# taz.de -- Filmfest in Venedig: Singen und springen | |
> Sehnsucht nach der Vergangenheit zum Auftakt der Filmfestspiele von | |
> Venedig: In „La La Land“ singen Emma Stone und Ryan Gosling | |
Bild: Ryan Gosling und Emma Stone in „La La Land“. Bestimmt singen und tanz… | |
Mittwochmorgen sieht das Festivalgelände auf dem Lido noch nach Baustelle | |
aus. Ein paar Mitarbeiter werkeln an den letzten Dekorationen, ringsum wird | |
sauber gemacht, und Besucher sieht man nur vereinzelt vorbeischleichen. Die | |
Schlangen für den Eröffnungsfilm „La La Land“ sind übersichtlich und | |
wachsen nur langsam an. | |
Die Wartezeit verlängert sich dann noch eine ganze Weile, wegen, wie es | |
heißt, „technischer Probleme“. Im Inneren ertönt ein Alarmsignal, mehrere | |
Feuerwehrmänner eilen herbei, um nachzusehen. Da die | |
Sicherheitsanforderungen bei den Filmfestivals terrorbedingt stark | |
gestiegen sind – schon in Cannes hatten die umfangreichen Kontrollen in | |
diesem Jahr den Einlass verzögert –, fehlt nicht viel, dass man hinter den | |
technischen Schwierigkeiten sofort eine Bombendrohung oder ähnlich | |
Ungeheuerliches wittert. | |
Die Presse- und Filmbranchevertreter nehmen es mit Gelassenheit, vor mir | |
überbrückt ein US-amerikanischer Journalist die Wartezeit mit | |
Computerspielen auf dem Smartphone. Um halb neun, als der Film eigentlich | |
starten soll, geht es dann endlich in die Sala Darsena. Völlig ohne | |
Metalldetektoren und Taschenöffnen. | |
Mit „La La Land“ wurde für die 73. Mostra ein Hollywoodfilm als Auftakt | |
gewählt, der ähnlich nostalgisch daherkommt wie die diesjährigen | |
Eröffnungsfilme auf der Berlinale und in Cannes. Zwar wird man in Damien | |
Chazelles Musicalromanze nicht in das Hollywood der großen Studios der | |
vierziger oder fünfziger Jahre versetzt, die beiden von Emma Stone und Ryan | |
Gosling gespielten verhinderten Künstler passen selbst allerdings nur zum | |
Teil in die Gegenwart, in der die Geschichte angesiedelt ist. | |
Emma Stones Figur Mia arbeitet in einem Café bei den Warner Studios und | |
darf gelegentlich Schauspielstars den Iced Latte servieren. Ihre Hoffnung | |
ist, eines Tages selbst als Prominente auf der anderen Seite des Tresens | |
stehen zu können. Ihren Weg kreuzt wiederholt Sebastian (Ryan Gosling), ein | |
Aushilfspianist, der sich einem traditionalistisch-konservativen | |
Jazzverständnis verschrieben hat, mit nur mäßigem Erfolg. | |
Nach anfänglicher Abstoßung verkehrt sich die Polarisierung der beiden zu | |
wechselseitiger Anziehung. Ihre Geschichte ist ein klassischer Konflikt | |
zwischen dem Festhalten an den eigenen Idealen, den Kompromissen, die man | |
auf dem Weg dorthin einzugehen bereit ist, und den Gefühlen, für oder gegen | |
die man sich irgendwann auch entscheiden muss. | |
Damien Chazelle, der schon in seinen vorangegangenen Filmen, zuletzt in | |
„Whiplash“ von 2014, die Schicksale von Jazzmusikern ins Zentrum des | |
Erzählens rückte, nimmt den Film als audiovisuelles Medium sehr ernst. So | |
sehr, dass die Musik schon mal als gestalterisches Mittel auf das Bild | |
einwirkt. Schnitte, Kamerafahrten und selbst ruckartige Kameraschwenks | |
ordnen sich oft bereitwillig der Musik von Justin Hurwitz unter, und wie es | |
sich für ein Musical gehört, fangen Emma Stone und Ryan Gosling immer | |
wieder unvermittelt an zu singen – mit ihren echten Stimmen. | |
