flüchtlinge bekommen. | |
Das bedeutet: Sie kann die nächsten zwei Jahre die beiden älteren Kinder | |
nicht nachholen. In zwei Jahren aber ist die Älteste volljährig – ein | |
Nachholen ist dann nicht mehr möglich. „Das ist eine verachtende | |
Menschenrechtspolitik“, sagte Ulla Jelpke von der Linkspartei am Donnerstag | |
im Bundestag, die den Fall beschrieb. | |
Die Linkspartei und die Grünen brachten Gesetzentwürfe in den Bundestag | |
ein, mit denen eine Praxis beendet werden soll, die auch von vielen | |
SPD-Abgeordneten inzwischen als unmenschlich gerügt wird. Es ist eine | |
Bestimmung im sogenannten Asylpaket II, nach der Geflüchtete, die nur noch | |
den subsidiären Schutz bekommen und nicht mehr den vollen Schutz laut der | |
Genfer Flüchtlingskonvention, für die Dauer von zwei Jahren ihre Ehepartner | |
und minderjährigen Kinder nicht mehr nachholen dürfen. | |
Dies betrifft auch minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die ihre Eltern | |
nachholen möchten. Die Bestimmung gilt für Geflüchtete, die ihren | |
Asylantrag ab März 2016 stellten. | |
## Viel Arbeit für die Verwaltungsgerichte | |
Auch die SPD hatte ehemals dem Asylpaket zugestimmt mit Verweis darauf, | |
dass nur sehr wenige Flüchtlinge von der Einschränkung beim Familiennachzug | |
betroffen seien, da Syrer etwa in den meisten Fällen den vollen | |
Flüchtlingsschutz bekämen. Das hat sich geändert. Inzwischen erhalten mehr | |
als 70 Prozent der Syrer nur den subsidiären Schutz. Dagegen ziehen 17.000 | |
Betroffene vor die Verwaltungsgerichte. „Es kommen immer mehr Menschen, die | |
klagen wollen“, sagt der Berliner Migrationsrechtsanwalt Stefan Gräbner der | |
taz. | |
Einige Verwaltungsgerichte haben bereits in erster Instanz entschieden, | |
dass syrischen Flüchtlingen der volle Schutz zuerkannt werden müsse. Das | |
Verwaltungsgericht Trier beispielsweise argumentierte, zurückkehrenden | |
Flüchtlingen drohe in Syrien „systematische Verfolgung“, weil man ihnen | |
aufgrund des Fluchttatbestandes eine oppositionelle Gesinnung unterstellen | |
könnte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat gegen diese Urteile | |
Revisionen eingelegt, die noch anhängig sind. | |
Sowohl die Grünen als auch die Linken möchten die Wartefrist beim | |
Familiennachzug für subsidiär Geschützte abschaffen. Aber auch einige | |
SPD-Abgeordnete bedauerten bei der Aussprache im Bundestag am Donnerstag, | |
dass die SPD den Wartenfristen im Februar zugestimmt hatte. Angesichts der | |
steigenden Zahlen der nur noch subsidiär Geschützten sei „die | |
Geschäftsgrundlage“ für den damaligen Beschluss entfallen, sagte der | |
SPD-Abgeordnete Lars Castellucci. Man müsse mit der Union „zueinander | |
kommen“ und eine Lösung finden. | |
Einige Unionsabgeordnete verteidigten die Einschränkung und verwiesen auf | |
die Probleme in den Kommunen, Wohnungen bereitzustellen. Auch die Schweden | |
hätten den Familiennachzug eingeschränkt, sagte die Unionsabgeordnete | |
Andrea Lindholz. | |
10 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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