# taz.de -- Bremer Asta kontra Debattenkultur: Keiner will mehr reden | |
> Der Bremer Asta will einen Vortrag verhindern und bezeichnet den | |
> Referenten als „rechtsextremen Ideologen“. Der spricht von einer | |
> „stalinistischen Sekte“. | |
Bild: Studierende der Uni Bremen? Nein, echte Stalinisten in Russland | |
So viel Aufhebens gibt es selten, wenn ein Professor einen Vortrag hält. | |
Aber Jörg Baberowski von der Berliner Humboldt-Uni kennt das schon, und nun | |
hat die Aufregung um ihn auch Bremen erreicht. | |
Die Geschichte geht so: Der renommierte Professor für Osteuropäische | |
Geschichte soll auf Einladung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) | |
und des Rings christlich-demokratischer Studenten (RCDS) an der Bremer Uni | |
über sein neues Buch sprechen. Der Titel: „Räume der Gewalt“. Im Kern geht | |
es darum, unter welchen Bedingungen Menschen (kriegerische) Gewalt ausüben | |
und welche Rolle Ideologien, Macht und die spezifische Situation dabei | |
spielen. | |
Nun muss man wissen: Jörg Baberowski ist nicht nur renommierter Professor | |
der Berliner Humboldt-Uni. Er ist ausgewiesener Spezialist für Stalinismus | |
und in seinem Fachgebiet absolut einschlägig. Außerhalb von Fachkreisen ist | |
er jedoch noch für anderes bekannt: Er äußert sich oft und gern zum | |
aktuellen politischen Tagesgeschehen und ist insbesondere in der | |
Flüchtlingsfrage in manchen Kreisen geradezu berüchtigt für seine | |
Äußerungen. | |
Wenn er etwa die Aufgabe der nationalen Souveränität Deutschlands im Zuge | |
der Flüchtlingskrise beklagt, dann klingt das arg nach AfD. Das weiß auch | |
Baberowski, ist aber der Meinung: „Die NPD ist auch für Umweltschutz. | |
Müssen die Grünen sich jetzt von diesem Thema distanzieren?“ | |
## Konrad-Adenauer-Stiftung schaltet Staatsschutz ein | |
Er selbst sehe sich als Bürger dieses Landes mit einer | |
„liberal-sozialdemokratischen Haltung“, der das Recht habe, sich zu äußer… | |
„Ein Argument sollte danach beurteilt werden, was gesagt wird. Und nicht | |
danach, wer es sagt.“ Dass ihm diese Haltung zunehmend Schwierigkeiten | |
macht, gibt er zu: „Solche Vorwürfe bleiben hängen, und das beschädigt | |
meinen Ruf.“ | |
Eine Woche vor der geplanten Veranstaltung in Bremen macht auch der hiesige | |
Asta mobil: Er fordert den Rektor der Uni Bremen auf, die Raumzusage an die | |
KAS und den RCDS rückgängig zu machen. Die Uni lehnt das Ansinnen ab: Weder | |
der Referent noch die Veranstalter gefährdeten die | |
freiheitlich-demokratische Grundordnung – außerdem unterstütze man gerade | |
als Universität den intellektuellen Diskurs und setze auf den Austausch von | |
Argumenten und Gegenargumenten, heißt es dazu von Seiten der Pressestelle. | |
Dann druckt der Asta einen Flyer: „Keine Uni dem Rassismus“, steht da, und: | |
„Andernfalls liegt es an uns, zu verhindern, dass rechtsextreme | |
Ideolog*innen ihre Lehren an dieser Universität propagieren“. Der Flyer | |
schließt mit dem Aufruf, „friedlich, bunt und laut gegen Hetze und | |
Menschenfeindlichkeit“ zu protestieren. | |
Der Asta ist seitdem nicht zu erreichen, Nachfragen der taz bleiben | |
unbeantwortet. Die KAS und der RCDS als Veranstalter fassen den Asta-Aufruf | |
