# taz.de -- Flüchtlingsverteilung in der EU: Ein Programm wie eine Lotterie | |
> Die EU wollte innerhalb eines Jahres 30.000 Flüchtlinge aus Griechenland | |
> übernehmen. Nun sind es nur rund 5.000. Die Lager sind überfüllt. | |
Bild: Die Flüchtlingslager sind überfüllt und schlecht versorgt | |
ATHEN taz | „Wir hatten so ein wahnsinniges Glück“, sagt Mohammad Hamiesh | |
und drückt seinen zweijährigen Sohn Yazan fest an sich. Seine Frau Rasha | |
Amore nickt heftig. Auch sie lacht über das ganze Gesicht während sie sanft | |
den Kinderwagen schaukelt, in dem ihre Tochter Lana schläft. Vor knapp drei | |
Wochen wurde Lana in einem Athener Krankenhaus geboren. Kurz danach kam der | |
lang ersehnte Bescheid: Sie dürfen nach Finnland! | |
Familie Hamiesh, die vor etwa einem Jahr aus Homs flüchtete, ist eine der | |
insgesamt 16 Familien, die am Montagmorgen wartend vor dem Gate B 15 am | |
Athener Flughafen steht. Auch 52 Alleinreisende – davon 36 unbegleitet | |
Minderjährige – kommen mit an Bord der Maschine nach Finnland. Die | |
insgesamt 111 Flüchtlinge stammen alle aus Syrien, so ein Sprecher der | |
griechischen Migrationsbehörde. | |
Seit einem Jahr existiert das Umverteilungsprogramm der EU. 30.000 | |
Flüchtlinge aus Griechenland wollte Europa innerhalb eines Jahres auf | |
EU-Staaten verteilen. Bis heute wurden nur etwa 5.000 aufgenommen. Die | |
Flüchtlingscamps in Griechenland sind völlig überfüllt: Über 61.000 | |
Flüchtlinge und Migranten sitzen seit Monaten im Land fest. | |
Familie Hamiesh meldete sich vor etwa sieben Monaten zum EU- | |
Umverteilungsprogramm beim Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen | |
(EASO) an. „Das Programm ist ein bisschen wie ein Gewinnspiel“, lacht | |
Mohammad Hamiesh und zuckt mit den Schultern. Denn niemand weiss, in | |
welches Land er geschickt wird. Er und seine Frau hatten sich große Sorgen | |
gemacht, dass sie in ein wirtschaftsschwaches EU-Land, wie Rumänien oder | |
Polen gebracht werden, berichtet der 28-jährige Bauingenieur weiter. Da sei | |
alles schwieriger: Bildung, Arbeit, Kindergeld. Nach der Flucht mit | |
Schleppern sah der Syrer die einzig realistische Chance auf ein legales, | |
sicheres Leben, sich für das Programm zu melden. Jetzt ist er erleichtert – | |
seine Familie hat einen der wenigen Plätze im Umverteilungsprogramm | |
ergattert. | |
## Sechs Flüchtlingscamps weniger | |
„Weitere 7.500 Flüchtlinge sind seitens der griechischen Behörden aus | |
bereit, um in ein anderes EU-Land gebracht zu werden“, sagt der griechische | |
Minister für Migrationsangelegenheiten, Ioannis Mouzalas, der die | |
Flüchtlinge bis zum Abflug begleitet hat. Doch es gäbe nicht genug freie | |
Plätze. „Europa muss dringend an sein Versprechen erinnert werden“, so | |
Mouzalas weiter. Einzelne EU-Staaten dürften dieses Programm nicht weiter | |
abblocken. „Die 5.000 Menschen, die bereits umverteilt wurden, bedeuten | |
etwa sechs Flüchtlingscamps weniger, die Griechenland sonst tragen muss“, | |
so Mouzalas. | |
Muhammad Hamiesh hält dem Flugbegleiter sein Ticket zur Kontrolle hin. Ja, | |
er wisse, wie schlecht es den GriechInnen durch die Wirtschaftskrise geht. | |
„Man hat uns hier einen sicheren Schlafplatz, Anziehsachen, zu Essen und | |
medizinische Versorgung gegeben“, sagt er, bevor er hinter dem Gate | |
verschwindet. Mehr könne man von den Menschen, die selbst Probleme haben, | |
doch nicht erwarten. | |
„Wir könnten täglich etwa 200 UmverteilungskandidatInnen registrieren“, | |
sagt Maria Stavropoulou, Vorsitzende der griechischen Asylbehörde, die vor | |
der Abfertigung einige der Flüchtlinge verabschiedet. „Wenn wir also die | |
Zusagen anderen Mitgliedsstaaten zur Umverteilung erhalten würden, könnten | |
etwa 1.000 Menschen pro Woche in ein neues Leben starten“, so Stavropoulou. | |
3 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Theodora Mavropoulos | |
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