Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Tierarten in Europa: Der Hummer muss weg
> Krasse Invasion: Wie der amerikanische Hummer Europa bevölkert,
> Krankheiten verbreitet – und seine Verwandten ermordet.
Bild: Auf frischer Tat ertappt: Eine Frau schmeißt einen Hummer ins Meer, ange…
BERLIN taz Es war das Jahr 1983 in Westdeutschland, da entflohen jene zwölf
formschönen, rosafarbenen [1][Chileflamingos ihrer einstigen Heimat und
feierten im Zwillbrocker Venn], einem Wald-, Moor- und Feuchtwiesengebiet
in Nordrhein-Westfalen, einen echten Bruterfolg. Es schlüpften: Zwei junge
Flamingos, und später, weil sie blieben, schlüpften immer mehr.
Seitdem gehören die Chileflamingos zu Deutschland. Niedliche Tiere, zum
Träumen schön, ein voller Integrationserfolg. Und dann das [2][Drüsige
Springkraut]! Einst kam es, 1839, als Import aus dem Himalaja, nun ist es
die Freude vieler Gärtner in ganz Europa: quirlständig, eilanzettlich,
scharf gezähnt.
Die Geschichtsschreibung botanischer und animaler Ansiedlungen könnte so
betulich weitererzählt werden, wären da nicht die Schweden, die
EU-Kommission und der amerikanische Hummer, der seine Grenzen nicht kennt.
Aber weil das so ist, hat nun in Schweden ein Kulturkampf um den Hummer
seinen Ausgang genommen, der sich wie das Umweltprogramm der AfD liest.
Es geht um die Invasion des [3][amerikanischen Hummers], um dessen
ungezügelte Vermehrung und die Krankheiten, die er einschleppt. Und
natürlich geht es vor allem: um den Schutz des [4][europäischen Hummers].
Die Einsicht: Wo ein Tier erscheint, das vorher noch nicht da war, folgen
schnell Verdrängung, Konkurrenz und Tod.
## Überlebenskampf
Denn die schwedische Regierung, so berichtet der britische [5][Guardian],
hat an den Küsten des Landes in den letzten Jahren ganze 30 amerikanische
Hummer gezählt, die eigentlich rund um Maine an der amerikanischen Ostküste
beheimatet sein sollten. Und wie das mit Meeren so ist: Nun weiß niemand,
ob am Meeresgrund schon eine Armada amerikanischer Lobster begonnen hat,
die europäischen Artgenossen zu bekämpfen und auch zu verdrängen. Diese
sind schließlich kleiner und im Überlebenskampf womöglich unterlegen - und
wie das mit Europäern so ist: Wenn es drauf ankommt, verkriechen sie sich
in ihren Höhlen.
Um nun also, denn dazu gibt es ja dieses Europa, die Frage ein für alle Mal
zu klären, hat die schwedische Regierung am Freitag vergangener Woche die
EU-Kommission gebeten, den Fremdhummer als invasive Tierart zu brandmarken
und den Import lebendiger Amerika-Hummer in die EU zu verbieten. Der Hummer
muss weg.
Denn hinter den vereinzelten Funden der nicht besonders
verbreitungsfreudigen Tiere vermuten die Schweden Methode: Schlepper quasi,
die die lebendigen Hummer aus den USA mitbringen, um sie in Europas
Gewässern anzusiedeln. In Einzelfällen, heißt es aus Schwedens
Umweltministerium, seien schon Hummer gefunden worden, die die
Plastikbändchen amerikanischer Exportfirmen getragen hätten. Wollen
imperialistische Hummerprofiteure so heimlich den europäischen Meeresboden
durchsetzen? Das klingt nach Krieg.
Diese Unterstellung und das schwedische Ansinnen macht wiederum die
US-Hummerexporteure nervös. Sie könnte ein europäisches Importverbot
lebendiger Lobster teuer zu stehen kommen. Weil Gourmets rund um die Welt
den Hummer [6][lieber frisch verzehren], wird die Delikatesse – einstmals
Essen der Armen – gemeinhin nur lebendig transportiert. Und so laufen sich
in den USA bereits die ersten Anwälte und Wissenschaftler warm, um zu
beweisen: dass der amerikanische Hummer keine Krankheiten verbreitet. Und
dass 30 noch keine echte Invasion bedeutet. Aber darüber lässt sich ja
streiten, also: Das kennen wir doch schon aus Sachsen.
10 Apr 2016
## LINKS
[1] http://www.bszwillbrock.de/biologische-station/tiere-und-pflanzen/flamingos/
[2] http://floraweb.de/webkarten/karte.html?taxnr=3063
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Amerikanischer_Hummer
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Hummer
[5] http://www.theguardian.com/environment/2016/mar/18/invasion-of-the-american…
[6] http://www.chefkoch.de/rs/s0/hummer/Rezepte.html
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Kulturkampf
Schweden
USA
Invasion
Europäische Kommission
Schwerpunkt AfD
Reiseland Großbritannien
Schwerpunkt Klimawandel
Lifestyle
Tierhaltung
Greenpeace
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verbot von invasiven Tierarten: Die Angst vor dem Marmorkrebs
Die EU möchte mit einer Liste den Handel und die Haltung von 37 Tierarten
verbieten, die heimische Arten verdrängen. Das sorgt für Kritik.
Rechte Fraktion im Europaparlament: Gauland offen für den Front National
Der Vize der AfD, Alexander Gauland, ist nun für eine Zusammenarbeit mit
den französischen Rechten unter Marine Le Pen. Jüngst verließ Beatrix von
Storch die EKR.
Charity Walks auf Jersey: Wandern für den guten Zweck
Jerseys größte Charity-Veranstaltung jährt sich zum 26. Mal. Fast die ganze
Insel läuft mit. Das führt zu gravierenden Fehleinschätzungen.
Klimawandel in den Weltmeeren: Die Quelle des Lebens ist sauer
Was der Klimawandel unter Wasser anrichtet, ist nicht sofort sichtbar.
Dabei ist es einer der wichtigsten Faktoren für die Zukunft der Menschheit.
Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Global, lokal, teuer und gut
Die Nachhaltigkeit ist im Luxustourismus angekommen. Mit Geld in der Kasse
ist es auch viel leichter ökologisch sinnvolle Projekte umzusetzen.
Käfigeier und Stopfleber: Aldi Süd verspricht mehr Tierschutz
Der Discounter gibt sich neue Standards und verzichtet auf einige
Qualprodukte. Das findet Zustimmung, doch Kritiker fordern mehr.
Greenpeace-Ratgeber für Fischesser: Makrele, Aal und Rotbarsch sind tabu
Mit Farben zeigt Greenpeace, welcher Fisch nicht in den Einkaufskorb
sollte. Auf Rot markierte sollte verzichtet werden. Der Fischindustrie
passt das nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.