# taz.de -- Politische Dauerkrise in Spanien: Sozialisten zerlegen sich selbst | |
> Im Machtkampf in der PSOE wird Parteichef Sánchez trickreich aus dem Amt | |
> gehievt. Seine Anhänger bezeichnen das Vorgehen als Putsch. | |
Bild: Warten auf den Zerfall der PSOE: Journalisten in Madrid | |
MADRID taz | Der Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen | |
Arbeiterpartei (PSOE), Pedro Sánchez, steht vor dem Aus. Am Mittwochabend | |
traten 17 Mitglieder des Parteivorstandes zurück. Zusammen mit drei bereits | |
vakanten Sitzen, verbleibt weniger als die Hälfte der Führung. | |
Laut Parteistatuten ist dies das automatische Ende von Generalsekretär | |
Sánchez. Ein kommissarischer Parteivorstand muss eingerichtet werden, um | |
die PSOE zu einem Sonderparteitag zu führen. Sánchez möchte das noch nicht | |
wahrhaben und will die Übergangsphase selbst leiten. Das Wort Putsch macht | |
die Runde. | |
Es war die Chronik eines angekündigten Todes. Seit Wochen schreibt die | |
größte Tageszeitung des Landes El País Leitartikel gegen Sánchez, der als | |
erster Generalsekretär in der über 100-jährigen Geschichte der PSOE von der | |
Basis direkt gewählt worden war. Was El País stört: Sánchez weigerte sich | |
strikt, eine Minderheitsregierung der Partido Popular (PP) unter dem | |
konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zu dulden. | |
Am Mittwoch blies dann kein Geringerer als der ehemalige Ministerpräsident | |
Felipe González zum Angriff. In einem Interview im Radio Cadena Ser, das | |
wie El País zur Medienholding PRISA gehört, erklärte der 74-Jährige: „Ich | |
fühle mich betrogen.“ Sánchez habe ihm versprochen, sich im zweiten | |
Wahlgang zugunsten Rajoys zu enthalten, um diesem die einfache Mehrheit zu | |
sichern. Wenig später erklärten die 17 Genossen ihren Rückzug aus der | |
Führung. | |
Hinter den Kritikern steht ein Großteil der sozialistischen Landesfürsten | |
unter Führung der andalusischen Ministerpräsidentin Susana Díaz. Ihr Flügel | |
hat nur ein Ziel, die linke Podemos um jeden Preis von | |
Regierungsverantwortung in Madrid fernzuhalten. | |
## „Das Theater ist vorbei“ | |
Dagegen versuchte Sánchez auf Podemos zugehen, bis der „enttäuschte“ | |
González die Notbremse zog. „Das Theater ist vorbei. Felipe González hat | |
Hand angelegt und kurz darauf wurde das, was für uns eine Art Putsch des | |
Regimes ist, vollzogen“, erklärte die Podemossprecherin Irene Montero. | |
Der Chef der rechtsliberalen Ciudadanos, Albert Rivera, erklärte auf | |
Twitter: „Ich freue mich nicht über die Krise einer verfassungskonformen | |
Partei, aber es wäre schlimmer, wenn ganz Spanien weiterhin in Krise und | |
Blockade verweilen würde.“ Rivera, der nach den Dezemberwahlen mit der PSOE | |
paktierte und jetzt mit der PP, wirbt seit Monaten für eine Koalition aus | |
PP, PSOE und Ciudadaos gegen Podemos. | |
„Die Auseinandersetzung zwischen dem Alten, das untergeht, und dem Neuen, | |
das noch nicht endgültig gesiegt hat“, zerreiße die PSOE, analysierte der | |
Moderator des beliebten Onlineprogramms „La Cafetera“, Fernando Berlín. Der | |
Journalist, der wegen seiner kritischen Haltung nach 18 Jahren von der | |
Cadena Ser entlassen worden war, sieht eine unheilige Allianz aus González | |
und PRISA am Werk. | |
Der noch von Sánchez für Samstag einberufene kleine Parteitag soll am | |
Samstag stattfinden. Egal was dort letztlich beschlossen wird, eine | |
Regierungsbildung unter Sánchez wird es nicht mehr geben. Und erneute | |
Wahlen können sich die Sozialisten jetzt auch nicht mehr leisten. Die | |
Wähler würden der zerstrittenen Partei in Scharen davonlaufen. Bleibt nur | |
das, was Díaz und die Ihren seit Monaten planen. Enthaltung zugunsten einer | |
konservativen Minderheitsregierung, um dann in der Opposition zu versuchen, | |
die an Podemos verlorenen Millionen von Wählern zurückzugewinnen und zu | |
neuer Größe zu gelangen. | |
29 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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