zum immerhin friedlichen Protest als „massive Drohung“ auf, wie der | |
KAS-Landesbeauftragte Ralf Altenhof der taz bestätigt. Sie stornieren die | |
Raumbuchung an der Uni, verlegen die Veranstaltung „aus Sicherheitsgründen“ | |
in das Bremer KAS-Büro – und schalten den Staatsschutz ein. | |
## „Stalinistische Sekte“ | |
Und der Professor? „Ich muss mir das schon längere Zeit anhören“, sagt | |
Baberowski der taz über den vom Asta geäußerten Rechtsextremismus-Vorwurf. | |
Tatsächlich wird er seit etwa drei Jahren von einer trotzkistischen | |
Splittergruppe verfolgt und fotografiert, Baberowski nennt sie „wegen ihrer | |
Methoden“ nur die „stalinistische Sekte“. Die IYSSE (International Youth | |
and Students for Social Equality) ist die Jugendorganisation der Partei für | |
soziale Gleichheit und ist auch an der Humboldt-Uni aktiv. „Die inszenieren | |
diese Kampagne, und das machen die sehr geschickt. Und ich kann mich | |
rechtlich nicht dagegen wehren.“ | |
Vom Bremer Asta habe wahrscheinlich niemand sein neues Buch gelesen. „Sonst | |
wüssten die, dass das Buch ein Plädoyer für Gewaltfreiheit ist“, sagt | |
Baberowski. | |
Zur Verlegung seines Vortrages in die KAS-Zentrale sagt er der taz: „Ich | |
bin immer für ein Gespräch, und ich bin immer für den Austausch von | |
Argumenten.“ Wenn allerdings „lauter Protest“ angekündigt sei und der As… | |
seine Veranstaltung verhindern wolle, dann bleibe eigentlich keine andere | |
Wahl: „Soll ich da stehen und mich eine Stunde auspfeifen und niederbrüllen | |
lassen, und dann gehe ich mit den Veranstaltern zum Essen? Dafür ist mir | |
mein Abend zu schade.“ | |
20 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
## TAGS | |
Bremen | |
Protest | |
Asta | |
Universität Bremen | |
Humboldt-Universität | |
Bremen | |
Asta | |
Hochschule Bremen | |
Bundeswehr | |
Thilo Sarrazin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Political Correctness: Wir müssen streiten | |
Die Debatte um den Berliner Historiker Jörg Baberowski polarisiert. Doch: | |
Moralisches Sektierertum sollten wir den Rechten überlassen. | |
Asta Bremen versus Jörg Baberowski: Baberowski im rechten Licht | |
Laut Landgericht Köln darf der Bremer Asta den Historiker Jörg Baberowski | |
„rechtsradikal“ nennen, nicht aber „rassistisch“. Auch verkürzte Zitate | |
seien nicht okay. | |
Im Kampf gegen den „Ideologen“: Volkskommissare für Wissenschaft | |
Der Asta der Uni Bremen holt sich trotzkistische Rückendeckung für den | |
Kampf gegen den Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski. | |
Soldatinnen an der Bremer Hochschule: Studier, was wirklich zählt | |
Trotz Zivilklausel kooperiert die Bundeswehr mit der Hochschule. Kein | |
Problem, findet Rot-Grün: Sie ist ja Friedensarmee und habe keinen Einfluss | |
auf die Inhalte | |
Hochschule Bremen und Zivilklausel: Uniform im Hörsaal | |
Ein Kooperationsvertrag der Hochschule Bremen mit der Bundeswehr ist nach | |
Monaten zum ersten Mal öffentlich – und erntet Kritik. | |
Flüchtlingskrise im Feuilleton: Im Geiste „Schiffe versenken“ | |
Konservative Feuilletonisten wettern gegen die Flüchtlingspolitik der | |
Kanzlerin. Und ihre Parolen finden auf den Straßen Widerhall. |