# taz.de -- Bedrohung für einheimische Tiere: Zutrittsverbot für Grauhörnchen | |
> Die EU-Kommission arbeitet an einer Schwarzen Liste für invasive Spezies. | |
> Derzeit gibt es mehr als 12.000 eingewanderte oder eingeschleppte Arten. | |
Bild: Putzig ist es – aber leider bedroht: Das europäische Eichhörnchen. | |
BERLIN taz | Es ist fast genauso putzig wie das Eichhörnchen, auch wenn ihm | |
die Pinsel an den Ohren fehlen, es schwarzgrau statt rotbraun und mit einer | |
Rumpflänge von 30 und einer Schwanzlänge von 20 Zentimetern ein gutes Stück | |
größer ist. Aber das aus Nordamerika stammende Grauhörnchen ist hierzulande | |
bei Weitem nicht so gut gelitten wie sein europäischer Cousin. | |
Künftig dürfte es sogar auf der Liste von 50 als gefährlich eingestuften | |
gebietsfremden Arten erscheinen, die die EU-Kommission in den nächsten | |
Monaten erstellen will. Die dort aufgeführten Pflanzen und Tiere sollen | |
dann nicht mehr in die EU eingeführt werden dürfen, auch der Erwerb und | |
Verkauf sowie ihre Freisetzung sollen verboten werden. | |
Die Liste ist der erste Schritt zur europaweit gemeinsamen Lösung eines | |
Problems, das den Einzelstaaten in den letzten Jahren steigende Kosten | |
beschert hat. Die invasiven Arten verdrängen nicht nur einheimische Arten | |
und verringern so letztlich die Artenvielfalt, einige – wie die Reblaus | |
oder der japanische Staudenknöterich, der Gebäude beschädigt – verursachen | |
auch direkte wirtschaftliche Verluste. Die Kommission beziffert die Schäden | |
auf mindestens 12 Milliarden Euro im Jahr. | |
Aktuell gibt es in Europa mehr als 12.000 Spezies, die eingewandert sind | |
oder eingeschleppt wurden und mit heimischen Arten in Konflikt kommen. Die | |
Zahl steigt rasant, weil natürliche Schranken wie Meere oder Wüsten durch | |
die Globalisierung weggefallen sind. | |
## Das Grauhörnchen schlägt die Konkurrenz | |
Das Grauhörnchen etwa hat sich in Norditalien bereits rasant verbreitet, | |
wie Forscher der Universität Turin festgestellt haben. In der Region | |
Piemont hat es die Eichhörnchen so gut wie verdrängt. „Das Grauhörnchen ist | |
größer und robuster und somit konkurrenzstärker“, sagt Artenschutzexperte | |
Volker Homes vom Umweltverband WWF. Sein schlagkräftigster Vorteil sei | |
jedoch eine Art Eichhörnchen-Pocken, deren Virus der ortsfremde Nager in | |
sich trägt. Stecken sich Eichhörnchen damit an, sterben sie innerhalb von | |
zwei Wochen, Grauhörnchen sind dagegen immun. | |
Die Einreise nach Italien ist nach Angaben der Turiner Forscher konkret | |
nachvollziehbar. Ende der 1940er Jahre kam ein US-Diplomat auf die Idee, | |
zwei Paare der amerikanischen Exemplare im Park seiner Turiner Villa | |
auszusetzen. Es folgten zahlreiche Nachahmer. | |
Italiens Regierung sah dem Treiben lange tatenlos zu. Im Jahr 2008 leitete | |
der Europarat ein Verfahren gegen das Land ein, da es mit dem Nichtstun | |
gegen die Berner Konvention zum Erhalt der Tierarten verstieß. Die | |
Brüsseler Kommission stellte knapp 2 Millionen Euro zur Verfügung, um | |
Grauhörnchen sterilisieren oder mit Kohlendioxid einschläfern zu lassen. | |
## Ein Banker ist schuld | |
Artenschutzexperte Homes sieht das skeptisch. „Das Problem ist aber von | |
Menschen gemacht, weswegen ich eine Ethikdebatte über das Ausrotten | |
befürworten würde“, so Homes. Italienische Umweltorganisationen fordern | |
Aufklärungskampagnen, um Bürger über die Folgen der grauen Nagetiere in | |
freier Wildbahn zu informieren. | |
Wohin eine unkontrollierte Vermehrung führt, zeigt sich in Großbritannien. | |
Dort gibt es nur noch knapp 140.000 Eichhörnchen und 5 Millionen | |
Grauhörnchen. Schuld daran ist ein Banker, der Ende des 19. Jahrhunderts | |
zwei Exemplare mit nach Westengland brachte. Die Regierung erließ noch vor | |
dem Zweiten Weltkrieg ein Importverbot. Vergeblich. Kaum ein Kind auf der | |
Insel weiß heute, dass Eichhörnchen eigentlich ein rotes Fell haben. | |
8 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Marcus Goossens | |
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