Der ganze Film lässt sich dabei von einer Sehnsucht nach einer vergangenen | |
Ästhetik treiben, was sich nicht zuletzt in Sebastians musealem Jazzideal | |
bemerkbar macht. Sogar die für Musicalfilme typischen Tanzszenen, bei denen | |
Menschen ohne erkennbaren Anlass plötzlich auf der Straße herumzuhüpfen | |
beginnen, setzt der 1985 geborene Chazelle in fast anachronistischer Manier | |
ein. | |
Besonders schön in der Anfangsszene, in der ein Stau auf einem Highway von | |
Los Angeles zum Anlass wird, dass die Fahrer eine nach dem anderen aus | |
ihren Autos springen und wenig später in einer irrwitzigen Choreografie | |
quer über ihre Fahrzeuge turnen. Auf interessante Weise altmodisch, gar | |
nicht verkehrt für den Anfang. | |
7 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
Filmfestival Venedig | |
Ryan Gosling | |
Emma Stone | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig | |
Oscarverleihung | |
Emma Stone | |
Hamburg | |
The Beatles | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig | |
Filmfestival Venedig | |
Filmfestival Venedig | |
Virtual Reality | |
Filmfestival Venedig | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verleihung der Academy Awards: Milde Worte und eine Riesenpanne | |
Ein Drama über einen homosexuellen Schwarzen gewinnt den Oscar als bester | |
Film. Die große Breitseite gegen Trump bleibt bei der Verleihung aus. | |
Musicalfilm „La La Land“: Im Look einer Langnesewerbung | |
„La La Land“ triumphierte bei den Golden Globes, nun startet der Film in | |
Deutschland. Die Optik ist schön, die Protagonisten können bloß nicht | |
tanzen. | |
Filmfest in Hamburg: Tante Emma geht ins Kino | |
Beim Filmfest Hamburg setzt der Leiter Albert Wiederspiel auf ein breit | |
gefächertes Programm. Das unterscheidet es von kleineren Festivals. | |
Doku „The Beatles: Eight Days a Week“: Die Helden des Pop | |
Im Dokumentarfilm „The Beatles: Eight Days a Week“ folgt Regisseur Ron | |
Howard der Mutter aller Popbands durch die Stadien. | |
Abschluss der Filmfestspiele von Venedig: Ein leise brüllender Löwe | |
Richtige Entscheidung in einem mittelmäßigen Wettbewerb: Mit „The Woman Who | |
Left“ hat in Venedig der stärkste Film gewonnen. | |
Filmfest in Venedig: Dinos am Strand | |
US-Regisseur Terrence Malick zelebriert in Venedig das Wunder des Lebens. | |
Ganz ausliefern möchte man sich dem Ereignis aber nicht. | |
Filmfest in Venedig: Das Leben der anderen | |
Neues aus der Lagunenstadt: Zufallsbekanntschaften auf dem Boot, ein Drama | |
in Adelskreisen und Kannibalismus unter Ausgestoßenen. | |
Filmfest in Venedig: Multipenetration und Kinderkriegen | |
Sex mit Aliens: Im Schwindel der Vorstellungswelten lässt man sich im | |
Vaporetto über die Gewässer von Venedig gleiten. | |
Filmfest in Venedig: Ins Netz gegangen | |
Üble Geheimdienstmachenschaften: In Kim Ki-duks Films „The Net“ gerät ein | |
nordkoreanischer Fischer in die Fänge des südkoreanischen Militärs. | |
Filmfest in Venedig: Kreisförmig kommunizieren | |
Alieneier nehmen Kurs auf die Erde. Im Sci-Fi-Drama „Arrival“ zeigt Amy | |
Adams, dass Small Talk mit Außerirdischen seine Zeit braucht. | |
73. Filmfestspiele Venedig: Leben und Sterben des Universums | |
Todesbekämpfer, Western-Remakes und sogar Hollywood-Nostalgie im Lido-Kino: | |
Nun beginnen die 73. Filmfestspiele von Venedig. |