| # taz.de -- Kritik am Saatgutkonzern im Faktencheck: Wie „böse“ ist Monsan… | |
| > Aktivisten klagen die Firma beim „Monsanto-Tribunal“ wegen Verbrechen | |
| > gegen die Umwelt an. Nicht alle Vorwürfe sind gut belegt. | |
| Bild: Feindbild Monsanto: Proteste gegen den Saatgutkonzern in der Schweiz | |
| Am Wochenende soll Monsanto der Prozess gemacht werden. Zumindest | |
| symbolisch. Aktivisten klagen den US-Saatgut- und Pestizidkonzern in Den | |
| Haag beim „[1][Monsanto Tribunal]“ wegen Verbrechen gegen die Umwelt an. | |
| Diesen auch [2][Ökozid] genannten Tatbestand kennt kein Gesetzbuch. Die | |
| Aktivisten haben die fünf Richter und 30 Zeugen selbst ausgewählt. Das | |
| Tribunal ist also kein ordentliches Gericht, sondern Propaganda – aber | |
| dennoch wichtig. | |
| Denn die Veranstaltung fügt sich perfekt in eine neue Strategie der | |
| Umweltbewegung ein. Anlässlich der geplanten Fusion von Monsanto und seinem | |
| Leverkusener Konkurrenten Bayer zum weltweiten Branchenführer fokussieren | |
| sie den Protest gegen die Agrarindustrie auf den Kampf gegen Konzerne. Das | |
| Tribunal wird die Argumente der Aktivisten sammeln und im Dezember in einem | |
| Urteil zusammenfassen. | |
| [3][Offizielle Unterstützer] wie die mitgliederstarken Umweltorganisationen | |
| Greenpeace und BUND und kleinere, aber einflussreiche Verbände wie der | |
| Ökobauernverein Demeter oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche | |
| Landwirtschaft werden die Ergebnisse in die breite Öffentlichkeit tragen. | |
| Vieles von dem, was heute in Den Haag verhandelt wird, wird morgen auf | |
| Demonstrationstransparenten in Berlin stehen. | |
| Aber was genau ist an Vorwürfen gegen Monsanto eigentlich dran? Hier ein | |
| Faktencheck. | |
| 1. „Monsanto verkaufte die giftige Industriechemikalie PCB“ | |
| Tatsächlich produzierte der Konzern [4][nach eigenen Angaben] [5][ähnlich | |
| wie Bayer] und andere Hersteller von 1935 bis 1977 die Chlorverbindungen | |
| PCB. Sie wurde zum Beispiel als Weichmacher in Dichtungsmassen verwendet. | |
| Doch viele PCBs gelten als krebserregend. [6][In Tierversuchen] wurden | |
| zudem Störungen beispielsweise der Fruchtbarkeit beobachtet. | |
| Einmal in der Umwelt und vor allem in der Nahrungskette, bleiben PCBs dort | |
| für sehr lange Zeit. In Deutschland etwa werden sie seit Jahrzehnten nicht | |
| mehr genutzt, dennoch belasten sie noch immer Luft, Wasser und Boden. | |
| Monsanto-Gegner werfen dem Konzern vor, schon früh gewusst zu haben, dass | |
| PCBs giftig sind. Das Unternehmen habe aber aus wirtschaftlichen Gründen an | |
| der Produktion festgehalten. Die Frage der taz, ob das stimmt, ließ der | |
| Konzern unbeantwortet. | |
| 2. „Monsanto produzierte Agent Orange für den Vietnamkrieg“ | |
| Monsanto lieferte [7][seiner Internetseite zufolge] von 1965 bis 1969 auch | |
| einen Großteil des Unkrautvernichtungsmittels Agent Orange, mit dem das | |
| US-Militär im Vietnamkrieg Wälder und Felder zerstörte. Abgesehen von den | |
| moralischen Bedenken gegen diese Art der Kriegsführung: Agent Orange war | |
| herstellungsbedingt mit dem [8][krebserregenden Dioxin] TCDD verunreinigt. | |
| [9][Mehrere Studien] haben erhöhte Mengen dieses Gifts im Blut von | |
| Bewohnern der besprühten Gebiete und von involvierten US-Soldaten | |
| nachgewiesen. Dennoch beharrt Monsanto darauf, dass „ein kausaler | |
| Zusammenhang zwischen Agent Orange und chronischen Krankheiten bei Menschen | |
| nicht bewiesen worden ist“. | |
| 3. „Monsantos Unkrautvernichtungsmittel Roundup ist hochgiftig“ | |
| Hauptwirkstoff von Roundup ist Glyphosat, das von der Internationalen | |
| Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als | |
| [10][„wahrscheinlich krebserregend“] eingestuft wurde. Andere Experten der | |
| WHO und Zulassungsbehörden dagegen halten Glyphosat in der Nahrung als | |
| Krebsursache für „unwahrscheinlich“. Sprich: Die Sache ist umstritten. Das | |
| gilt auch für Vorwürfe, dass die Chemikalie Bienen oder Regenwürmer | |
| schädige. Extrem kontrovers sind angebliche Belege, dass in Südamerika | |
| massenweise Menschen erkranken, weil in ihrer Nachbarschaft Glyphosat | |
| gespritzt wurde. | |
| Sicher ist aber, dass Glyphosat fast alles vernichtet, was grüne Blätter | |
| hat. So trägt es zum Aussterben von Pflanzen- und indirekt Tierarten dabei. | |
| Die Landwirtschaft ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die | |
| Artenvielfalt etwa in Europa abnimmt, und Glyphosat ist das meistgenutzte | |
