# taz.de -- Verfassungsreferendum in Italien: Parteilinke gegen Renzis Kernproj… | |
> Ministerpräsident Matteo Renzi will die politischen Institutionen des | |
> Landes verschlanken. Seiner Partei droht deshalb die Spaltung. | |
Bild: Will fürs Erste nicht diskutieren: Matteo Renzi | |
ROM taz | Wenige Wochen vor dem Verfassungsreferendum am 4. Dezember steht | |
die Partei des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi kurz vor der | |
Spaltung. Dies zeigte sich am Montagabend auf einer Sitzung des Vorstands | |
der gemäßigt linken Partito Democratico (PD), auf der die Vertreter der | |
linken Minderheitsflügel ihr Nein bei der Volksabstimmung ankündigten. | |
Renzis parteiinterne Gegner attackieren damit eines der Kernprojekte des | |
Premiers: Mit dem Doppelpack aus Verfassungs- und Wahlrechtsreform will | |
Renzi Italiens politische Institutionen verschlanken und ihre Effizienz | |
erhöhen. Kern der Verfassungsreform ist der Abschied vom „perfekten | |
Zweikammersystem“. Bisher hatten Abgeordnetenhaus und Senat exakt die | |
gleichen Vollmachten; beide mussten der Regierung das Vertrauen | |
aussprechen, beide den Haushalt verabschieden, beide jedes einzelne Gesetz | |
billigen. | |
Stattdessen soll in Zukunft das Abgeordnetenhaus das Sagen haben. Der | |
verschlankte Senat kann nur noch ein aufschiebendes Veto einlegen. Zudem | |
soll der Senat nicht mehr direkt gewählt werden; stattdessen sollen in ihm | |
Regionalabgeordnete sowie Bürgermeister vertreten sein. | |
Das Abgeordnetenhaus wiederum soll in Zukunft nach einem neuen Wahlrecht | |
gewählt werden. Jene Partei, die im ersten Wahlgang mehr als 40 Prozent der | |
Stimmen erreicht, bekäme die absolute Mehrheit von 340 der 630 Sitze. | |
Überwindet keine Partei diese Hürde, kommt es zu einer Stichwahl zwischen | |
den beiden stärksten Parteien; deren Sieger erhielte die 340 Sitze. „Am | |
Abend der Wahl wissen die Bürger, wer sie regiert“: So macht Renzi Werbung | |
für seine Reform. | |
## Renzi gibt sich diskussionsbereit | |
An diesem Doppelpack aus Verfassungs- und Wahlrechtsreform stört sich | |
jedoch nicht nur die Opposition, sondern auch seine Gegner in der PD. In | |
ihren Augen werden so die Voraussetzungen für ein fast autokratisches | |
System geschaffen, in dem der Chef der siegreichen Partei dank einer von | |
ihm handverlesenen Parlamentsfraktion ohne nennenswerte Gegengewichte | |
„durchregieren“ könnte, auch wenn seine Partei im ersten Wahlgang bloß 20 | |
Prozent gewonnen hätte. | |
Renzi gab sich auf der PD-Vorstandssitzung zwar diskussionsbereit und | |
schlug vor, einen Ausschuss unter Beteiligung der linken Minderheitsflügel | |
einzusetzen, der Veränderungen beim Wahlrecht vorschlagen solle. Erfolgen | |
sollen diese aber erst, nachdem Italiens Bürger über die Verfassungsreform | |
abgestimmt haben. | |
Die Parteiminderheit wittert deshalb eine bloß taktische Volte des | |
Regierungschefs. Dessen Vorschlag sei nichts anderes als ein „spektakulärer | |
Bluff“, erklärte einer ihrer Sprecher. | |
## Befürworter und Gegner gleichauf | |
Daran wird deutlich, dass das Vertrauen zwischen Renzis Parteimehrheit und | |
den linken Flügeln mittlerweile völlig zerstört ist. Die Frontleute der | |
Minderheit, der frühere Parteichef Pierluigi Bersani und der frühere | |
Ministerpräsident Massimo D’Alema, begannen ihre Karriere noch in der alten | |
Kommunistischen Partei. In dem aus Italiens Christdemokraten stammenden | |
Renzi, der Ende 2013 in einer offenen Urwahl der Mitglieder und | |
Sympathisanten die Parteispitze eroberte, sehen sie einen Usurpatoren. | |
Der wiederum zeigt sich überzeugt, die Parteiminderheit sei weniger von | |
inhaltlichen Sorgen als von ihrer Angst um politische Pfründe geleitet. | |
Doch wenn er mit einer zerrissenen Partei zum Referendum antritt, sinken | |
seine Chancen auf einen Sieg weiter; schon jetzt liegen in den | |
Meinungsumfragen unter Italiens Wählern Befürworter und Gegner etwa | |
gleichauf. | |
11 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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