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# taz.de -- Machtwechsel in Angola: Abschied eines Patriarchen
> Nach 38 Jahren an der Macht hat Eduardo dos Santos seinen
> Verteidigungsminister als Nachfolger auserkoren. Aber der muss erst mal
> die Wahl gewinnen.
Bild: Angolas Dauerpräsident Eduardo dos Santos verabschiedet sich
Berlin taz | Wahlen in Angola gelten als Formsache: Die regierende
Angolanische Volksbefreiungsbewegung (MPLA) gewinnt. Aber die Wahlen am
Mittwoch stellen eine kleine Revolution dar. Nach 38 Jahren an der Spitze
von Partei und Staat tritt Präsident Eduardo dos Santos nicht mehr an. In
Angola soll gelingen, was in Afrika selten ist: die friedliche
Machtübertragung in einer als Staatspartei regierenden ehemaligen
Befreiungsbewegung.
MPLA-Spitzenkandidat, und damit im Falle eines Wahlsiegs Staats- und
Regierungschef, ist Exverteidigungsminister Joao Lourenco. Ein seit 1979
regierender Präsident überlässt also 2017 sein Amt einem Vertrauten, der
überdies nur elf Jahre jünger ist. Aber immerhin: Die MPLA hat sich an der
Nachfolgefrage nicht zerfleischt – und der Präsident hat sein Amt nicht
einem seiner Kinder vererbt.
Die Familie dos Santos gehört zu den reichsten Afrikas. Von den
Ölmilliarden, die Angola nach Kriegsende 2002 wohlhabend machten, als der
Frieden mit dem Aufschwung der Ölförderung zusammenfiel, sind einige in den
Taschen des Präsidentenclans hängengeblieben. Sohn Filomeno leitet den
staatlichen Ölfonds, Tochter Isabel die staatliche Ölfirma. Die beiden
bleiben auch, wenn Vater Eduardo, dem Prostatakrebs und ein Hang zur
Schweiz nachgesagt werden, in den Ruhestand geht.
Auch ansonsten ist vorgesorgt: Ein neues Gesetz belässt die Spitzen von
Militär und Geheimdiensten für die nächsten acht Jahre im Amt, außer im
Falle schwerer Dienstvergehen. Dem nächsten Präsidenten sind die Hände
gebunden.
## Heißer Schauplatz des Kalten Krieges
Es gäbe auch keinen Grund für die MPLA, allzu weit aus dos Santos’ Schatten
hervorzutreten. Auf seinem Werk gründet ihre Legitimität. Als Angola 1975
von Portugal unabhängig wurde und 1979 auf den in Moskau verstorbenen
Unabhängigkeitsführer Agostinho Neto der junge dos Santos folgte, war
Angola ein heißer Schauplatz des Kalten Krieges. In der Hauptstadt Luanda
regierte die MPLA, unterstützt von der Sowjetunion und Kuba. Im Hochland
kämpfte die Guerilla Unita (Nationalunion für die Totale Unabhängigkeit
Angolas), unterstützt von Apartheid-Südafrika, Zaire und den USA. Der Krieg
forderte Hunderttausende Tote und endete erst mit dem Tod des Unita-Führers
Jonas Savimbi 2002. Ihren Machtanspruch gründet die MPLA auf ihre
heldenhaften 27 Jahre Krieg, nicht auf die korrupten 12 Jahre Ölboom
seitdem.
Lourenco lobt nun im Wahlkampf gern das „weise“ und „sichere“ Wirken se…
Vorgängers. Die Zukunft aber lässt sich damit nicht bewältigen. Das Ende
des Ölbooms seit 2014 hat die schamlose Bereicherung einer winzigen Elite,
während ein Drittel der 25 Millionen Einwohner in absoluter Armut lebt,
noch krasser hervortreten lassen. Fallende Ölpreise ruinieren die
Staatsfinanzen. Sinkende Dollarzuströme nähren die Inflation, die letztes
Jahr 42 Prozent erreichte und die Verarmung vorantreibt.
Lourenco verspricht nun eine Diversifizierung der Wirtschaft, aber
Investitionen in exportorientierte Landwirtschaft nähren schon jetzt
Konflikte um Landraub. Angolas fruchtbares Landesinnere ist traditionell
oppositionsnah. Der Bürgerkrieg war auch ein Konflikt zwischen der
MPLA-Küstenelite, die nach Brasilien und Kuba blickt, und den
Savannenvölkern in der Unita, die mit ihren Nachbarn in Sambia und Kongo
liiert sind.
## Knappes Rennen vorhergesagt
Die Unita macht sich dennoch Hoffnungen. Bei den Wahlen 2012 schrumpfte die
MPLA von 83 auf 72 Prozent. Diesmal ist in Umfragen von 61 Prozent die
Rede. Brasilianische Meinungsforscher sehen gar ein knappes Rennen voraus:
38 Prozent für die MPLA, 32 für Unita.
Je offener die Wahl wird, desto größer ist allerdings die Gefahr, dass ein
Streit um den Wahlausgang mit der Waffe ausgetragen wird. Die Regierung hat
vorsorglich jeden Protest von Gruppen, die nicht zur Wahl antreten,
verboten – das betrifft zivilgesellschaftliche Organisationen. Angolas
Regime reagiert traditionell unbarmherzig auf Protest. Ein
Exverteidigungsminister als Präsident könnte sich damit als genau die
richtige Wahl für die MPLA erweisen.
23 Aug 2017
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Angola
Präsidentschaftswahl
Eduardo dos Santos
Joao Lourenco
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Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Afrikanische Flüchtende
Angola
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