| # taz.de -- Koalitionsverhandlungen Rot-Rot-Grün: Wieviel Geld rückt er raus? | |
| > Am Donnerstag beginnen die Koalitionsverhandlungen: Die großen | |
| > ideologischen Streitpunkte fehlen – es geht mehr um das Wie als um das | |
| > Ob. Und um viel Geld. | |
| Bild: Muss den Geldbeutel zücken: Finanzsenator Kollatz-Ahnen (SPD) | |
| Um 9 Uhr morgens soll es losgehen: Im Roten Rathaus werden am Donnerstag | |
| rund 30 Verhandler von SPD, Linken und Grünen über eine künftige Koalition | |
| sprechen; später feilschen kleinere Gruppen über die Details der einzelnen | |
| Themen. Bei den folgenden drei Punkten könnte es heikel werden. | |
| ## Finanzen | |
| Das Problem ist nicht das Geld. Das ist da: Fast eine halbe Milliarde | |
| Überschuss stand am Ende des Haushaltsjahres 2015, dank guter | |
| Haushaltsführung, niedriger Zinsen und wachsender Steuereinnahmen. | |
| Das Problem sind unterschiedliche Standpunkte, was mit dem Geld zu machen | |
| ist. Während die SPD am Kurs der bisherigen rot-schwarzen Koalition | |
| festhalten und sowohl investieren als auch alte Schulden tilgen möchte, | |
| will die Linkspartei im Kern jeden verfügbaren Euro investieren. Einig ist | |
| man sich allein über das Ausgabenfeld: die öffentliche Infrastruktur, also | |
| vor allem Schulen, Bäder, Kitas, Straßen und Brücken. | |
| Die SPD und ihr wohl auch zukünftiger Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen | |
| betonen bei jeder sich bietenden Gelegenheit das einzuhaltende | |
| Gleichgewicht zwischen Investieren und Konsolidieren. Letzteres steht vor | |
| allem dafür, von den immer fast 60 Millionen Euro hohen Schulden | |
| runterzukommen. Für sie fallen derzeit zwar so wenige Zinsen an wie noch | |
| nie, was das Hauptargument der Linkspartei für den Verzicht auf Tilgung | |
| ist. | |
| Die SPD aber verweist auf Verantwortung künftigen Generationen gegenüber | |
| und dass bei einem Zinsanstieg jeder angetragene Schulden-Euro den Haushalt | |
| entlastet. In der auslaufenden Wahlperiode baute Rot-Schwarz parallel zu | |
| großen Investitionen 3 Milliarden Euro Schulden ab. | |
| Bei Modellen der Linkspartei, etwa für die Schulsanierung Landesunternehmen | |
| zu gründen, die sich verschulden dürften, warnt die SPD vor einem | |
| Schattenhaushalt. Die Grünen sind weniger festgelegt: In ihrem Wahlprogramm | |
| erhoffen sie sich 500 Millionen Euro über eine Vermögensteuer – die aber | |
| der Bundestag beschließen müsste. Die Linkspartei will sich über eine | |
| höhere Gewerbesteuer mehr Spielraum verschaffen, was die SPD ablehnt. | |
| ## Verkehr | |
| Einer der wenigen Punkte, bei denen es doch ideologisch werden könnte, ist | |
| der Verkehr. Hier stehen die vom Radverkehr und öffentlichen Nahverkehr | |
| überzeugten Grünen einer SPD gegenüber, die zwar nicht mehr die | |
| Autofahrerpartei früherer Prägung ist, aber dennoch größere Einschränkungen | |
| für den Pkw-Verkehr ablehnt. | |
| Regierungschef Michael Müller, als Senator bis 2014 auch für Verkehr | |
| zuständig, und sein Nachfolger in diesem Ressort, Andreas Geisel, legen | |
| aber darauf Wert, dass man die Interessen aller Verkehrsteilnehmer | |
| berücksichtigen müsse. Das heißt: Ein Rausekeln des Autoverkehrs aus der | |
| Innenstadt ist mit der SPD nicht machbar. | |
| Im Kern der Auseinandersetzung dürfte das Fahrrad-Volksbegehren stehen, das | |
| in seiner ersten Stufe im Frühsommer so viel Unterstützungsunterschriften | |
| bekam wie noch keine Initiative bisher. Die Grünen haben sich klar dahinter | |
| gestellt. Auch vom Verlauf der Koalitionsverhandlungen dürfte abhängen, ob | |
| die Initiative in die zweite Stufe einsteigt, die einen Volksentscheid | |
| parallel zur Bundestagswahl im kommenden Jahr zum Ziel hätte. Der | |
| dazugehörende Gesetzentwurf wird seit Monaten vom Senat geprüft. | |
| Offen ist, ob sich die SPD mit dem „Bären-Ticket“ aus dem | |
| Grünen-Wahlprogramm anfreunden kann. Dabei müssten alle Berliner – ähnlich | |
| wie beim Semesterticket alle Studierenden – einen bestimmten Betrag für | |
| eine Bus-und-Bahn-Karte zahlen und könnten dafür fast frei fahren, auch | |
