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# taz.de -- Tag der Deutschen Einheit in Dresden: Spießrutenlauf an Pegida vor…
> Rechtsradikale DemonstrantInnen bedrängen die Gäste des Staatsaktes zum
> 3. Oktober in Dresden. Und abends demonstriert Pegida.
Bild: Menschen am 3. Oktober in Dresden. Diktatur?
Dresden taz | Für die meisten Festgäste zum Tag der Deutschen Einheit
geriet der Weg zum ökumenischen Gottesdienst in der Dresdner Frauenkirche
zu einem Spießrutenlauf. Abgeordnete, sächsische Minister, Berliner
Politprominenz, aber auch der Dresdner Kreuzkantor Roderich Kreile und
andere Künstler mussten sich ihren Weg an lautstarken Pegida-Anhängern
vorbei bahnen. Von Pegida-Häuptling Lutz Bachmann beschönigend als
„Raucherpause“ angekündigt, protestierten 300 bis 400 Pegidianer am
Neumarkt gegenüber der Frauenkirche in selten erlebter Vehemenz.
Den fast 1.000 geladenen Gästen schlug ungezügelter Hass des harten
Pegida-Kerns entgegen. Die sogenannte Volksinitiative „Einprozent“ hatte
Trillerpfeifen gesponsert, die fast eine Stunde lang ertönten. Rufe wie
„Volksverräter“ und „Merkel muss weg“ wurden vielfach intoniert. Zu den
bekannten Sprüchen kamen „Orbán, Orbán!“-Rufe und ein bemerkenswerter
Slogan hinzu: „Merkel nach Sibirien, Putin nach Berlin!“
Auswärtige Gäste reagierten gereizter auf die Pöbeleien und „Haut ab!“-R…
als die abgebrühten Sachsen. Die Grüne Claudia Roth versuchte, mit
einzelnen Demonstranten zu diskutieren. Mit versteinerter Miene schritt
Sachsens Wirtschaftsminister und SPD-Landeschef Martin Dulig über den
Platz. Seiner Frau standen Tränen in den Augen.
Die Polizei, die offenbar nicht mit so vielen Demonstranten gerechnet
hatte, drängte diese erst später zurück und eröffnete einen anderen
Korridor für die Ankommenden. Nicht unmittelbar betroffen waren Kanzlerin
Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und die Ministerpräsidenten,
die sich im benachbarten Verkehrsmuseum ins Goldene Buch der Stadt Dresden
eintrugen.
## Äußerst aggressive Stimmung
Am Nachmittag folgten etwa 5.000 Menschen einem Aufruf des
Pegida-Bündnisses – deutlich mehr als in den letzten Monaten. Unter den
Teilnehmern befanden sich zahlreiche Neonazis. Die Stimmung war
ausgesprochen aggressiv. Parallel dazu beteiligten sich unter der Elbbrücke
Blaues Wunder etwa 300 Menschen an einer Demo des rechten Bündnisses
„Festung Europa“ (siehe Text unten).
Angesichts der angespannten Lage blieb das angestrebte Bürgerfest mit
Dialogversuchen eine Illusion. Eine doppelt eingezäunte Sicherheitszone um
Frauenkirche und Semperoper und ein ebenso abgesperrter Korridor zwischen
beiden ließen keinen Kontakt zwischen Politikern und Bürgern zu. Ein
sogenannter Bürgerempfang von Bundespräsident Joachim Gauck im
Kongresszentrum blieb ausschließlich geladenen Gästen vorbehalten.
Der Gottesdienst wurde nicht, wie angekündigt, nach draußen übertragen. Die
Übertragung des Festaktes auf den fast vollständig geräumten Theaterplatz
vor der Semperoper wurde wiederum von Pegida-Anhängern lautstark gestört.
Sie pfiffen und brüllten noch, als die Sächsische Staatskapelle Beethovens
Fidelio-Ouvertüre anstimmte und Lessings Ringparabel aus dem „Nathan“
vorgetragen wurde. Die Nationalhymne am Schluss mitzusingen waren sie
hingegen nicht in der Lage.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) konterte in seiner mit einem
Schuss Selbstironie gewürzten Rede solches Verhalten mit dem Satz: „Wer das
Abendland verteidigen will, muss seinerseits Mindestansprüchen unserer
Zivilisation genügen!“ Er ermunterte die Deutschen zu mehr
Selbstbewusstsein und begründetem Optimismus.
## Es gibt „neue Probleme“
„Beschämt erleben wir, dass Worte die Lunte legen können für Hass und
Gewalt“, konstatierte auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich,
ohne die Demonstranten direkt anzusprechen. Dies sei „menschenverachtend
und zutiefst unpatriotisch“. Bundeskanzlerin Merkel, die selbst nicht ans
Rednerpult trat, sprach in einem Statement von einem Tag der Freude und der
Dankbarkeit, räumte aber auch „neue Probleme“ ein. Sie sollten gemeinsam
und in gegenseitigem Respekt gelöst werden.
Dauerregen schreckte offenbar viele mögliche Besucher ab, sodass nur wenige
Hundert Menschen der Übertragung des Festaktes folgten. Unter ihnen waren
auch mehrere Flüchtlinge aus arabischen Ländern. Einer von ihnen erklärte,
aus Respekt vor seinem Gastland zu den Feiern erschienen zu sein.
Bei der am Sonntagabend von der „Radikalen Linken“ und der Antifa
veranstalteten antinationalen Demonstration mit etwa 700 Teilnehmern
hingegen hatten sich Flüchtlinge, denen eigentlich die Solidarität galt,
als Schaulustige an den Straßenrand zurückgezogen.
3 Oct 2016
## AUTOREN
Michael Bartsch
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