# taz.de -- Geschichte illegaler Räumungen in Berlin: Hausfriedensbruch aufs S… | |
> Die Teilräumung in der Rigaer Straße war nicht die erste ihrer Art. In | |
> Berlin gab es immer wieder illegale Räumungen mit Hilfe der Polizei. | |
Bild: Die Räumung der Sitzblockade vor der Yorckstraße 59 im Juni 2005 | |
Berlin taz | Besetzte Häuser, aber auch legalisierte Hausprojekte werden | |
von konservativen Politikern gern als rechtsfreie Räume bezeichnet. Eine | |
Einstufung die sich die Berliner Polizei und die jeweiligen Innensenatoren | |
schon mehrfach zu eigen gemacht haben. Denn das Urteil des Landgerichts | |
Berlin, dass am Mittwoch [1][die Teilräumung des Hausprojektes Rigaer 94 | |
als rechtswidrig bezeichnet hat], ist keinesfalls das erste seine Art. | |
Im Juni 1995 hatte ein privater Bautrupp die Bewohner des besetzten Haus | |
Linienstraße 158 in Berlin-Mitte geräumt – wie jetzt auch in der Rigaer | |
Straße – ohne gerichtlichen Räumungstitel. Die Polizei hatte sie dabei | |
unterstützt mit dem Argument, es sei niemand in dem Haus offiziell | |
gemeldet, deshalb könne es auch gar nicht besetzt sein. Schon einen Tag | |
später [2][erklärte das Amtsgericht Berlin die Räumung für illegal]. Unter | |
Androhung eines Ordnungsgeldes von 500.000 D-Mark wurden die Eigentümer | |
nicht nur verpflichtet, die Bewohner wieder ins Haus zu lassen, sie sollten | |
sogar den ursprünglichen Zustand wieder herstellen. | |
Die Polizei wurde aus diesem Fehler allerdings nicht klug. Im Juli 1997 | |
schritt sie zur Räumung des Hauses Rigaer Straße 80 in Friedrichshain. Das | |
sei zum Schutz privater Rechte geschehen, argumentierte die Verwaltung des | |
damaligen Innensenators Jörg Schönbohm (CDU). | |
Der war schon lange nicht mehr im Amt als im Jahr 2003 auch dieser | |
Polizeieinsatz für rechtswidrig erklärt wurde. Einer der geräumten | |
Ex-Besetzer hatte lange Atem bewiesen und schließlich Recht bekommen. „Der | |
Kläger kann sich auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung | |
berufen, obwohl er die von ihm genutzten Räume unbefugt nutzte“, [3][heißt | |
es in der Urteilsbegründung]. | |
## Kurzes politisches Gedächtnis | |
Schadensersatz oder ein Rückkehrrecht bekam der Geräumte zwar nicht. Aber | |
das Urteil hatte politische Konsequenzen. Der damals amtierende | |
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, es sei glasklar, dass die | |
Verwaltung künftig bei ähnlich gelagerten Fällen [4][die Vorgaben des | |
Gerichtes berücksichtigen werde]. | |
Die Erinnerung daran verblasste allerdings schnell. Im Juni 2005 wurde das | |
Hausprojekt Yorckstraße 59 in Kreuzberg geräumt. Das Haus war nie besetzt | |
gewesen, linke Initiativen und BewohnerInnen hatten sich zu einem Verein | |
zusammengeschlossen und das Objekt gemietet. Der Eigentümer hatte eine | |
Mieterhöhung verlangt und als die Nutzer diese verweigerten, erfolgreich | |
auf Herausgabe des Hauses geklagt. Ein Gerichtsvollzieher setzte das dann | |
mit Hilfe von 500 Polizisten durch. | |
Doch trotz des Räumungstitels kam der Polizeieinsatz immer noch zu früh, | |
wie sich drei Jahre später herausstellte. [5][Da urteilte das | |
Kammergericht], dass die Unterstützer, die gegen die Räumung protestiert | |
hatten, anders als die Polizei meinte, keinen Hausfriedensbruch begangen | |
hätten. In der Urteilsbegründung habe sich die Richterin zudem verwundert | |
gezeigt, dass der Gerichtsvollzieher überhaupt tätig geworden sei, | |
berichtet die Anwältin Undine Weyers, die die Betroffene vor Gericht | |
vertreten hatte. Ohne Räumungstitel gegen die Untermieter des Nutzervereins | |
habe es nichts zu vollstrecken gegeben. | |
## Es geht auch anders | |
Allerdings muss man der Polizei auch zu gute halten, dass sie nicht immer | |
nur auf Seiten der Immobilienbesitzer stand. Im Oktober 1993 hatte der | |
Eigentümer der Kastanienallee 77 in Prenzlauer Berg einen privaten | |
Räumtrupp geschickt, um die dort lebenden BesetzerInnen rauszuschmeißen. | |
Als die Bauarbeiter die Haustüren mit Kettensägen und Rammböcken | |
zerstörten, riefen die BesetzerInnen die Polizei. [6][Die stoppte umgehend | |
vor Ort den illegalen Räumtrupp] leitete ein Ermittlungsverfahren wegen | |
Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch ein – gegen den Hauseigentümer, | |
seinen Anwalt und den Bauleiter. | |
Zu der ungewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen BesetzerInnen und Polizei war | |
es gekommen, weil die Hausbewohner sich zuvor bei der Polizeiwache über | |
ihre Rechtslage informiert hatten. Eine Räumung ohne Gerichtsurteil, hatte | |
der zuständige Leiter des Polizeiabschnitts erklärt, sei illegal. Falls es | |
dazu komme, solle man ihn rufen. | |
13 Jul 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Hausprojekt-Rigaer-Strasse-94-in-Berlin/!5323199 | |
[2] /1/archiv/ | |
[3] /1/archiv/ | |
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[6] /1/archiv/ | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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