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# taz.de -- Mogwai beim Festival „Pop-Kultur“: Ausgestopfte Vögel und Uran…
> Mogwai eröffnet das Berliner Festival „Pop-Kultur“. Das neue Album
> „Atomic“ der schottischen Band beschäftigt sich mit dem
> Nuklearzeitalter.
Bild: Der Herbst steht bevor und Mogwai ist bereits da. Barry Burns steht ganz …
Mogwai sei die erste Band des 21. Jahrhunderts. Das prophezeite einst
Stephen Malkmus, Mastermind der US-Band Pavement. Bis heute arbeitet die
schottische Band Mogwai daran, diese Prophezeiung zu erfüllen. Letzter
Meilenstein: das Album, das aus dem Soundtrack zum Dokumentarfilm „Atomic –
Living in Dread and Promise“ entstand.
Während andere Bands nach 20-jährigem Bestehen ihr musikalisches Erbe
verwalten, haben sich Mogwai in den letzten Jahren zu neuen Höhepunkten
aufgeschwungen. „Atomic“ führt dabei die Ernsthaftigkeit, mit der die Band
ihr musikalisches Projekt verfolgt, und ihren politischen Einsatz, der
sonst eher von der Musik getrennt war, zusammen.
Wie schaffen es Mogwai, noch einmal ein Stück weiterzugehen? Wie immer,
wenn man Genies vor sich zu haben wähnt, führt der Weg auch hier über
Zufälle und Umwege. Er führt von Glasgow nach Japan, hat mit einer etwas
kuriosen Entscheidung der BBC zu tun, mit einem Film über den größten
Fußballer der letzten Jahrzehnte und führt schließlich wieder nach Berlin,
wo Mogwai „Atomic“ der deutschen Öffentlichkeit auf dem heute beginnenden
Pop-Kultur-Festival, das nun im Bezirk Neukölln stattfindet, vorstellt.
Hilfreich ist zudem die Offenheit der Mitglieder von Mogwai, die sich
beispielhaft an Multiinstrumentalist Barry Burns zeigt: Seit John Cummings
die Band Ende letzten Jahres verlassen hat, ist Mogwai durch ihn zu einem
Viertel auch eine Berliner Band. Es gibt die drei, die für das Gerüst
zuständig sind, die klassische Rock-Formation. Stuart Braithwaite spielt
Gitarre und singt gelegentlich, Dominic Aitchison, der Bass spielt, und
Martin Bulloch am Schlagzeug. Und dann eben Burns, der alle anderen
Instrumente spielt – und seit 2009 in der deutschen Hauptstadt wohnt.
Mal bedient er eine zusätzliche Gitarre, steuert Vocals bei oder – zuletzt
seine Hauptaufgabe – Piano und Synthesizer. Die letzten drei Alben,
„Hardcore Will Never Die But You Will“ (2011) und „Rave Tapes“ (2013) s…
das aktuelle Werk „Atomic“, sind, zumindest was Burns Anteil betrifft, auch
im Berliner Proberaum entstanden.
## Game of Thrones gemeinsam glotzen
Daneben führt Burns mit seiner Lebensgefährtin die Kneipe „Das Gift“ in
Neukölln. Die beiden haben eine Altberliner Pinte übernommen, Ecke
Donau-/Weichselstraße. Natürlich betont Burns, dass sie keine weitere
Hipster-Bar hätten machen wollen, sondern einfach nur einen Pub, in dem
schottisches Bier ausgeschenkt wird, jeden Montag ein Quiz stattfindet und
man gemeinsam „Game of Thrones“ schaut. „Das Gift“ ist beliebt, oft lä…
tolle Musik, und es steht, ein Erbe von den Vorbesitzern, mittendrin ein
Baum mit ausgestopften Vögeln, von dem keiner so genau weiß, was er dort
eigentlich soll.
Wichtiger als Burns’ Berlin-Umzug war für die musikalische Entwicklung von
Mogwai die Möglichkeit, sich der Arbeit an Soundtracks zu widmen. Dazu
brauchte es Zinédine Zidane, beziehungsweise die Künstler Douglas Gordon
und Philippe Parreno mit ihrem Dokumentarfilm „Zidane. A 21st Century
Portrait“ (2006), der aus 16 Perspektiven ausschließlich den Starfußballer
während eines Spiels zeigt. Im gleichen Jahr erarbeiteten sie den
Soundtrack zu „The Fountain“ von Darren Aronofsky. Damit erschloss sich den
Schotten ein neues Feld. Vor allem mit dem Soundtrack zum Zidane-Film
erarbeiteten sich Mogwai den Ruf, ansprechende Musik zu ungewöhnlichen
Bildern zu machen.
Der nächste Schritt war der Soundtrack zur französischen TV-Serie „Les
Revenants“ (2012), die von Zombies in einer kleinen Bergstadt handelt. Dann
kam die Anfrage von der BBC: Ob Mogwai sich vorstellen könnten, den
Soundtrack zu einer Dokumentation über das Nuklearzeitalter zu machen,
anlässlich des 70. Jahrestags der Bombardierung Hiroshimas. Zu diesem
Zeitpunkt gab es noch nicht mal einen Regisseur. Die Band willigte trotzdem
ein und komponierte die Musik zum Film „Atomic – Living in Dread and
Promise“.
## Zwänge als Motivation
Es ist eigentlich wie immer bei Mogwai: Meist instrumental, meist über die
gängige 3-Minuten-Länge hinausgehend, schrammeln verzerrte Gitarren, nehmen
Geschwindigkeit und Lautstärke auf, klingen wieder ab, werden leiser,
verfolgen Melodien in verschiedene Richtungen. Wenn es Texte gibt, dann
sind sie nebensächlich. Aber es scheint, als hätte der Zwang, teilweise
Einflüssen von außen gehorchen zu müssen, die Band noch einmal motiviert.
Früher lasen sich die Namen der Tracks wie die Fortsetzung von
Probenraumwitzen: „Rano Pano“, „The Sun Smells Too Loud“ oder „Glasgow
Mega-Snake“. Auf „Atomic“ verdichtet sich in den Titeln die Musik: Auch
wenn man nicht weiß, was genau ein Uran-Isotop ist, bekommt man mit
„U-235“, einem Track auf „Atomic“, zumindest eine ungefähre Idee.
Zuletzt ist „Atomic“ auch die Folge persönlicher Eindrücke der
Bandmitglieder. Nach einem Auftritt in Japan besuchten sie den Hiroshima
Peace Park. Die Dokumentation der Folgen des Atombombenabwurfs auf die
japanische Stadt hat die Musiker tief beeindruckt. Auch weil die britische
Regierung nahe Glasgow, wo die Band herkommt, nukleare Waffen lagert. Der
Konflikt um die Nutzung dieser Waffen und ihre Gefahr war ihnen also sehr
bewusst. Auch wenn Mogwai durchaus für politisches Engagement, etwa für die
schottische Unabhängigkeitsbewegung, bekannt sind, haben sie Musik und
Politik noch nie auf diese Weise zusammengeführt.
Da wird das Konzert fast zum Staatsbesuch: Kurz nachdem Barack Obama dieses
Jahr als erster amtierender US-Präsident die Gedenkstätte besuchte,
spielten Mogwai „Atomic“ live in Hiroshima. Nun sind sie damit in Berlin zu
hören.
30 Aug 2016
## AUTOREN
Elias Kreuzmair
## TAGS
Mogwai
Neukölln
Festival "Pop-Kultur"
Mogwai
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Festival "Pop-Kultur"
Popfestival
elektronische Musik
Julia Holter
Wien
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