# taz.de -- Kommentar Privilegierung und Armut: Sozialer wird's nicht | |
> Von der Erbschaft- bis zur Grundsteuer: Die Bundesrepublik bleibt, was | |
> sie immer war – ein Staat für Überprivilegierte. | |
Bild: Sozialer Ausgleich ist nötig | |
Dass die reichsten 10 Prozent der Deutschen mehr als die Hälfte allen | |
Vermögens halten, scheint generell tolerabel zu sein; dass hingegen der | |
Erbtransfer des Reichtums unter bestimmten Voraussetzungen quasi steuerfrei | |
geschieht, offenbar nicht völlig: Der Kapitalismus ist auf der Suche nach | |
seinem wenn schon nicht menschlichen, dann doch vielleicht | |
sozialdemokratischen Antlitz. | |
Da muss sogar das Handelsblatt nachhelfen [1][und fragt mahnend], „wie die | |
Balance in der Gesellschaft dauerhaft gewahrt werden kann“ – die SPD ist | |
derweil mit dem Verlieren von Wahlen zu beschäftigt. Ein Unbehagen selbst | |
in wirtschaftsnahen Kreisen macht sich breit über das, was das | |
Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Erbschaftsteuer | |
„Überprivilegierung“ nennt: eine interessante Vokabel, definiert sie doch | |
lediglich ein unverhältnismäßiges Zuviel von ansonsten offenbar zulässiger | |
Privilegierung. | |
Fast gleichzeitig mit dem weiterhin „überprivilegierenden“ Kompromiss zur | |
Erbschaftsteuer wurde in der vergangenen Woche eine Neuregelung der | |
Grundsteuer diskutiert. Während Post vom Finanzamt gemeinhin tränentreibend | |
sein kann, ist ein Grundsteuerbescheid in aller Regel Anlass für herzliches | |
Gelächter. Die Berechnungsgrundlage allein ist ein Witz: Einheitswerte von | |
1964 (West) und 1935 (Ost), deren einzige Korrektur recht willkürlich | |
angelegte kommunale Hebesätze sind. Nicht wenige Grundsteuerpflichtige | |
dürften „zufällig“ auch zur Klasse der ohnehin Privilegierten gehören. | |
Der hier nach Jahrzehnten gefundene Kompromiss hat einen Schönheitsfehler: | |
Er begünstigt Eigentümer, die ihre Grundstücke zur Spekulation brachliegen | |
lassen und bestraft de facto jene, die dringend benötigten Wohnraum | |
schaffen. Eigentum mag ja verpflichten, Gesetzgebungsgewalt aber auch, und | |
zwar zu einer gewissen Restvernunft, denn die lässt sich durch eine | |
wirkungslose Mietpreisbremse nicht substituieren. | |
Und dann werden die lächerlichen Hartz-IV-Almosen angehoben – um sagenhafte | |
5 Euro im Monat. Eine Schachtel Zigaretten, ein sehr sparsamer Kaffeebesuch | |
oder: beinahe die monatliche Grundsteuerschuld für eine Einzimmerwohnung in | |
mittlerer Lage in Ostberlin. | |
23 Sep 2016 | |
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[1] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/kommentar-zur-erbschaftsteu… | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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