# taz.de -- Erdgasförderung in Rotenburg/Wümme: Gift aus dem Boden | |
> Im Kreis Rotenburg werden krebserregende Stoffe gefunden. Das befeuert | |
> Ängste, die Erdgasförderung sorge für ein erhöhtes Krebsaufkommen. | |
Bild: Bringen Quecksilber an die Oberfläche: Erdgasförderstellen im Kreis Rot… | |
Hamburg taz | Das Gift schlummert im Boden: Auffällig hohe Werte an | |
Quecksilber und krebserregenden aromatischen Kohlenwasserstoffen hat das | |
Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Bodenproben | |
von Erdgasförderplätzen im Landkreis Rotenburg festgestellt. 36 der aktiven | |
Förderplätze wurden untersucht, insgesamt 388 Proben entnommen. Zwei dieser | |
Proben, aus Hemsbünde und Bötersen, waren mit Quecksilber belastet; drei | |
wiesen erhöhte Werte bei Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen | |
auf. | |
Warum solche Nachrichten alarmieren? Weil in der Stadt Rotenburg sowie der | |
benachbarten Samtgemeinde Bothel in der Vergangenheit eine weit | |
überdurchschnittliche Krebsrate bei Männern fortgeschrittenen Alters | |
ermittelt worden ist. So führt das Epidemische Krebsregister für Bothel | |
eine beinahe verdoppelte Krebsrate im Vergleich zum Durchschnitt auf, auch | |
in Rotenburg liegt sie fast um ein Drittel über dem Bundesschnitt. | |
Das Landesamt, das dem Wirtschaftsministerium in Hannover untersteht, | |
schließt in seiner jüngsten Pressemeldung nicht aus, dass „die | |
festgestellten auffälligen Werte tatsächlich Auswirkungen auf Menschen oder | |
die Umwelt haben“. | |
Ob dem so ist, sollen die beiden in der Region aktiven Erdgasförderer, DEA | |
und Exxon Mobil, nun auf eigene Kosten untersuchen lassen. Eine | |
entsprechende Anordnung hat das Landesamt bereits getroffen. Erst wenn die | |
Ergebnisse dieser Untersuchungen vorliegen, will das Landesamt „eine | |
abschließende Gefährdungsbeurteilung geben“. | |
Genau das wiederum will die Bürgerinitiative „Frack-Loses Gasbohren“ nicht: | |
Sie befürchtet, dass von den Gasförderern in Auftrag gegebene Analysen | |
„geschönt“ sein werden. „Wir brauchen eine neutrale Untersuchung“, sagt | |
Initiativensprecher Hartmut Horn: „Von der Industrie bezahlten Gutachten | |
können wir nicht trauen.“ Zudem habe das Landesamt veraltete Messmethoden | |
angewandt und Grenzwerte zugrunde gelegt, „die noch aus den 60er-Jahren | |
stammen“, so Horn. Die aber seien „viel zu hoch und längst nicht mehr Stand | |
der Wissenschaft“. | |
Auch der Rotenburger Wasserversorgungsverband sieht in der Erdgasförderung | |
eine Bedrohung für das Trinkwasser von 400.000 Menschen. 13 Bürgermeister | |
aus der Region um Rotenburg schrieben bereits einen Brief an die | |
Landesregierung, in dem sie eingehende Untersuchungen und die Einschränkung | |
der Erdgasgewinnung forderten – ohne Ergebnis. | |
95 Prozent des deutschen Erdgases werden derzeit in Niedersachsen aus dem | |
Boden geholt. Exxon Mobil etwa fördert schon seit über 30 Jahren im | |
Landkreis Rotenburg sowie im Heidekreis. An vielen Orten, wo sich die | |
entsprechenden Anlagen konzentrieren, ist die Krebsrate messbar | |
angestiegen. In der Rotenburger Umgebung ist vor allem die Blutkrebsrate | |
auffällig hoch. Einen schlagkräftigen Beweis für einen Zusammenhang mit der | |
Erdgasförderung gibt es bislang nicht – und daher auch keinen Grund, die | |
industrielle Förderung einzuschränken oder mit besseren Umweltstandards zu | |
versehen. | |
## Brandbrief von Wissenschaftlern | |
Auch wenn also nicht bewiesen ist, dass die nun nachgewiesenen Giftstoffe | |
aus den Bohrstellen in die Umwelt gelangen und Menschen krank machen: | |
[1][Ärzte in der Region schlagen gleichwohl Alarm]. Anfang des Jahres etwa | |
unterzeichneten 212 Mediziner aus dem Landkreis Rotenburg einen Brandbrief | |
an Niedersachsens Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD). | |
Sie forderten die rot-grüne Landesregierung auf, endlich genügend Geld zur | |
Verfügung zu stellen, um die Ursachen der erhöhten Krebsrate in der Region | |
untersuchen zu lassen – unabhängig, so wie es auch die Bürgerinitiative | |
verlangt. „Die Landesregierung muss endlich genügend Mittel zur Verfügung | |
stellen, um den Zusammenhang zwischen Erdgasförderung und Krebsrate in der | |
Region aufzuklären“, fordert denn auch Ini-Sprecher Hartmut Horn. | |
Die Ministerin verwies die Mediziner zurück an den Landkreis: Das dortige | |
Gesundheitsamt sei zuständig. Über das Geld, das die verlangte Forschung | |
kosten würde, verfügt der Landkreis freilich nicht. | |
22 Sep 2016 | |
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[1] /Rotenburger-Notruf/!5269231 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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