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# taz.de -- Vor der Wahl in Angola: Kreml-Astrologie in tropischer Nacht
> Nach 38 Jahren im Amt will Präsident Eduardo dos Santos dieses Jahr die
> Macht abgeben. Die Opposition erhofft sich einen Wahlsieg.
Bild: Kommt der politische Wechsel in Angola dieses Jahr?
Brüssel taz | Erlebt Angola dieses Jahr zum ersten Mal seit 1979 einen
Wechsel an der Staatsspitze? Langzeitherrscher Eduardo dos Santos hat
angekündigt, nach den Wahlen im August nicht wieder für das höchste
Staatsamt anzutreten. In Angola wird lediglich das Parlament direkt
gewählt; der Spitzenkandidat der siegreichen Partei wird Staatschef.
Anfang Februar bestätigte dos Santos zur Eröffnung einer Sitzung des
Zentralkomitees der Regierungspartei MPLA (Angolanische
Volksbefreiungsbewegung), er werde den Posten an den aktuellen
Verteidigungsminister abgeben, General João Manuel Gonçalves Lourenço. Das
Zentralkomitee hatte Lourenço schon im Dezember zum Spitzenkandidaten
gekürt.
Politisch ändert das nichts. Lourenço ist ein alter Militär und wie dos
Santos sowjetischer Prägung. Der 60-Jährige war im angolanischen
Bürgerkrieg Politkommissar der Armee, später MPLA-Generalsekretär.
Die größte Oppositionspartei Angolas ist die ehemalige Rebellenbewegung
Unita (Nationalunion für die totale Unabhängigkeit Angolas), die früher mit
Unterstützung der USA und Apartheid-Südafrikas gegen die sowjetisch und
kubanisch unterstützte MPLA-Regierung kämpfte. Sie bezweifelt, dass dos
Santos sich wirklich zurückzieht. „Es wäre nicht das erste Mal, dass er
sagt, dass er geht, und dann bleibt“, sagt Unita-Präsident Isaias Samakuva
zur taz. Abgesehen davon: „Dos Santos und Lourenço – für uns ist das ein
und dasselbe.“
Der Unita-Chef rechnet sich bei den diesjährigen Wahlen erstmals seit
Kriegsende reelle Siegeschancen aus. Allein zwischen März und November 2016
seien über zwei Millionen Neumitglieder der Unita beigetreten, sagt
Samakuva: Die Partei habe jetzt 3.154.000 Mitglieder – viel in einem Land
mit rund 25 Millionen Einwohnern, die Hälfte davon Kinder.
Die Menschen „leiden unter der Inkompetenz der Regierung“, sagt der
Oppositionsführer: In der Hauptstadt Luanda haben die meisten Einwohner
kein Wasser, in den Krankenhäusern gibt es keine Medikamente, die Beamten
bekommen nur unregelmäßig Gehälter und manche müssen sogar die Glühbirnen
für ihre Büros selber kaufen, kritisiert Samakuva.
Dabei war Angola jahrelang ein Ölboomland, der Staat häufte
Milliardenreserven an. 2016 aber, nachdem die Ölpreise zurückgingen,
verzeichnete Angola ein Nullwachstum, dieses Jahr werden 1,25 Prozent
erwartet. Samakuva weist aber darauf hin, dass die Ölpreise wieder
anziehen. „Man müsste Anzeichen einer Erholung spüren. Aber die Dinge
werden immer schlechter. Firmen schließen, Menschen werden arbeitslos.“
## Unregelmäßigkeiten bei der Wählerregistrierung
Niemand glaubt ernsthaft, dass die faktische Staatspartei MPLA die Macht
einbüßen könnte. „Alle gehen davon aus, dass die MPLA die Wahlen gewinnen
wird, weil sie den Wahlprozess vollständig im Griff hat“, sagt Angolas
bekanntester unabhängiger Journalist Rafael Marques. Unita-Chef Samakuva
stimmt zu: „Seit Kriegsende 2002 hat es mehrere Wahlen gegeben, und jedes
Mal wurde gefälscht. Heute ist die Lage für die MPLA komplizierter, also
hat sie mehr Gründe zu fälschen.“
Es gebe bereits Unregelmäßigkeiten bei der laufenden Wählerregistrierung:
Oft gebe es keine Zeugen der Oppositionsparteien. Die schlecht
ausgestattete Wahlkommission überlasse die Registrierung der lokalen
Verwaltung, die aus MPLA-Kadern besteht. Samakuva fürchtet nun Gewalt bei
Wahlbetrug. Vor zwei Wochen hetzte die Polizei in Luanda Hunde auf
Demonstranten, Dutzende Menschen wurden verletzt.
Noch brenzliger wird die Lage dadurch, dass die benachbarte Demokratische
Republik Kongo in einer noch angespannteren Vorwahlkrise steckt und in der
an Angola angrenzenden Kasai-Region des Kongo Gewalt zwischen Milizen und
Armee Hunderttausende in die Flucht getrieben hat.
Immer mehr Kongolesen kämen als Diamantenschürfer nach Angola, sagt
Samakuva: „Sollte im Kongo ein Krieg ausbrechen, werden auch die dort
lebenden Angolaner unkontrolliert zurückströmen.“ Bereits im November
kündigte Angolas Regierung in der Grenzprovinz Lunda Norte eine Aufstockung
der Grenzpolizei und eine Volkszählung an.
14 Mar 2017
## AUTOREN
François Misser
## TAGS
Angola
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Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
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