# taz.de -- Kommentar Tag der Deutschen Einheit: Hier gibt es nichts zu feiern | |
> Dresden zeigte, welche Fronten einer kollektiven Identität | |
> entgegenstehen. Die Beschwörung der Einheit kann die Spaltung nicht | |
> überdecken. | |
Bild: Schwer, mit dem glücklich sein in diesen Tagen | |
Der „Tag der Deutschen Einheit“ verdient seine Bezeichnung bestenfalls noch | |
historisch. Spätestens seit Montag sollte treffender von [1][einem Tag der | |
Spaltung] die Rede sein. Weniger, weil auch nach 26 Jahren ökonomische | |
Interessen und mentale Entwicklungsunterschiede zwischen Ost und West über | |
den nationalen Wiedervereinigungsgedanken dominieren. Dresden demonstrierte | |
vielmehr, welche neuen Fronten quer durch das Land die Beschwörungen einer | |
kollektiven Identität konterkarieren. | |
Denn viele Deutsche, die mit sich einigermaßen im Reinen sind, möchten mit | |
jenen Deutschen, die am Montag ihre Neurosen, ihre Phobien und ihren Hass | |
sogar gegen die ihnen fremde eigene Kultur herausbrüllten, nichts zu tun | |
haben. Wer Beethovens „Fidelio“-Ouvertüre, mit der am 7. Oktober 1989 in | |
der Semperoper auch ein Zeichen für den damaligen Aufbruch gesetzt wurde, | |
und Lessings Ringparabel aus dem „Nathan“ mit Trillerpfeifen und infantilen | |
„Merkel muss weg“-Rufen erstickt, will zurück in die Barbarei. | |
Dresden sah in den drei Jubeltagen die innerdeutschen | |
Parallelgesellschaften, die faktisch eine Multikultur und leider auch eine | |
Multi-Unkultur konstituieren. Die indifferente Masse aß Bratwurst, trank | |
ihr Bier und ließ sich von den Bühnen unterhalten. Die eine Minderheit | |
schaute sogar mal im Pavillon des Bundestages vorbei und hörte sich eine | |
Podiumsdiskussion oder einen Poetry Slam an. | |
Auf dem Theaterplatz traf man sogar noch ehrliche Patrioten. Neben ihnen | |
eine weitere Minderheit, schwarzhaarig und dunkelhäutig, die beim | |
„Feiertag“ des Gastlandes dabei sein wollte. Und dann eben jene | |
Edeldeutschen von Pegida, die dunkelhäutigen Ehrengästen Affenlaute | |
hinterherbrüllen und einen Kreuzkantor als „Volksverräter“ beschimpfen. | |
Gewiss, Dresden ist nicht von ungefähr zur Hauptstadt der „Bewegung“ | |
rückwärts avanciert. Aber die Stadt verdient deshalb ebenso wenig eine | |
kollektive Denunziation wie die Deutschen ein einheitliches Volk sind. Hier | |
in Sachsen zeigt sich der Zustand der gesamten Nation wie im Fokus. Die | |
penetrante Beschwörung des anachronistischen Begriffs der Einheit indiziert | |
nur die tiefe Verunsicherung über eine sich immer weiter aufspaltende | |
Gesellschaft. | |
4 Oct 2016 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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