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# taz.de -- Personalie im Thüringer Skiverband: „Eine skandalöse Entscheidu…
> Neuer Geschäftsführer ist DDR-Olympiasieger Ulrich Wehling. Er war
> SED-Hardliner und förderte als Funktionär systematisches Doping.
Bild: Wie in alten Zeiten mit der Lizenz zum Dopen
Oberhof taz | Die Entscheidung des Thüringer Skiverbands, ab 1. Dezember
diesen Jahres ausgerechnet den schwer dopingbelasteten und
Stasi-verstrickten DDR-Skiverbandsfunktionär Ulrich Wehling als neuen
Geschäftsführer in Oberhof zu verpflichten, sorgte für heftige Kritik des
Doping-Opfer-Hilfe-Vereins in Berlin. Dort sind zahlreiche DDR-Athleten aus
dem nordischen Skisport registriert, die schwere Gesundheitsschäden
davongetragen haben.
Ulrich Wehling war in der DDR dreifacher Olympiasieger in der Nordischen
Kombination, danach ab 1982 stellvertretender Generalsekretär des
DDR-Skiverbands, zuständig für Leistungssport, sowie SED-Hardliner, der
Repressionen gegen Trainer und Sportler mittrug, die sich weigerten, zu
dopen. Für den couragierten früheren Thüringer Langlauftrainer und
Anti-Doping-Kämpfer Henner Misersky, der mit seiner Tochter Antje – unter
Beteiligung Wehlings – 1985 aus dem Leistungssport entfernt wurde, ist es
eine „absolut skandalöse und ignorante Entscheidung“.
Misersky ergänzt: „In der Auseinandersetzung mit mir im Frühjahr 1985 um
eine neue dopinggestützte Verbandskonzeption im DDR-Skiverband, die
Hormondoping bereits für Mädchen ab 16 Jahren festschrieb – die ich ganz
klar ablehnte –, war Wehling Verantwortungsträger.“ Kann so jemand wirklich
Geschäftsführer des Thüringer Skiverbands werden? Ein Vorbild für junge
Sportler sein? Und für einen glaubwürdigen Anti-Doping-Kampf im Thüringer
Sport stehen?
Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Dagmar Freitag (SPD)
verneint dies ebenfalls: „Ohne sich unmissverständlich und öffentlich von
dem früheren DDR-System losgesagt zu haben, sehe ich bei Herrn Wehling
wirklich keine besondere Eignung, eine strikte Ächtung des Dopings
heutzutage glaubwürdig zu vertreten.“ Bis heute – nahezu 27 Jahre nach dem
Mauerfall – hat sich der 64-jährige Wehling bei den Betroffenen, wie zum
Beispiel Henner Misersky und seiner Tochter Antje Misersky-Harvey, der
Biathlon-Olympiasiegerin von 1992, nicht entschuldigt.
## Noch mehr fragwürdige Entscheidungen
Und nun soll ausgerechnet er in Oberhof das Sagen haben. Die
Sportpolitikerin Freitag kritisiert: „Die Personalentscheidung des
Thüringer Skiverbands ist für mich nicht nachvollziehbar. Schließlich kehrt
damit einmal mehr ein belasteter DDR-Funktionär in eine wirklich wichtige
sportpolitische Funktion zurück, und das, ohne sich zumindest von seinen
früheren Verfehlungen distanziert zu haben. Und besonders erschütternd ist
natürlich auch, dass die Personalie Wehling ja bei Weitem nicht die einzige
wirklich fragwürdige Entscheidung im Sport auf Landesebene in Thüringen
ist.“
So zieht im Landessportbund schon seit vielen Jahren der Stasi- und
dopingbelastete Hauptgeschäftsführer Rolf Beilschmidt die Strippen. Und
dennoch: Der Thüringer Skiverband verteidigt stoisch die Neuverpflichtung
von Geschäftsführer Wehling: Man sehe keinen Grund, ihm wegen seiner
DDR-Vergangenheit Vorhaltungen zu machen, erklärte der Vizepräsident
Wilfried Hocke. Auch die Thüringer Sportministerin Birgit Klaubert von der
Linkspartei ließ auf Anfrage zu Wehling per Sprecher mitteilen, man sehe es
nicht als Aufgabe des Ministeriums an, Personalentscheidungen einzelner
Sportverbände zu kommentieren.
Und: Die Stelle des Geschäftsführers des Thüringer Skiverbands werde nicht
mit Landes- beziehungsweise Bundesmitteln finanziert, so das Ministerium.
Bezeichnend ist auch Folgendes: Der einstige DDR-Sportwissenschaftler Bernd
Neudert, im Hauptberuf heute Leiter des Olympiastützpunktes Thüringen sowie
Präsidiumsmitglied des Thüringer Skiverbands, beantwortete trotz
mehrmaliger Anfrage nicht einmal die Frage, ob er persönlich an der
Entscheidung für Wehling beteiligt war.
## Alte Seilschaften
Der Deutsche Olympische Sportbund reagierte erst auf mehrmalige Anfrage,
was der Präsident Alfons Hörmann zur Verpflichtung Wehlings im Thüringer
Skiverband meine: „Zu diesem Vorgang äußert sich der DOSB nicht“,
antwortete die Sprecherin. So viel zur sogenannten
Null-Toleranz-Antidoping-Politik des Sport-Dachverbands.
Möglicherweise auch aus alter Verbundenheit: Alfons Hörmann, der von 2005
bis 2013 Präsident des Deutschen Skiverbands war, kennt Wehling persönlich
aus dieser Zeit. DDR-Skifunktionär Wehling, der nach dem Mauerfall der
Ostbeauftragte des Deutschen Skiverbands wurde und dort wegen seiner
DDR-Vergangenheit nicht mehr zu halten war, wie einst DSV-Sportdirektor
Helmut Weinbuch einräumte, wechselte 1992 zum Weltskiverband FIS in die
Schweiz, wo er bis 2012 Renndirektor für die Nordische Kombination war.
Warum der Weltskiverband den belasteten Altkader Wehling eingestellt habe,
obwohl dessen DDR-Vergangenheit zu diesem Zeitpunkt öffentlich bekannt war,
beantwortete die FIS-Generalsekretärin Sarah Lewis heute so: „Die Gründe
für die Anstellung von Herrn Wehling konnte ich beim FIS-Präsidenten Gian
Franco Kasper checken, der damals FIS-Generalsekretär war. Die FIS brauchte
1992 einen Renndirektor in der Nordischen Kombination, und Uli Wehling war
der beste Kandidat für diese Position. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine
Vorwürfe gegenüber seiner Person.“ Auch diese Aussage spricht für sich.
8 Nov 2016
## AUTOREN
Thomas Purschke
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Doping
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Doping im Spitzensport
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