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# taz.de -- Verbot von invasiven Tierarten: Die Angst vor dem Marmorkrebs
> Die EU möchte mit einer Liste den Handel und die Haltung von 37 Tierarten
> verbieten, die heimische Arten verdrängen. Das sorgt für Kritik.
Bild: Der Marmorkrebs fühlt sich in Europa zu sehr heimisch, nun soll es für …
Berlin taz | In Italien ist das Grauhörnchen schon zu Hause. Es ist aus
Amerika eingewandert und verdrängt die heimischen Eichhörnchen.
Es ist ein Beispiel für eine invasive Art, die heimischen Tieren
oder Pflanzen den Lebensraum streitig macht und so die
Biodiversität schmälert. In Deutschland ist das Grauhörnchen noch
nicht beheimatet, und das soll auch so bleiben.
Darum steht es auf einer „schwarzen Liste“ der EU-Kommission, die am
gestrigen Mittwoch in Kraft getreten ist. Demnach ist es künftig
verboten, die 37 Tier- und Pflanzenarten darauf einzuführen, zu
handeln oder zu halten. Mit der Liste hat die EU-Kommission erstmals
für alle Mitgliedsstaaten eine rechtsverbindliche
Handlungsgrundlage geschaffen – auch wenn es in einigen Ländern,
so auch in Deutschland, schon nationale Regelungen gab.
Auf der Liste stehen neben dem Grauhörnchen auch die gelbe Scheincalla
und der Marmorkrebs, die sich beide schon in Deutschland heimisch
fühlen. Die Liste wird künftig laufend ergänzt. Etwa 12.000
gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten gibt es in Europa, etwa zehn
Prozent davon sind invasiv, das heißt, sie verdrängen heimische
Lebewesen. In Deutschland treten 24 der 37 gelisteten Arten in der
Natur auf.
Die Reaktionen auf die Brüsseler Liste könnten unterschiedlicher
nicht sein – den einen ist sie zu kurz, den anderen zu lang. Das
Bundesumweltministerium verweist auf die eigenen
Bestimmungen, mit denen schon bisher invasive Tierarten
eingedämmt werden konnten. „Jetzt müssen noch zusätzliche
Maßnahmen ergriffen werden“, so ein Ministeriumssprecher. „Die
aktuelle Unionsliste enthält auch verbreitete Arten wie Waschbär
oder Nutria“. Das berge die Gefahr, dass ohnehin knappe Mittel und
Ressourcen gebunden werden, ohne dass sich für den Naturschutz
spürbare Erfolge erzielen ließen. Ein so weit verbreitetes Tier
wie der Waschbär ließe sich nicht mehr ausrotten. „Um einen möglichst
effizienten Einsatz der verfügbaren Ressourcen zu
gewährleisten, muss der Schwerpunkt jedoch auf der Bekämpfung neu
auftretender invasiver Tier- und Pflanzenarten liegen“, fordert
der Sprecher.
Ganz anders sieht das Till Hopf, Naturschutzexperte des
Naturschutzbund Deutschland (NABU). Er begrüßt die Liste
prinzipiell, doch hält er sie für nicht umfassend genug.
„Beispielsweise ist die Riesenbärenklaue nicht angeführt“, so
Hopf, „trotzdem sie die menschliche Gesundheit gefährdet“. Je mehr
invasive Tiere und Pflanzen auf der Liste stünden, desto mehr Mittel
gebe es, sie zu bekämpfen. „Das ist auch eine Frage der Finanzierung“,
erklärt Hopf.
Mehr Geld fordert in diesem Zusammenhang James Brückner vom
Deutschen Tierschutzbund. Der Artenschutzreferent verweist
darauf, schon jetzt seien die Auffang-Stellen etwa für Waschbären
überfüllt. Alle Maßnahmen gegen die invasiven Arten müssten zudem
mit dem Tierschutz vereinbar sein.
Heinz Klöser, Experte für invasive Arten im Bundesarbeitskreis
Naturschutz der Umweltschutzorganisation BUND, fordert
hingegen eine „größere Gelassenheit“ gegenüber den invasiven
Arten. Auch heimische Tiere und Pflanzen würden sich stärker
ausbreiten, als andere, etwa der lästige, aber durchaus leckere
Giersch, der Pflanzen in seiner Nähe überwuchtert. Außerdem würde die
Erderwärmung die Lebensräume sowieso grundlegend verändern.
„Mit dem Klimawandel werden wir andere Arten aufnehmen müssen“, so
Klöser.
4 Aug 2016
## AUTOREN
Jonas Achorner
## TAGS
Europäische Kommission
Tierschutz
invasive Arten
Schwerpunkt Artenschutz
Biodiversität
Kulturkampf
Integration
Tiere
EU-Parlament
Artenvielfalt
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