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# taz.de -- Kommentar Einsatz von Bodycams: Die neuen Augen der Polizei
> Die Kameras sollen zur Abnahme von Gewalt gegen Polizisten führen.
> Kritiker befürchten das Gegenteil. Problematisch ist die einseitige
> Kontrolle.
Bild: Soll sie die ganze Zeit laufen?
Bodycams sind der neueste Schrei der Polizei-Aufrüstung. Ein Bundesland
nach dem anderen schafft derzeit die gesetzlichen Grundlagen für den
Einsatz kleiner Kameras auf der Schulter oder an der Brusttasche von
Polizisten. Am heutigen Mittwoch will der Landtag von Baden-Württemberg die
Einführung im Polizeigesetz beschließen. Bisher befürwortet vor allem die
Polizei die Innovation. Ob sie auch aus bürgerrechtlicher Sicht Vorteile
bringt, hängt ganz von der Ausgestaltung ab.
Die Polizei glaubt, dass die Aufzeichnung konfliktträchtiger Kontrollen die
Gewalt gegen Polizisten reduziert. Kritiker vermuten das Gegenteil.
Randalierer seien meistens betrunken und könnten sich durch den Einsatz von
Kameras besonders provoziert fühlen. Beides klingt plausibel. Vermutlich
werden sich die Polizisten als Erste melden, wenn Bodycams tatsächlich
kontraproduktiv sind und die Gesundheit der Beamten gefährden.
Das zweite Problem ist das so genannte Pre-Recording. Damit nach
Aktivierung der Kamera auch die vorhergehende Minute zur Verfügung steht –
was zum Verständnis der Situation sinnvoll ist -, muss die Kamera ständig
laufen. Datenschützer sehen darin eine neue Vorratsdatenspeicherung. Der
Begriff scheint aber etwas zu hoch gegriffen. Bei der Vorratsspeicherung
von Telefondaten wird das Kommunikationsverhalten der ganzen Bevölkerung
immerhin sechs Wochen festgehalten. Hier dagegen geht es um die
vorsorgliche Bild- und Tonaufzeichnung von gerade mal 60 Sekunden – und das
in einer Situation, in der die Polizei nicht heimlich, sondern offen
auftritt.
Problematisch ist vor allem die einseitige Kontrolle der Bodycams. Denn es
ist allein der Polizist, der bestimmt, ab wann die Szene dauerhaft
gespeichert wird. Und er kann die Kamera jederzeit wieder abschalten. Auch
die Auswertung der Aufnahmen erfolgt bei der Polizei. Deshalb liegt die
Sorge nahe, dass mit der Bodycam nur die Aggression von Bürgern
dokumentiert wird, nicht aber das Fehlverhalten von Polizisten. Die Bodycam
wäre dann kein objektives, sondern ein manipulierbares Beiweismittel.
Eine Untersuchung der Universität Cambridge kam zu erstaunlichen
Ergebnissen: Wenn Polizisten die Bodycam an- und ausschalten konnten, nahm
die Gewaltanwendung der Polizei um 73 Prozent zu. Wenn die Kamera dagegen
während der gesamten Schicht lief, nahm die Gewaltanwendung um 36 Prozent
ab. Echte Deeskalation scheint es also nur zu geben, wenn die Bodycam
heikle Einsätze vollständig aufzeichnet. Hierüber muss noch einmal mit den
Datenschutz-Beauftragten diskutiert werden. Und die Polizei kann an diesem
Punkt zeigen, ob es ihr nur um den Schutz von Polizisten geht oder um das
Wohl aller Beteiligten.
12 Oct 2016
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bodycams
Polizei
Baden-Württemberg
Gewalt
Bodycams
Deutsche Bahn
Schwerpunkt Überwachung
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Datenschutz
Ferguson
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