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# taz.de -- Die Nacht in München: Real ist die Panik
> Gerüchte, Unsicherheit und Angst: Was sich als die Tat eines Einzelnen
> herauszustellen scheint, hat in der Nacht zu dramatischen Szenen geführt.
Bild: Die Rettungskräfte in München hatten eine lange Nacht
München taz | In München ist es still, aber leer sind die Straßen nicht.
Die Menschen stehen in Gruppen, Gesichter gen Smartphone-Bildschirm
gewandt, Gespräche im Flüsterton. Hubschrauber kreisen über der Stadt, im
Stachusbrunnen spiegelt sich das Blaulicht, alle paar Meter steht eine
Gruppe von Polizisten mit Waffen im Arm. Im Hugendubel blättert eine Gruppe
Jugendlicher in Romanen, dabei ist es schon lange nach Ladenschluss. Die
Türen zu den Geschäften sind abgesperrt, in fast allen stehen Menschen
unschlüssig herum und blicken nach draußen.
Hat es hier einen Anschlag gegeben oder nicht? Zum aktuellen Zeitpunkt weiß
man es nicht. Er habe Schüsse gehört, versichert ein Mann an der Tür zum
Obletter. „Es gibt Tote“, weiß ein anderer, der hinter ihm steht. Es ist
Freitagabend, kurz nach neun in München und wenn man den sozialen Medien
glaubt, dann ist vor drei Stunden der Terror ausgebrochen.
„Plötzlich haben die Menschen angefangen zu rennen“, sagt ein Mann mit
Glatze und Ringen unter den Augen, der in einem Laden am Stachus arbeitet.
„Sie haben sich in den Geschäften versteckt und wir haben abgesperrt. Mehr
weiß ich nicht, immer noch nicht.“ Die Leute sollten jetzt erst einmal
hierbleiben, sagt er, bis keine Gefahr mehr sei. Weg kommt man ja sowieso
nicht: Ohne Öffentliche und ohne Taxis, die aus Sicherheitsgründen keine
Passagiere mehr mitnehmen.
Was ist passiert und was ist nicht passiert? In München sind so viele
Informationen im Umlauf, dass irgendetwas sicher zu wissen unmöglich
geworden ist. Zweihundert Meter hinter einer Polizeiabsperrung, die einen
unsicheren Bereich abriegeln soll, stehen Polizisten und erklären den
Bereich für sicher. Sie wissen nichts von dem abriegelnden Kollegen und der
weiß nichts von ihnen. Zwanzig Meter hinter der Absperrung schießt eine
italienische Touristengruppe Erinnerungsfotos vor dem Rathaus.
## Schreien und Rennen
Am Münchner Hauptbahnhof hat sich 30-jährige Münchnerin Annabelle gerade
ein Hostelzimmer gemietet. „Ich komme ja sowieso nicht mehr heim“, sagt
sie. Um sie herum sitzen etwa sechzig Hostelgäste bei ihrem Bier, der
Geräuschpegel ist hoch, der Barkeeper überfordert. So voll war das Hostel
noch nie. Als die Nachricht kam, in der Innenstadt würde geschossen, war
Annabelle gerade mit zwei Freunden am Hauptbahnhof, auf dem Weg zu einem
Konzert.
„Plötzlich haben Menschen das Schreien und Rennen angefangen“, sagt sie.
„Wir haben uns angeschaut, eine Sekunde – und dann sind wir auch
losgerannt.“ Eine Massenpanik, wie es sie an vielen Orten in München gab.
„Ich dachte, jede Sekunde schießt mir jemand in den Rücken“, sagt
Annabelle.
Inzwischen weiß sie, dass es keinen Angriff am Münchner Hauptbahnhof
gegeben hat. In den nächsten Stunden werden sich auch all die anderen
Gerüchte als falsch herausstellen, von den drei Tätern, von den Schüssen in
der Innenstadt, von dem Attentat auf dem Tollwood. Nur die Schüsse vor dem
Einkaufszentrum hat es wirklich gegeben. Aber noch ist nichts sicher, die
Tür zum Hostel, in das Annabelle sich mit dutzenden anderen geflüchtet hat,
ist immer noch verschlossen, nur Gäste erhalten Zutritt. „Raus gehe ich
sicher nicht mehr“, sagt Annabelle, „Gerade kam die Nachricht, man müsse
draußen immer in Bewegung bleiben, damit man nicht so einfach zu treffen
ist. Da laufe ich doch jetzt nicht durch München.“
Die Entwarnung kommt erst gegen ein Uhr nachts. Ab vier Uhr fahren die
U-Bahnen wieder, die Gerüchte verstummen langsam. Der Angreifer, das
erfahren die Münchner am Morgen drauf, war ein Einzeltäter. Verbindungen
zum IS scheint es nicht zu geben. Genauso wenig wie die Schüsse, die die
Menschen gehört haben. Nur die Panik, die war real.
23 Jul 2016
## AUTOREN
Laura Meschede
## TAGS
München
Angst
Massenpanik
Schwerpunkt Rassismus
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German Angst
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