# taz.de -- Staatstrauer in Kamerun: 79 Tote bei Eisenbahnunglück | |
> Auf einer der wichtigsten Bahnstrecken Zentralafrikas fiel ein Zug in | |
> eine Schlucht. Er war länger und fuhr schneller als üblich. | |
Bild: Eseka, Kamerun: Eisenbahnwaggons fielen von der Bahnlinie eine Böschung … | |
BERLIN taz | Erst stürzte auf der wichtigsten Fernstraße eine Brücke ein, | |
dann entgleiste ein Zug auf der wichtigsten Eisenbahnlinie: Kamerun steht | |
unter Schock. Die Verkehrswege zwischen der Millionenmetropole Douala am | |
Atlantik und der Hauptstadt Yaoundé in den Bergen 230 Kilometer östlich | |
sind die Lebensader Kameruns und der Haupthandelsweg für die Nachbarländer | |
Tschad und Zentralafrikanische Republik. | |
Schwerer Regen in der Nacht zum Freitag unterspülte auf der Route Nationale | |
3 die Brücke über den Manyai-Fluss rund 70 Kilometer westlich von Yaoundé, | |
so dass sie einstürzte. Um die Verlagerung des Verkehrs auf die Eisenbahn | |
aufzufangen, verlängerte der Betreiber Camrail den Intercity aus Yaoundé | |
nach Douala kurzerhand um acht Wagen. | |
Am Freitag um 11.15 Uhr verließ der Zug die Hauptstadt mit 1.336 Fahrgästen | |
und knapp einer Stunde Verspätung. Um 13.13 Uhr, nach rund 200 Kilometern | |
und damit wohl zu schnell, entgleiste er nahe Éséka: vier volle Waggons | |
fielen in eine Schlucht. | |
Die Opferbilanz erreichte am Montag früh 79 Tote und 551 Verletzte, viele | |
davon schwer. Mangels Behandlungsmöglichkeit vor Ort wurden die Verletzten | |
nach Douala gebracht. | |
## Unfallort mit Symbolkraft | |
Kurioser Zufall: Als der Zug entgleiste, war Verkehrsminister Edgar Alain | |
Mebe Ngo’o dabei, ein seit Stunden kursierendes Gerücht zu dementieren, | |
wonach auf genau dieser Strecke ein Zug entgleist sei. | |
Kamerun ist leicht nervös zu machen, seit es gegen die aus Nigeria | |
eingedrungene islamistische Armee Boko Haram kämpft. Die Regierung rief für | |
Montag Staatstrauer aus, und der seit 34 Jahren regierende 83-jährige | |
Präsident Paul Biya, der am liebsten zu allem schweigt und seit der | |
UN-Vollversammlung in New York im September nicht mehr in der Heimat | |
gesehen worden ist, reiste persönlich an – angeblich aus der Schweiz – und | |
sprach im Staatsfernsehen. Er versprach, die Behandlungskosten aller | |
Verletzten persönlich zu übernehmen. | |
Der Unfallort Éséka ist politisch bedeutsam. In den 1950er Jahren war er | |
Hochburg der antikolonialen Befreiungsbewegung UPC (Union der kamerunischen | |
Völker), gegen deren Guerillakampf Frankreich mit gezielten Morden und | |
Giftgas vorging. | |
Als Kamerun 1960 unabhängig wurde, blieb die UPC im Untergrund, während die | |
Macht an Freunde Frankreichs übertragen wurde – sie regieren mit Biya bis | |
heute. Oppositionelle in Kamerun kritisieren den Ausverkauf der | |
einheimischen Wirtschaft an französische Unternehmen. | |
Camrail ging 1999 an den französischen Logistikkonzern Bolloré, der auch | |
den Hafen von Douala betreibt. Bolloré habe Bahnhöfe geschlossen, aber die | |
Bahnlinie nicht modernisiert, sagen Kritiker. | |
Die Linie von Douala bis Éséka wurde 1908 unter deutscher | |
Kolonialherrschaft von Zwangsarbeitern gebaut. | |
24 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Kamerun | |
Eisenbahn | |
Zugunglück | |
Paul Biya | |
Kamerun | |
Kolonialismus | |
Boko Haram | |
Boko Haram | |
Boko Haram | |
Kamerun | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Protestbewegung in Kamerun: Operation Geisterstadt | |
Generalstreiks und Träume von Unabhängigkeit: Seit Monaten befindet sich | |
der anglophone Landesteil Kameruns im Aufstand. | |
Berliner Aufarbeitung der Kolonialzeit: Wem gehört die Beute? | |
In Berlin eröffnet eine Kolonialismus-Ausstellung. Da stellt sich die | |
Frage: Wie sieht es eigentlich mit der Aufarbeitung in der Hauptstadt aus? | |
Flucht wegen Boko Haram: Die Kinder träumen von Rache | |
Der Krieg der Islamisten hat tausenden Schulkindern im Grenzgebiet zwischen | |
Nigeria und Kamerun ihre Heimat und ihre Familien geraubt. Ein Besuch. | |
Terrorangst in Kamerun: Mit allen Mitteln gegen Boko Haram | |
Nach Selbstmordanschlägen von jungen Mädchen herrscht Terrorangst. Kamerun | |
will nun mit den Nachbarstaaten militärisch besser kooperieren. | |
Kamerun im Anti-Terror-Krieg: „Volksverteidiger“ gegen Boko Haram | |
Mit 3.000 Soldaten und Gendarmen jagt Kameruns Militär Nigerias Islamisten. | |
Kameruns Präsident Biya will sich als der bessere Terrorbekämpfer | |
profilieren. | |
Filmemacher über Kamerun: „Der Präsident ist im Paradies“ | |
Zensur, Repression, kaum Filme: Warum es sich trotzdem gerade jetzt lohnt, | |
für das Kino zu kämpfen. Ein Gespräch mit dem Filmemacher Jean-Pierre | |
Bekolo. | |
Präsidentschaftswahl in Kamerun: 78 Prozent für einen 78-Jährigen | |
Nach fast 30 Jahren an der Macht wird Präsident Paul Biya mit großer | |
Mehrheit wiedergewählt. Doch der Sieg des 78-Jährigen stand eigentlich nie | |
in Frage. |