# taz.de -- Studie zum Alltag von Studierenden: Die Mär vom lustigen Leben | |
> Lange schlafen und Party machen? Von wegen. Volle Hörsäle, wenig Geld zum | |
> Leben, hohe Miete, Stress – auch das gehört zum Studium 2016. | |
Bild: Studierende feiern und trinken viel – so das Klischee. Stimmt das auch? | |
Berlin dpa | Vorurteile über das lockere Studentenleben halten sich | |
hartnäckig. „Die schlafen lange“, „machen viel Party“ und „trinken v… | |
solche Einschätzungen hörte das Deutsche Studentenwerk (DSW) bei einer | |
Berliner Straßenumfrage zu seiner 21. Sozialerhebung. Die aufwendige Studie | |
soll bis Sommer 2017 belastbare aktuelle Daten und Fakten liefern, wie sie | |
das schon seit 65 Jahren tut. Zu Auskünften über ihre wirtschaftliche und | |
soziale Lage waren mehr als 400 000 Studierende eingeladen – gut viermal so | |
viel wie bei der 20. Sozialerhebung vor vier Jahren. | |
Was weiß man derzeit über Studenten in Deutschland? | |
Es werden immer mehr: Etwa 2,8 Millionen (2012: 2,5 Millionen) studieren im | |
Wintersemester 2016/17, überwiegend an den rund 240 Hochschulen in | |
staatlicher Trägerschaft. Tendenz steigend – mit entsprechenden | |
Begleiterscheinungen wie brechend vollen Hörsälen und Seminaren. Seit | |
Jahren strömen jeweils 500.000 Erstsemester an die Unis, darunter immer | |
mehr Ausländer, für die Deutschland ein attraktiver Hochschulstandort ist. | |
Ein Viertel der Studierenden hat Migrationshintergrund – und immer noch die | |
Hälfte Eltern mit akademischem Abschluss. Rund 30 Prozent gehen während des | |
Studiums ins Ausland – diese Quote soll steigen. | |
Eine 40-Stunden-Arbeitswoche reicht nicht: Laut DSW wenden Studenten in | |
Deutschland im Schnitt 35 Wochenstunden für Vorlesungen, Seminare, | |
Hausarbeiten und Recherchen an ihrer Uni auf, hinzu kommen etwa sieben | |
Stunden für Nebenjobs. Und gut jeder Fünfte muss neben der Hochschule für | |
seinen Lebensunterhalt so viel arbeiten, dass er „faktisch Teilzeit“ | |
studiert, ergab die Sozialerhebung 2012. | |
Bafög hilft nicht mal einem Viertel: Knapp drei Milliarden Euro ließ sich | |
Vater Staat die Ausbildungsförderung im Vorjahr kosten. Damit wurden nach | |
Zahlen des Statistischen Bundesamtes 611.000 Studierende gefördert – vor | |
vier Jahren waren es 60.000 mehr. Mit der zum Wintersemester umgesetzten | |
Bafög-Reform wird nun manches besser: Es gibt mehr Geld – so steigt der | |
Höchstsatz für Studierende, die nicht bei den Eltern wohnen, von 670 auf | |
735 Euro. Und der Kreis der Geförderten soll um 110.000 wachsen. Zum | |
Vergleich: Schon 2012 verfügten „Normalstudierende“ – meist von den Elte… | |
untersützt – über durchschnittlich 864 Euro pro Monat. | |
Schuldenmachen ist unbeliebt: Trotz steigender Studentenzahlen werden immer | |
weniger Studienkredite in Anspruch genommen. Die Zahl der 2015 | |
abgeschlossenen Kreditverträge sank im Vergleich zum Vorjahr um zehn | |
Prozent, ermittelte das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). „Es gibt in | |
Deutschland eine Mentalität, sich möglichst wenig zu verschulden“, sagt | |
DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. „Das hat sich schon früher | |
bei der Einführung von Studiengebühren gezeigt – wer sich die nicht leisten | |
konnte, hat eher gejobbt als einen Studienkredit aufzunehmen.“ Auf | |
Stipendien kann nur ein kleiner Teil der Studierenden zurückgreifen. | |
Studentenbuden werden zum Luxusgut: Gut 37 Prozent mehr Miete als vor sechs | |
Jahren müssen Studierende für eine Wohnung in Berlin hinblättern, in | |
München und Stuttgart, aber selbst in Osnabrück sieht es ähnlich dramatisch | |
aus. Diese Mietpreisdynamik macht Studenten bundesweit zu schaffen. | |
Zugleich ermittelte das DSW, dass sich Studierende zu 27 Prozent ein | |
WG-Zimmer wünschen, zu 26 Prozent eine Wohnung alleine und zu 31 Prozent | |
eine Bleibe mit Partner, eventuell auch mit Kind. Im „Hotel Mama“ wollten | |
nur 6 Prozent bleiben, in einem Studentenwohnheim 9 Prozent. „Der Anteil | |
derjenigen, die als Studenten noch bei den Eltern wohnen, könnte | |
anwachsen“, sagt DSW-Manager Meyer auf der Heyde. | |
Studenten-Stress steigt: Eine breit angelegte wissenschaftliche | |
Untersuchung dazu stellt der AOK-Bundesverband am Dienstag Vormittag in | |
Berlin vor. Mehr als 18.000 Studierende wurden befragt. Die Studie zeige | |
„nicht nur die unterschiedlichen Formen von Stress und deren Ursachen auf, | |
sondern liefert neben geschlechterspezifischen Unterschieden auch spannende | |
Vergleiche zwischen den Studienfächern, den Hochschul- und den | |
Abschlussarten“, wie die AOK ankündigte. | |
11 Oct 2016 | |
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