# taz.de -- Traumaexperte über Doping in der DDR: „Es geht um Einschüchteru… | |
> Doping hat körperliche Auswirkungen – und psychische. Der Traumaexperte | |
> Harald Freyberger erforscht die Folgen der Leistungsmanipulation im | |
> DDR-Sport. | |
Bild: Keine Konsequenzen nach dem Doping: „Zahlreiche Täter arbeiten weiter … | |
Herr Freyberger, Sie forschen zum Doping im DDR-Sport. Wie lässt sich der | |
Themenkomplex umreißen? | |
Harald Freyberger: Es geht um eine Kombination: Pharmakologisches Doping | |
insbesondere mit anabolen Steroiden, und parallel geht es um | |
Einschüchterung, physische und körperliche Gewalt, die sehr viele Sportler | |
während ihrer aktiven Zeit erlebt haben – und zwar in einer Periode teils | |
ab dem siebten Lebensjahr, die ja für entwicklungspsychologische Prozesse | |
äußerst sensibel ist. | |
Was haben Sie Neues herausgefunden? | |
Dreierlei: Dass Zwangsdopingopfer des DDR-Sports ein um 2,7-fach erhöhtes | |
Risiko haben, später schwerwiegend körperlich zu erkranken; dass sie ein | |
3,2-fach erhöhtes Risiko haben, später schwerwiegend psychisch zu | |
erkranken; und dass 30 Prozent der betroffenen Sportler traumatisiert sind. | |
Zum Vergleich: In der normalen Bevölkerung sind es sieben bis acht Prozent. | |
Die Lebenserwartung von Dopingopfern ist zehn bis 15 Jahre kürzer. Viele | |
sind arbeitsunfähig, leiden an schweren Depressionen und Essstörungen. | |
Wie können Sie als Mediziner da helfen? | |
Wir haben zunächst das Problem, das wir die Betroffenen dazu bringen | |
müssen, den Halbschatten zu verlassen. Denn viele haben Angst, viele | |
schämen sich. Etliche werden durch ihre Symptomatik behindert, überhaupt | |
Hilfe aufzusuchen. Wir sind da sehr froh, dass es den Verein | |
Doping-Opfer-Hilfe und seine Beratungsstelle in Berlin gibt, die auch als | |
Ansprechpartner fungiert. Wir als Fachärzte oder psychologische | |
Psychotherapeuten sind im Grunde erst die zweite Ebene, die angesprochen | |
werden muss. | |
Der Mauerfall liegt 28 Jahre zurück. Ist DDR-Doping immer noch tabuisiert? | |
Doping ist ein Tabuthema, auch in der heutigen Zeit. Wenn ich nur denke, | |
wie viele Leichtathleten, Gewichtheber etc. in den vergangenen Jahren | |
weltweit erwischt wurden. Opfer sind immer entmutigt und verschüchtert. Und | |
ein weiterer Aspekt ist: Die Täter leben noch. Und zahlreiche Täter | |
arbeiten weiter als Trainer und Funktionäre, zum Teil in Deutschland, zum | |
Teil in anderen Ländern. Das führt natürlich zu Einschüchterungsphänomenen | |
bei den Opfern. Wissenschaftlich erwiesen ist auch die transgenerationale | |
Übertragung traumatischer Erfahrungen. Die Nachfolgegeneration hat ein | |
erhöhtes Risiko, Opfer traumatischer Störungen zu werden. | |
Wie funktioniert heute noch Einschüchterung? | |
Stellen Sie sich vor, Sie sind Sportler gewesen, haben schwerwiegende | |
Dopingfolgeerkrankungen, weil sie mit anabolen Steroiden gedopt worden | |
sind, und dann sehen sie Ihren ehemaligen Trainer, der Ihnen das Zeug ohne | |
Aufklärung und ohne Ihr Wissen verabreicht hat, plötzlich im Fernsehen. Das | |
alles ist eine extreme Form von Einschüchterung. Solange die Täter | |
straffrei wegkommen und nicht wenigstens öffentlich an den Pranger gestellt | |
werden, halten sie die Opfer im Halbschatten, weil die kein Zutrauen haben, | |
sich gegenüber der Öffentlichkeit zu äußern. | |
Ist die Politik gefordert? Oder was muss geschehen? | |
Ich habe keinen Zweifel daran, wenn wir den Druck verschärfen und gute | |
empirische Forschungsergebnisse bringen, wie sie jetzt angeklungen sind, | |
dass wir bald genügend Beratungsressourcen haben und etwas, das über eine | |
symbolische Entschädigung hinausgeht. | |
4 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Thomas Purschke | |
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