# taz.de -- Flüchtlingslager in Griechenland: Der Traum von Europa ist vorbei | |
> Im Lager Amygdaleza sind Menschen untergebracht, die angeblich freiwillig | |
> in ihre Heimat zurückwollen. Als Anreiz gibt's 500 Euro pro Kopf. | |
Bild: Eine Irakerin mit Kind im Lager Amygdaleza | |
Athen taz | Jehaan Al Huseen Abd sitzt auf einer Holzbank im Auffanglager | |
Amygdaleza, das sich im nördlich von Athen befindet. Auf dem Arm hält sie | |
ihre einjährige Tochter Noal. Hinter ihr reihen sich die neuen 22 grauen | |
Containerhäuser, welche mit einstöckigen Hochbetten ausgestattet sind. | |
Klimaanlage, Kühlschrank, Wi-Fi, selbst an Zahnbürsten wurde gedacht. Jedes | |
der Häuser hat einen eigenen Schlüssel, den die Kurzbewohner für ihren | |
Aufenthalt von etwa einer Woche ausgehändigt bekommen. Auch ein kleiner | |
Kinderspielplatz wurde gebaut. Die 19-Jährige schaut über den hohen | |
Stacheldrahtzaun in die Ferne. | |
In der Vergangenheit ist das Lager von Menschenrechtsorganisationen immer | |
wieder scharf kritisiert worden. Im letzten Jahr stellte die | |
Syriza-Regierung den Betrieb dann ein. Am Mittwoch wurde das restaurierte | |
Auffanglager neu eröffnet. Jetzt dient Amygdaleza als geschlossenes | |
Aufnahmezentrum für Migranten, die freiwillig in die Heimat zurückkehren. | |
„Wir wollten den Menschen die Zeit bis zu ihrer Rückreise so angenehm wie | |
möglich gestalten“, sagt Nikos Toskas, Minister für Öffentliche Ordnung. | |
Man verspreche sich davon auch, dass die Menschen in ihren Ländern die | |
Nachricht verbreiten, dass es eben nicht so einfach sei, nach Europa zu | |
gehen, so der Minister. „Freiwillige Rückkehr und Reintegration“ (AVRR) | |
heißt das Program der Internationalen Organization für Migration (IOM). Es | |
wird zu 75 Prozent vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der | |
Europäischen Union (AMIF) und 25 Prozent vom griechischen Ministeriums für | |
Inneres und administrativen Wiederaufbau gefördert. | |
Jehaan Huseen ist eine von ihnen. Ja, heute geht es zurück nach Hause, sagt | |
die junge Mutter in gebrochenen Englisch. Ihr Traum von Europa? Vorbei. Sie | |
lächelt leise. Die kleine Noal brabbelt vor sich hin. „Ich wollte für meine | |
Tochter nach Europa“, erzählt Jehaan vorsichtig weiter und schaut lange auf | |
das Kind. „Aber wir gehen freiwillig“, betont sie. | |
## Asylanträge zurückziehen | |
Noch heute fliegen Jehaan, Noel und 12 weitere Migranten nach Bagdad – | |
unter ihnen insgesamt neun Kinder. Vorher mussten alle Personen ihre | |
Asylanträge zurückziehen, um für das AVRR-Programm zugelassen zu werden. | |
„Wir bringen von hier niemanden gegen seinen Willen in die Heimat zurück,“ | |
so Daniel Esdras, Leiter der IOM Griechenland. | |
Diese Menschen seien keiner Gefahr ausgesetzt, wenn man sie zurück in ihr | |
Land brächte, betont Esdras. Deshalb handle es sich auch nicht um | |
Flüchtlinge, sondern um Menschen, die sich von Europa eine bessere Zukunft | |
versprachen. Über 300 Menschen haben sich aktuell für das Programm | |
angemeldet. | |
„Europa hat uns einfach keine Chance gegeben“, sagt die junge Mutter Jehaan | |
Huseen, während sie Noal in ihren Armen wiegt. Sie kommt aus der Stadt | |
Nadschaf im Süden des Iraks. Ihr Mann und sie fanden keine Arbeit und so | |
entschloss sich das Paar, nach Europa zu gehen. Außerdem seien die | |
Bombenanschläge zu nervenaufreibend. | |
„Das nimmt meinem Kind die Kindheit“ seufzt sie. In Nadschaf lebt immer | |
noch ein Teil ihrer Familie und dorthin wird sie mit ihrem Kind gebracht, | |
nachdem sie in Bagdad gelandet sind. 500 Euro pro Kopf erhalten die | |
Menschen, die Europa über das Programm der IOM verlassen als Neustart in | |
der Heimat. „Es ist besser, als monatelang in einem überfüllten Camp zu | |
leben, ohne zu wissen, was mit dir geschieht“, sagt Jehaan resigniert. Denn | |
auch das raube den Kindern ihre Kindheit. | |
27 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Theodora Mavropoulos | |
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