| Pestizid weltweit. Das liegt aber nicht nur an Monsanto: Seit der | |
| Patentschutz ausgelaufen ist, wird es auch von vielen anderen Firmen | |
| hergestellt, vor allem in China. | |
| 4. „Monsanto ist verantwortlich für die Verbreitung der Gentechnik“ | |
| Fest steht: Der US-Konzern hat als einer der Ersten gentechnisch veränderte | |
| Pflanzen verkauft und ist bis heute weltweiter Marktführer. [11][Sein | |
| Anteil erreicht mitunter 90 Prozent]. Dass Behörden diese Produkte | |
| zuließen, erreichte Monsanto auch durch Lobbyarbeit. Vor allem aus den USA | |
| wurde über mehrere Mitarbeiter berichtet, die von Monsanto zu | |
| Regulierungsbehörden wechselten oder umgekehrt. Das Unternehmen | |
| [12][erklärt dazu], es sei ganz normal, dass Menschen ihre Jobs wechseln. | |
| Selbst Umweltorganisationen wie der BUND behaupten nicht, dass | |
| Gentechpflanzen gesundheitsschädlich seien. Aber, so die Aktivisten, | |
| Monsanto könne eben nicht belegen, dass seine Pflanzen sicher seien. Auch | |
| dieser Vorwurf lässt sich also nicht abschließend klären. | |
| Klar ist allerdings, dass Monsantos Gentechprodukte umweltschädliche | |
| Monokulturen etwa in Amerika ermöglichen. Denn Monsantos Soja etwa ist | |
| resistent gegen Glyphosat. Statt dem Unkraut vorzubeugen, indem die Farmer | |
| jedes Jahr die Pflanzenart auf dem Acker wechseln, setzen sie auf | |
| Monokulturen, die sie mit Glyphosat spritzen. Das führt aber zu weniger | |
| Artenvielfalt, und langfristig werden Unkräuter immer unempfindlicher gegen | |
| das Pestizid, sodass die Farmen zusehends mehr Chemie spritzen. | |
| Unstrittig ist auch: Monsantos Gentechnikpflanzen sind wie fast alles | |
| Saatgut dieser Art mit Patentrechten geschützt. Dass Lebewesen patentiert | |
| werden können, halten viele Kritiker jedoch für unmoralisch. Solches | |
| Saatgut dürfen Bauern nur mit Erlaubnis des Unternehmens benutzen. Verstöße | |
| dagegen verfolgt der Konzern [13][nach eigenen Angaben] auch mithilfe von | |
| Privatdetektiven und Anzeigen durch Nachbarn. Wer dann zahlt, wird in der | |
| Regel zu Stillschweigen verpflichtet. In Deutschland ist dieses Vorgehen | |
| schon deshalb nicht möglich, weil hier keine Gentechnikpflanzen angebaut | |
| werden. | |
| 5. „Monsanto will die Grundlage unserer Ernährung monopolisieren“ | |
| Monsanto stellt laut der Unternehmensberatung A. T. Kearney etwa 26 Prozent | |
| des weltweiten Saatgutmarkts – so viel, wie kein anderer Anbieter. Dafür | |
| hat der Konzern in den letzten Jahren viele kleinere Konkurrenten gekauft. | |
| Die Konzentration auf dem Saatgutmarkt nimmt gerade rapide zu, obwohl er | |
| bereits von nur einer Handvoll Firmen beherrscht wird. Wenn Bayer und | |
| Monsanto wie beabsichtigt fusionieren, werden sie zusammen auf 30 Prozent | |
| kommen. | |
| Fazit: Das Feinbild von Monsanto als Quell (fast) alles Bösen ist zu | |
| holzschnittartig. Das Unternehmen schadete zwar tatsächlich Menschen und | |
| Umwelt, indem es in der Vergangenheit giftige Chemikalien produzierte. | |
| Zudem ermöglichen Glyphosat, gentechnisch veränderte Pflanzen und andere | |
| heutige Produkte des Konzerns eine umweltschädliche Landwirtschaft. Seine | |
| Patentrechte setzt Monsanto zum Teil mit fragwürdigen Methoden durch. | |
| Weniger eindeutig ist aber zum Beispiel, ob Gentechnikpflanzen wirklich die | |
| Gesundheit beeinträchtigen. Und: Monsantos Anteil am Gesamtmarkt für | |
| Saatgut ist zwar hoch, aber von einem Monopol weit entfernt. | |
| 14 Oct 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://de.monsantotribunal.org/Startpagina-de-mt | |
| [2] https://www.endecocide.org/ecocides/ | |
| [3] http://de.monsantotribunal.org/-Die-Unterzeichner | |
| [4] http://www.monsanto.com/newsviews/pages/pcbs.aspx | |
| [5] http://www.cbgnetwork.de/5378.html | |
| [6] http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_dioxinen_und_pcb_in_leben… | |
| [7] http://www.monsanto.com/newsviews/pages/agent-orange-background-monsanto-in… | |
| [8] http://monographs.iarc.fr/ENG/Classification/latest_classif.php | |
| [9] http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol100F/mono100F-27.pdf | |
| [10] http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/index.php | |
| [11] http://www.ers.usda.gov/amber-waves/2012-december/rising-concentration-in-… | |
| [12] http://www.monsanto.com/newsviews/pages/revolving-door.aspx | |
| [13] http://www.monsanto.com/newsviews/pages/why-does-monsanto-sue-farmers-who-… | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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