| wenn sie durchweg mit dem Auto oder Fahrrad unterwegs sind. Ein ähnliches | |
| Modell schwebt auch der Linkspartei vor. | |
| Über die Verlängerung der Autobahn 100 ist schon einmal eine sicher | |
| geglaubte Koalition geplatzt: 2011 war das, als SPD und Grüne verhandelten. | |
| Nun will Regierungschef Müller glauben machen, dieses Streitthema könne | |
| eine Koalition nicht belasten, weil der nächste Bauabschnitt in weiter | |
| Zukunft liege. Dass sich das Thema in den kommenden fünf Jahren ganz | |
| ausklammern lässt, erscheint aber unrealistisch. | |
| ## Wohnungsbau | |
| Bezahlbare Mieten wollen alle, doch der Weg dahin unterscheidet SPD, Linke | |
| und Grüne mitunter deutlich. Ein Knackpunkt bei den Gesprächen könnte die | |
| Rolle der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sein. Mehr Transparenz | |
| und Kontrolle wünschen sich die baupolitischen Sprecherinnen von Linken und | |
| Grünen, Katrin Lompscher und Katrin Schmidberger. Doch die Anstalt | |
| öffentlichen Rechts, die laut dem neuen Wohnraumversorgungsgesetz dafür | |
| zuständig ist, haben die SPD-Senatoren für Bauen und Finanzen bis heute | |
| nicht auf den Weg gebracht. Mit welchen Befugnissen sie ausgestattet wird, | |
| wird Gegenstand der Gespräche sein, so Schmidberger. | |
| Einig sind sich Grüne und Linke darin, nicht nur auf Neubau zu setzen, | |
| sondern auch auf den Bestand. Die Grünen wollen die Hälfte der Fördermittel | |
| einsetzen, um etwa die Mieten nach energetischer Sanierung bezahlbar zu | |
| halten. Linken-Expertin Lompscher: „Voraussetzung für die Förderung ist der | |
| Nachweis der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit einer energetischen | |
| Sanierung.“ | |
| Nicht einig sind sich die potenziellen Koalitionspartner auch beim Thema | |
| Neubaumieten. Während die SPD Einstiegsmieten von 6,50 Euro pro | |
| Quadratmeter für bezahlbar hält, wollen die Linken einen Euro weniger. | |
| „Wenn die städtischen Gesellschaften bauen, soll die Hälfte davon bezahlbar | |
| sein“, fordert Katrin Lompscher. Davon wiederum soll jede zweite Wohnung | |
| auch für Empfänger von Transferleistungen zur Verfügung stehen. Die Grünen | |
| dagegen plädieren eher für einkommensabhängige Lösungen. | |
| Die Linken wollen die Anzahl der städtischen Wohnungen auf 400.000 | |
| aufstocken, die Grünen setzen sich langfristig für einen | |
| „gemeinwohlorientierten Bestand“ ein, der bei rund 800.000 Wohnungen liegt. | |
| 6 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
| Uwe Rada | |
| ## TAGS | |
| Koalitionsverhandlungen | |
| R2G Berlin | |
| Matthias Kollatz-Ahnen | |
| Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
| Koalitionsverhandlungen | |
| BVG | |
| Bürgerenergie | |
| Abgeordnetenhauswahlen 2016 | |
| Abgeordnetenhauswahlen 2016 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wohnungsbau & Rot-Rot-Grün in Berlin: Genossen, da geht noch mehr! | |
| Bei den Koalitionsverhandlungen am Freitag geht es auch darum, wie das Land | |
| Genossenschaften fördert. Der Blick nach München zeigt: Es gibt Luft nach | |
| oben. | |
| Koalitionsverhandlungen in Berlin: Neubau ist nicht alles | |
| Die Spannung ist groß vor der Verhandlungsrunde am Freitag: Denn Linke und | |
| Grüne bremsen die SPD bei deren Lieblingsthema Wohnungsneubau. | |
| Koalitionsverhandlungen in Berlin: Arme sollen auf SPD abfahren | |
| Geht es nach Verkehrssenator Geisel (SPD), wird das Sozialticket billiger. | |
| Grüne signalisieren Zustimmung, mosern aber über fehlende Absprachen. | |
| Stromnetz-Ausschreibung: Gezerre um den Landes-Stecker | |
| Die Suche nach dem künftigen Stromnetz-Betreiber ist in die heiße Phase | |
| eingetreten. Dank politischer Rückendeckung hat Vattenfall beste Chancen | |
| Promi-Wahlduell in Berlin: Finanzsenator schlägt Justizsenator | |
| Doppelte Niederlage für Vize-CDU-Chef Heilmann: Niederlage im Wahlkreis und | |
| wahrscheinlich auch kein Mandat über die Bezirksliste. | |
| Wahl in Berlin: Rot-Grün-Rot! | |
| Die Zeichen stehen auf Rot-Grün-Rot. Doch was ist das: eine ganz nüchterne | |
| Koalition – oder gar ein Projekt mit Zukunftsvision? Zwei Plädoyers. |