| # taz.de -- Verbraucheranwalt über US-Deal mit VW: „Wir fordern Waffengleich… | |
| > In den USA haben Verbraucher schärfere Mittel und die Behörden trauen | |
| > sich mehr, sagt Anwalt Julius Reiter. Er lobt die Einigung mit VW. | |
| Bild: Gute Nachrichten für US-Kunden beim Abgasskandal: VW zahlt | |
| taz: Herr Reiter, 15 Milliarden Dollar zahlt VW in den USA, 10.000 Dollar | |
| bekommt jeder der Geschädigten. Ist das ein guter Deal? | |
| Julius Reiter: Das ist ein sehr gutes Ergebnis für die Verbraucher. Sie | |
| sind in den USA deutlich besser gestellt. Nach deutscher Rechtslage ist mit | |
| solchen Summen vor Gericht nicht zu rechnen. | |
| Wieso ging das in den USA so schnell? | |
| Die Verbraucher haben dort viel schärfere rechtliche Waffen zur Hand. Sie | |
| können sich in Sammelklageverfahren zusammenschließen. Und sie können auf | |
| Strafschadenersatz klagen. Das führt zu zügigen Verfahren mit hohen | |
| Vergleichssummen. | |
| Liegt das allein an schärferen Gesetzen? | |
| Auch die Behörden sind schärfer, als wir es aus Europa kennen. Das hat sich | |
| nach der Finanzkrise 2008 gezeigt, als Behörden Großbanken verklagt haben. | |
| Warum klagt es sich zu vielen besser als allein? | |
| In Fällen wie im VW-Skandal, in dem der gleiche Sachverhalt viele Menschen | |
| geschädigt hat, ist es effektiver, alles in einem Verfahren abzuhandeln. So | |
| muss nicht mühsam jeder Einzelfall entschieden werden. | |
| Um auch in Europa eine Sammelklage gegen VW möglich zu machen, nutzen Sie | |
| eine niederländische Stiftung. Wie viele Verbraucher beteiligen sich | |
| mittlerweile? | |
| Rund 100.000 Geschädigte haben sich inzwischen für das Verfahren | |
| angemeldet. Davon kommen etwa 20.000 aus Deutschland. Das Stiftungsmodell | |
| in den Niederlanden ist ein Vorreiter für den Verbraucherschutz in Europa. | |
| Steigt durch den Vergleich in den USA nun auch der Druck auf VW in Europa? | |
| Der Druck muss sich erhöhen. Es kann nicht sein, dass betroffene VW-Kunden | |
| in den USA besser gestellt werden als Kunden auf dem deutschen Markt, die | |
| das Rückgrat des Konzernumsatzes bilden. Wir fordern Waffengleichheit für | |
| Verbraucher. | |
| Das Verfahren ist für Verbraucher kostenlos, wie wird daraus für Sie ein | |
| Geschäft? | |
| Bei einem Vergleich schlagen wir 18 Prozent auf die Vergleichssumme drauf. | |
| Davon gehen 7,5 Prozent an die Anwälte und der Rest an Prozessfinanzierer. | |
| Das sind Geldgeber aus Europa, aber auch aus den USA. | |
| Die Geldgeber verdienen also an dem Verfahren mit? | |
| Ja, aber das ist bei solchen teuren Vergleichsverfahren üblich. Wir reden | |
| hier aber nicht von amerikanischen Verhältnissen, bei denen Anwälte 30 | |
| Prozent der Vergleichssumme einstreichen. | |
| Nach der Aufdeckung des VW-Skandals hatte die Bundesregierung den | |
| Verbrauchern in Deutschland ein neues Gesetz mit einer Art Musterklage | |
| versprochen. Das Vorhaben ist aber zwischen Justiz- und Verkehrsministerium | |
| zuletzt ins Stocken geraten. | |
| Ich rechne nicht damit, dass wir noch in dieser Legislaturperiode ein | |
| solches Gesetz bekommen. | |
| Warum tut sich der deutsche Gesetzgeber damit so schwer? | |
| Die Politik will lieber die Industrie schützen als die Verbraucher. Mit der | |
| Zusammenlegung von Justizministerium und Verbraucherschutz waren große | |
| Hoffnungen verbunden. Die gute Ausgangslage für einen verbesserten | |
| Verbraucherschutz bleibt aber ungenutzt. Hier wird sich erst etwas bewegen, | |
| wenn die Industrie mit dem Rücken zur Wand steht. | |
| 27 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Sehl | |
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