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# taz.de -- Weil weicht aus: Wischiwaschi-Kritik an VW
> Volkswagen will seine europäischen KundInnen nicht entschädigen. Aus
> Angst um Arbeitsplätze laviert auch Niedersachsens Ministerpräsident
> Stephan Weil
Bild: Macht Probleme: Dauerbaustelle VW
Hannover taz | Im Diesel-Skandal des VW-Konzerns fordert Niedersachsens
Landtagsopposition eine klare Positionierung des SPD-Ministerpräsidenten
Stephan Weil. Als Aufsichtsrat müsse der Regierungschef „den VW-Vorstand
zur Ordnung rufen und seiner Verantwortung als strategischer Gesellschafter
gerecht werden“, sagt FDP-Fraktionsvize Jörg Bode. Weil müsse mehr tun, als
„die Entwicklungen im Unternehmen stets wie ein Zaungast zu kommentieren“,
findet auch CDU-Fraktionschef Björn Thümler.
Hintergrund der Attacken auf Weil ist eine neue Strategie, mit dem der
Wolfsburger Autobauer in Europa milliardenschweren Schadenersatzklagen von
KundInnen entgehen will. Seit Ende vergangener Woche behauptet der Konzern,
die in seinen Diesel-Modellen verwendete Software, die die Abgase der Wagen
auf dem Prüfstand sauberer wirken ließ als im Realbetrieb auf der Straße,
sei „keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht“.
Und da mit dieser Software die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten worden
seien, hätten Entschädigungsforderungen von Kunden keine Grundlage,
argumentiert Volkswagen. Auf Druck des Kraftfahrzeugbundesamtes (KBA)
rüstet der Konzern zwar allein in Deutschland 2,4 Millionen
Diesel-Fahrzeuge um, hält den entsprechenden KBA-Bescheid aber offenbar für
juristisch fragwürdig.
Als Vertreter des zweitgrößten VW-Anteilseigners – das Land Niedersachsen
hält 20 Prozent der Anteile der Volkswagen AG – hatte Regierungschef Weil
daraufhin klargestellt, für ihn sei „unbestreitbar, dass die jahrelang von
Volkswagen eingesetzte Software dazu geführt hat, dass auf dem Prüfstand,
andere, bessere Stickoxidwerte festgestellt wurden, als tatsächlich im
Echtbetrieb angefallen sind“. Dieses „manipulative Vorgehen“ sei „nicht
entschuldbar“, poltert Weil einerseits.
Auf justiziable Konsequenzen aber will er den Autobauer nicht festlegen.
Die Frage, ob „die Software aufgrund unterschiedlicher nationaler
Rechtslagen unzulässig ist oder nicht“, lässt er bewusst offen. „In Europa
wurden dadurch die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten, in den USA
sehr wohl“, betont Weil – schließlich ist Volkswagen das größte Unterneh…
Niedersachsens. 120.000 Menschen arbeiten direkt für VW. Dazu kommen
zehntausende Jobs bei Zulieferern.
FDP-Mann Bode hat für diese juristischen Winkelzüge kein Verständnis: VW
verspiele damit den letzten Rest Kundenvertrauen und schade „seinem Image
in Europa zutiefst“, sagt Bode. „Es ist doch niemandem zu erklären, dass
man gegenüber den Bundesbehörden zugibt, dass die Fahrzeuge nicht den
gesetzlichen Ansprüchen genügen, man beim Kunden und Verbraucher davon aber
nichts mehr wissen will“, ärgert sich Niedersachsens einstiger
Wirtschaftsminister.
Fraglich bleibt aber, ob das VW-Management überhaupt noch den finanziellen
Spielraum hat, auch seinen europäischen KundInnen mit großzügigen
Entschädigungen entgegenzukommen. Branchenexperten rechnen damit, dass der
Dieselskandal den Konzern bis zu 35 Milliarden Euro kosten könnte. Allein
in den USA werden rund 16,5 Milliarden Dollar an Strafen und Schadenersatz
fällig – das sind allein 14,91 Milliarden Euro. Und jetzt steht die
kostenintensive Entwicklung neuer Produkte wie Elektroautos und
möglicherweise der Bau einer eigenen Batteriefabrik an.
Wenig erfreuen dürfte Vorstandschef Matthias Müller deshalb die Nachricht
finden, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig jetzt auch gegen den
Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch ermittelt. Die Strafverfolger
werfen ihm Marktmanipulation vor: Pötsch soll die VW-Anteilseigner zu spät
über die Diesel-Affäre informiert und sie damit dem Risiko fallender Kurse
ausgesetzt haben. Aktuell liegen dem Landgericht Braunschweig 1.400 Klagen
von Aktionären vor. Sie fordern weitere 8,2 Milliarden Euro.
8 Nov 2016
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Dieselskandal
Niedersachsen
Volkswagen
IG Metall
Automobilindustrie
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Vergleich
Volkswagen
Dieselskandal
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