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# taz.de -- Der Elbphilharmonie-Skandal war gestern: Ein großes Buch über die…
> Der Hamburger Journalist Joachim Mischke hat zur Teil-Eröffnung einen
> fröhlich begeisterten Elbphilharmonie-Bild-Textband gemacht.
Bild: Demnächst zu besichtigen: die Plaza der Elbphilharmonie, die die verstor…
HAMBURG taz | Viel von Liebe ist in diesem Buch die Rede. Von Hamburgs
Politikerriege, die sich – ganz unhanseatisch – in die Elbphilharmonie
verliebt, bevor sie steht. Mehr noch: in eine Planungsskizze, eine
Architekten-Animation, die Hamburgs Senat derart euphorisierte, dass er
nicht mehr wusste, was er tat. Und das Konzerthaus quasi binnen Sekunden
beschloss, ausschrieb und eine Baufirma beauftragte.
Dabei hatten die Architekten gesagt, dass es zu früh sei und
Kostensicherheit noch fern. Aber der Erste Bürgermeister Ole von Beust war
„verliebt“ ins Gebäude und in den nahenden Bürgerschafts-Wahltermin – u…
handelte. Zugleich splittete er die Verantwortung so geschickt, dass ein
Schuldiger im Zweifelsfall nicht auszumachen wäre.
All diese Unbilden erwähnt auch das Elbphilharmonie-Buch, das jetzt der
Hamburger Abendblatt-Redakteur Joachim Mischke vorlegt. Erscheinen soll es
am 2. 11., zwei Tage bevor die Elbphilharmonie-Plaza fürs Volk geöffnet
wird. Ein erster Vorgeschmack auf das „Haus für alle“, dessen am 11. 1.
2017 startende Eröffnungssaison trotz der Misstöne der Vergangenheit
weitgehend ausverkauft ist.
Mischkes Buch spiegelt diesen Stimmungswandel. Ein schöner Bildband ist es
geworden, mit Fotos von Michael Zapf bestückt, die von der Baugrube bis zum
fertigen Konzertsaal reichen und ästhetische, ungewohnte Perspektiven
bieten.
Begleitet wird diese optische Sinfonie von Texten Mischkes, die nicht nur
die Genese, sondern auch Architekten und Akustiker würdigen und das Gebäude
so faktenreich und lebendig zeichnen, als sei man beim Rundgang live dabei.
All das hat er schon oft geschrieben, der als Hamburger Abendblatt-Autor
jeden Konzertsaal bereist, jeden Experten befragt hat, der mit der
Elbphilharmonie zu tun hatte. Jede Fiber des Baugeschehens hat er akribisch
recherchiert und berichtet.
Es wird ihm also leicht gefallen sein, die Geschichte für ein
Vorweihnachtsbuch handlich aufzubereiten. Das keine erneute Jammer-Arie
wegen der 800 Millionen Staats-Euro und der zehnjährigen Bauzeit sein kann.
Auch ist so ein Band kein journalistisches, sondern ein Kunstprodukt, und
das gilt es zu unterschieden. Denn ein Journalist braucht kritische
Distanz. Ein Buchautor nicht.
Trotzdem fällt es schwer zu akzeptieren, dass sich Mischke in dem Buch
streckenweise seiner Verliebtheit in die Elbphilharmonie hingab, sich von
Vision und Ästhetik hemmungslos verzaubern ließ.
Das mit der kritischen Distanz sei „schwierig“, räumt er ein. Er habe nie
an dem Projekt gezweifelt. Und die Realität hat ihm ja recht gegeben, der
Bau ist wunderbar gelungen. Trotzdem ist betrüblich, dass das Buch einige
kritische Punkte – etwa die Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse und
die dort aufgetretenen Gedächtnislücken Ole von Beusts – nur andeutet, die
Protest-Boote bei der Grundsteinlegung nicht erwähnt.
Und die unprofessionellen Senatsverträge mit dem Baukonzern
„verhängnisvoll“ nennt, als seien es verzeihliche Pannen eines
Liebestollen. Sätze wie diese atmen ein Verständnis für Fehler, wie es eine
Mutter aufbringt oder die Pressestelle der Kulturbehörde. Und sie
irritieren, sind sie doch gar nicht typisch für diesen sonst so kritischen
Geist.
Ob es dagegen Mischkes Wunsch war, dem Elbphilharmonie-Luxushotel samt
Luxuswohnungen eigene Kapitel zu widmen, steht dahin. Werbewirksam sind sie
in jedem Fall. Denn die teuren Wohnungen über dem Konzertsaal sind noch
längst nicht alle verkauft.
Doch bevor man missmutig aus der Lektüre geht, folgt ein fundierter
Kurz-Abriss Hamburger Musikgeschichte samt Prolog, endend mit einem
philosophisch-staunenden „Wahnsinn. Die haben das tatsächlich gebaut.“ Ein
Satz, der auch von der kürzlich verstorbenen Kultursenatorin Barbara
Kisseler stammen könnte. Sie hätte das Haus so gern eröffnet. Ein großes
Foto von ihr prangt auf einer der letzten Seiten des Buchs. Ein berührender
Abschiedsgruß.
29 Nov 2016
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Elbphilharmonie
Ole von Beust
Architektur
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