# taz.de -- Proteste im Kongo: Mit Pfeil und Bogen | |
> Nach der Gewalt in Kinshasa bekämpft die Armee Milizionäre in Kananga. | |
> Die Millionenstadt ist eine Hochburg der Opposition. | |
Bild: Bei dem Gewaltausbruch in Kinshasa kamen zahlreiche Menschen ums Leben | |
Berlin taz | Die kongolesische Hauptstadt Kinshasa ist nach den blutigen | |
Unruhen Anfang letzter Woche wieder ruhig – stattdessen hat die Gewalt | |
Kananga ergriffen, eine Millionenstadt tief in der südkongolesischen | |
Savanne. | |
Die Hauptstadt der Provinz Kasai-Central ist Geburtsort des wichtigsten | |
kongolesischen Oppositionsführers, Etienne Tshisekedi, dessen Protestaufruf | |
für den 19. September zu verbreiteter Gewalt in Kinshasa geführt hatte. | |
Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und einer Miliz in Kananga haben nun | |
nach jüngsten Berichten über 100 Tote gefordert, mehr also als in Kinshasa. | |
Die Milizionäre in Kananga, die kurzzeitig sogar den Flughafen der | |
Provinzhauptstadt besetzten, berufen sich auf den traditionellen Führer | |
Kamwina Nsapu, der unter mysteriösen Umständen im August den Tod gefunden | |
hatte. | |
Nsapu hatte seine Volksgruppe, eine Untergruppe der in Kasai dominanten | |
Luba-Ethnie, zum „Widerstand“ dagegen aufgerufen, dass ein „Konglomerat v… | |
Abenteurern“ an der Spitze des kongolesischen Staates das Land der | |
Einheimischen von Kasai stehle und der Bevölkerung „Salz, Licht, Wasser und | |
Nahrung“ nehme – eine an die lokale Bauernbevölkerung angepasste Version | |
der üblichen Kritik von Kongos Opposition an Korruption und Misswirtschaft. | |
## Kamwina Nsapus Tod | |
Nsapu starb unterschiedlichen Angaben nach am 9. oder 12. August. Einer | |
Version zufolge folgte er einer Einladung zu Gesprächen mit der | |
Provinzregierung in Kananga und wurde dort getötet. Anderen Berichten | |
zufolge starb er, als seine wütenden Anhänger sich in Tshimbulu, der | |
zweitgrößten Stadt der Provinz, Kämpfe mit der Polizei lieferten. | |
Die offizielle Version lautet, Nsapu habe sich der Festnahme widersetzt; | |
eine unabhängige Untersuchung lehnen die Behörden ab. | |
Tshimbulu ist ein strategisch wichtiger Ort, denn dort verläuft die mehrere | |
tausend Kilometer lange Hochspannungsleitung, die Strom aus Kongos | |
Inga-Staudamm nahe Kinshasa in den Süden des Landes zum Weiterexport nach | |
Südafrika liefert, ohne allerdings die Bevölkerung in Kasai selbst mit | |
Strom zu versorgen. Ein lokales Staudammprojekt, seit Jahren immer wieder | |
angekündigt, kommt nicht voran, weil die Straßen zu schlecht sind, um die | |
Baumaterialien anzuliefern. | |
Kongos Regierung kann sich nicht leisten, die Kontrolle in einer Region zu | |
verlieren, die eine Hochburg der Oppositionspartei UDPS (Union für | |
Demokratie und Sozialen Fortschritt) von Etienne Tshisekedi ist. | |
## Machtdemonstration mit Leichen | |
Zwischen dem 8. und 12. August starben nach offiziellen Angaben 19 Menschen | |
bei der „Wiederherstellung der Ordnung“ in Tshimbulu. Die Leichen der | |
Toten, einschließlich die von Nsapu, wurden in die 180 Kilometer entfernte | |
Provinzhauptstadt Kananga geflogen und im Sportstadion der Bevölkerung | |
vorgeführt – eine klare Machtdemonstration des Staates zur Einschüchterung | |
der Menschen. | |
Angeblich wurde Nsapus Leiche kastriert und dann an einem geheimen Ort | |
verscharrt. Seitdem sinnen seine Anhänger auf Rache. | |
Am vergangenen Donnerstag 22. September besetzten junge Kämpfer, zumeist | |
mit Pfeil und Bogen ausgerüstet, den Flughafen von Kananga. Die | |
überrumpelte Armee brauchte bis Freitagabend, um ihn wieder | |
zurückzuerobern. Der Polizeichef der Stadt, Oberst Tshimpanga, wurde von | |
den Milizionären erschossen, eine Flugbegleiterin von Congo Airways in der | |
Abflughalle totgeschlagen. | |
Die Milizenrevolte wurde rabiat beendet. Am Sonntag erklärte | |
Provinzgouverneur Alex Kande, es seien 27 Milizionäre und 16 | |
Sicherheitskräfte getötet worden; man habe 185 Kämpfer verhaftet und sechs | |
Flinten, drei Sturmgewehre und viele „traditionelle Waffen“ sichergestellt. | |
Medienberichten vom Montag zufolge liegt die wahre Zahl der Toten bei | |
mindestens 100. | |
26 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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