# taz.de -- Politologe über Kongos Krise: „Das Gesetz des Dschungels“ | |
> Der Politologe Jean Omasombo macht dem Kongo keine großen Hoffnungen. | |
> Egal, wer auf Präsident Kabila folgt – ein neuer Messias werde das nicht. | |
Bild: Im August gab es blutige Konflikte in der Region Nord-Kivu. Gegen Protest… | |
taz: Herr Omasombo, die politische Krise im Kongo verschärft sich. Die | |
Amtszeit von Präsident Kabila läuft im Dezember 2016 aus. Die | |
Wahlkommission sagt, Neuwahlen sind nicht vor Juli 2017 möglich – die | |
Opposition widerspricht. Jetzt hat ein „nationaler Dialog“ keine Einigung | |
erzielt. Wie analysieren Sie die Lage? | |
Jean Omasombo: Kabila will den Dialog, um den Rahmen der Verfassung | |
verlassen zu können. Laut Verfassung ist er ab Dezember nicht mehr im Amt, | |
deswegen sagt er, dass die Verfassung nicht mehr gut ist. | |
Ein Großteil der Opposition macht beim Dialog nicht mit … | |
Eigentlich sind sie schon interessiert, aber sie sehen, dass es eine Falle | |
ist. Bisher gab es im Kongo immer einen vom Himmel entsandten Retter, der | |
das Land führt. Unsere heutige Verfassung legt zum ersten Mal fest, dass | |
niemand länger als zwei Amtszeiten hintereinander regieren darf. Damit kann | |
Kabila nicht umgehen. Deswegen will er den Dialog, um dieses Hindernis zu | |
umgehen. Sein Diskurs ist: „Ich bin der Vater der Nation. Wenn ich mein Amt | |
niederlege, steht die Nation still, so wie das ganze Dorf trauert, wenn der | |
Chef stirbt. Und ich habe ja noch Kraft, ich kann weitermachen, unterstützt | |
mich, ich bin euer Chef, wenn es Probleme gibt, lasst uns darüber reden und | |
eine Lösung finden“. | |
Wie will er im Amt bleiben? Laut Verfassung endet seine Amtszeit am 19. | |
Dezember. Im Prinzip muss dann das Verfassungsgericht eine Vakanz an der | |
Staatsspitze feststellen und den Senatspräsidenten bitten, übergangsweise | |
die Amtsgeschäfte zu übernehmen. | |
Ja, im Prinzip. Aber die Auslegung dieser Regeln ist flexibel. Kabila wird | |
sagen, es liege ja nicht an ihm, dass es keine Neuwahlen gibt. Kabila will | |
keine Wahlen, er kann sie ja auch gar nicht einfach selbst ansetzen, er | |
wird also sagen: „Unser gemeinsames Haus ist verflucht; wenn wir diese | |
Verfassung nicht hinter uns lassen, geht es dem Land schlecht.“ Das Risiko | |
ist, dass der Kongo dann aus dem Raum der Politik hinaustritt und hinein in | |
das Gesetz des Dschungels. | |
Werden die Kongolesen das akzeptieren, in diesem 21. Jahrhundert? | |
Das hängt von der politischen Klasse ab, die leider sehr zweitklassig ist. | |
Ich erinnere mich, wie ganz viele Diplomträger Mobutu zum Dieb erklärten, | |
als er 1997 weg war. Heute agiert Kabila genau wie Mobutu, aber sie stimmen | |
seinem Diskurs zu: der Mann, den Gott entsandt hat, um den Kongo zu retten | |
… | |
Wer sagt denn so was? | |
Niemand sagt es offen, aber alle verhalten sich so. Die politische Klasse | |
hat sich seit der Mobutu-Ära nicht verändert. Für sie kann Kongo ohne | |
Kabila nicht existieren. Aber auch die Opposition trägt eine große | |
Verantwortung. Man stellt jetzt Katangas populären Exgouverneur Moise | |
Katumbi als Alternative hin. Aber Kabila und Katumbi haben Katangas Bergbau | |
gemeinsam ausgeplündert. Wer den Kongo liebt, müsste beide vor Gericht | |
stellen. Und sollte Katumbi reelle Chancen haben, wird man ihm seine | |
Vergangenheit als Geschäftsmann vorwerfen und ihn wegen seines griechischen | |
Vaters als „Weißen“ bezeichnen. | |
Katumbi ist also nicht die Lösung? | |
Nein, und ich war schockiert, als er neulich in einem Interview sagte, er | |
werde Kabilas Sicherheit und Straffreiheit garantieren, wenn er sein Amt | |
freiwillig aufgibt. Was gibt ihm das Recht zu einer solchen Zusage? Selbst | |
wenn er Präsident wäre, hätte er dazu nicht die Befugnis. Katumbi sagt | |
Kabila praktisch: „Du bist ein Dieb, geh und nimm deine Milliarden mit, und | |
ich lege noch ein paar drauf, wenn du wirklich gehst“. | |
Gibt es also gar keine Hoffnung auf Veränderung? | |
Wir sehen einen gewissen Fortschritt. Wir wissen nicht, wer auf Kabila | |
nachfolgen wird, aber es wird auf keinen Fall ein neuer Gott, ein neuer | |
Messias, ein neuer Lumumba. Und das andere positive Element ist die | |
Verfassung, die festlegt, dass man nicht ewig an der Macht bleibt. | |
Wie sehen Sie die Rolle der internationalen Gemeinschaft? Sie verlangt | |
fristgerechte Wahlen, aber unterstützt Kabilas Dialog. | |
Die internationale Gemeinschaft versteht den Kongo nicht. Sie ist gelähmt, | |
und die Zeit spielt für Kabila. Man sagt oft: Mobutu war eine Kreation des | |
Westens. Man könnte auch sagen: Mobutu war 32 Jahre an der Macht, weil er | |
den Westen durchschaut hat und der Westen in die Falle getappt ist. Vor | |
einer Weile konnte man den Eindruck gewinnen, dass Europa unter dem | |
Einfluss Belgiens eine härtere Position einnimmt, aber Italien und Spanien | |
haben das wieder abgeschwächt. | |
Viele Staatschefs in Afrika kleben an der Macht, aktuell sehen wir das mit | |
Ali Bongo in Gabun. Bestätigt das Kabila in seiner Bunkermentalität? | |
Angolas Präsident José Eduardo dos Santos soll Kabila gesagt haben: Mach es | |
doch einfach wie wir alle – in Burundi, in Ruanda, in Kongo-Brazzaville – | |
und bleib an der Macht! Im Falle Kabila gibt es das schlagende Argument: | |
Wer geht mit 40 Jahren in den Ruhestand? Aber andererseits ist Kongos | |
Verfassung robuster als die der Nachbarländer und Kabila hat nicht das | |
Kaliber eines Mobutu. Mobutu war eine Autorität, er verkörperte Autorität | |
geradezu, mit seiner Leopardenfellmütze, seinem Stab, seinem Gehabe. Kabila | |
ist ein Amtsträger. Er kontrolliert die Armee, hat aber kein Charisma. Man | |
kann die Leute nicht ständig belügen. Die Zeiten ändern sich. | |
14 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
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