# taz.de -- Oberlehrer & Unterrichter: Sozialhilfe statt Strandurlaub | |
> In Schleswig-Holstein und Hamburg sind in den Ferien viele Lehrer | |
> arbeitslos, weil ihre befristeten Verträge auslaufen | |
Bild: Wer in den Ferien kein Geld kriegt, sehnt sich so richtig nach dem Unterr… | |
KIEL / HAMBURG taz | Die einen fahren in den Urlaub, die anderen pilgern | |
zum Arbeitsamt: Befristete Verträge von Lehrkräften enden oft zu Beginn der | |
Schulferien. Bundesweit waren im vergangenen Sommer 7.000 PädagogInnen in | |
den Ferien arbeitslos, heißt es in einer Statistik der Bundesagentur für | |
Arbeit – Tendenz seit Jahren steigend. Anfragen der Opposition in Hamburg | |
und Schleswig-Holstein zeigten auch für die laufende Ferienzeit zahlreiche | |
auslaufende Verträge. | |
Dabei betonen die Regierungsstellen – das Bildungsministerium in Kiel und | |
die Schulbehörde in der Hansestadt –, dass grundsätzlich unbefristete | |
Verträge geschlossen werden. | |
„Unsozial und verantwortungslos“ nennt Sabine Boeddinghaus, | |
schulpolitische Sprecherin der Linken im Hamburger Senat, die | |
Einstellungspolitik der Stadt. Anita Klahn, FDP-Abgeordnete im Kieler | |
Landtag, kritisiert die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Britta | |
Ernst (SPD) – die habe versprochen, das „Hire and Fire“ abzuschaffen, tue | |
aber das Gegenteil. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht | |
ein anderes Problem hinter der steigenden Zahl von Kettenverträgen: „ Der | |
Lehrkräftemangel hat den Norden erreicht“, sagt der schleswig-holsteinische | |
Landesgeschäftsführer Bernd Schauer. | |
Wie Fieberkurven sehen die Statistiken der Arbeitsagentur für Lehrkräfte | |
aus: Jeder Zacken nach oben geht mit Schulferien einher. In | |
Baden-Württemberg und Hessen fallen die Unterschiede besonders deutlich | |
aus, in den ostdeutschen Flächenländern dagegen vergleichsweise gering. In | |
Hamburg sei das „Phänomen eindeutig erkennbar“, heißt es in der Statistik | |
der Bundesagentur, die Anfang des Jahres veröffentlich wurde. | |
Schleswig-Holstein stand dagegen unter den westlichen Flächenländern auf | |
einem guten Platz, hier gab es 2015 im Vergleich zum Vorjahr sogar weniger | |
Ferien-Entlassungen. 2016 hat sich das wieder gedreht: 1.951 Verträge | |
endeten mit Ferienbeginn, heißt es in der Antwort der Landesregierung. Für | |
Hamburg nannte die Schulbehörde die Zahl 1.362. Die „sommerliche | |
Existenzbedrohung“ sei damit um über 40 Prozent gestiegen, kritisiert | |
Boeddinghaus. | |
Die Schulbehörde kontert: Da im Sommer keine Arbeit geleistet werde, sei | |
eine Verlängerung der Zeitverträge über die Ferien ein bezahlter | |
Zusatzurlaub – ein falsches Argument, finden die Kritiker. Denn jenseits | |
der individuellen Unsicherheit für die Lehrkräfte, ob sie nach den Ferien | |
erneut angestellt werden, geht es um eingesparte Gehälter und | |
Sozialabgaben. Die trägt die Arbeitsagentur – also die Allgemeinheit –, | |
wenn sich Lehrkräfte im Sommer arbeitslos melden, erklärt Ansgar Klinger | |
vom GEW-Hauptvorstand. Nach Protesten und Landtagsdebatten hatte sich die | |
Kieler Landesregierung das Ziel gesetzt, die Befristungen zu reduzieren. | |
Tatsächlich ist ihre Zahl gestiegen. Aktuell arbeiten 2.300 Lehrkräfte in | |
Schleswig-Holstein und rund 5.000 in Hamburg mit Zeitverträgen. Die | |
Schulbehörde verweist auf den erhöhten Bedarf für Flüchtlingskinder und | |
zahlreiche Fälle von Mutterschutz und Elternzeit, für die Vertretungen | |
nötig sind. Bernd Schauer nennt einen weiteren Grund: „Es fällt immer | |
schwerer, Lehrkräfte mit dem zweiten Staatsexamen zu finden“, sagt Schauer. | |
Doch das ist Voraussetzung für einen Dauerjob. | |
4 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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