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# taz.de -- Ökonom über Degrowth-Konferenz: „Wachstum wird immer schwierige…
> 32-Stunden-Woche, Mindest- und Maximallohn fordern Teilnehmer der
> Degrowth-Konferenz. Das ist nicht utopisch, sagt der Ökonom Giorgos
> Kallis.
Bild: Auch ein bisschen Degrowth
taz: Herr Kallis, Sie glauben an einen globalen Systemwandel. Was macht Sie
so sicher?
Giorgos Kallis: Wir betreten eine Ära, in der Wirtschaftswachstum immer
schwieriger wird. Das beobachten nicht nur Degrowth-Forscher. Auch Stars
der Szene wie der französische Ökonom Thomas Piketty erwartet in den
nächsten hundert Jahren kaum noch Wachstum. Gleichzeitig wissen wir, dass
wir das Klima irreversibel schädigen. Und dass wir bald die Folgen davon
spüren werden. Die Frage ist: Welche Richtung nehmen wir ein? Momentan
dominiert die Auffassung, dass wir das Wirtschaftswachstum um jeden Preis
retten sollten. Durch Austerität, das Kürzen von Sozialleistungen und durch
das Herausquetschen des letzten Rests. Die Degrowth-Gemeinschaft will
lieber etwas Neues schaffen.
Haben die Wissenschaftler*innen der Konferenz irgendeine konkrete Lösung
für die Probleme außerhalb dieser Universität?
Wir sind Menschen, die motiviert sind, etwas anderes zu schaffen. Einige
von den hier Anwesenden antworten aktivistisch auf die Krisen – und
besetzen ein Kohlekraftwerk. Aber wir sind nicht genug Leute, um die Krisen
zu bewältigen. Es gibt immer noch mehr etablierte Ökonomen mit großem
Einfluss als Wachstumsgegner. Es gibt zwar einige Ökonomen auf dieser
Konferenz, aber davon arbeiten nur wenige in wirtschaftswissenschaftlichen
Instituten. Immerhin haben wir die Kritik am Wachstum, die nach den 70er
Jahren abgeklungen war, wiederbelebt.
Kann die Politik helfen? Lässt sich Degrowth in ein Parteiprogramm pressen?
Ja. Wir haben [1][zehn politische Vorschläge] für die neue Linke
formuliert. Zum Beispiel eine Reduzierung der Arbeitszeit auf eine
32-Stunden-Woche, die Einführung eines Mindest- sowie eines Maximallohns
und ein Ende der Subventionen für umweltschädliche Aktivitäten. Allerdings:
Es ist nicht unsere Aufgabe, den Politikern ihre Programme zu schreiben.
Die Partei, die die Kommunalwahlen in Barcelona gewonnen hat, erwähnte in
ihrem Programm das Wort „Wachstum“ nicht und vertritt auch sonst sehr viele
Degrowth-Ansichten. Diese kamen aber nicht von uns, sondern durch die
Beteiligung der Bevölkerung. Wir bevorzugen eine Vorgehensweise, die die
Menschen selbst und ihre Bedürfnisse berücksichtigt. Wir müssen uns ja auch
bewusst machen, dass andere Ideen aus anderen Teilen der Erde kommen
werden.
Und Menschen. Was sagt die Degrowth-Gemeinschaft zu Migration?
Es ist eine alte Idee der Umweltschützer, dass die reichen Nationen zum
Teil so reich geworden sind, weil sie die natürlichen Ressourcen anderer
Länder geplündert haben. Wir haben ökologische Schulden. Die Frage, wie
diese sich zurückzahlen lassen, müssen wir diskutieren. Dass Europa gerade
seine Grenzen schließt und hier fast unbehelligt vom Klimawandel seinen
Wohlstand für sich behalten will, ist definitiv keine Art, die Schulden zu
begleichen.
Glauben Sie, dass Sie den Wandel noch erleben werden?
Wenn ich optimistisch sein will, ja. Wenn ich realistisch bin, nein.
Zumindest rechne ich nicht mit einem harten Wandel, wie ihn die Ungarn vom
kommunistischen zum kapitalistischen Regime erlebt haben. Umso besser. Aber
es gibt ja Änderungen, die man erst im Nachhinein bemerkt.
2 Sep 2016
## LINKS
[1] http://www.degrowth.org/yes-we-can-prosper-without-growth
## AUTOREN
Leonie Sontheimer
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