# taz.de -- Mediale Darstellung des Terrorismus: Bilderverbote machen nur heiß | |
> „Le Monde“ und „Zeit“ verzichten darauf, Bilder von terroristischen T… | |
> zu zeigen oder setzen sie hinter zarte Nebelschleier. Wem dient diese | |
> Geste? | |
Bild: Dhaka wurde Anfang Juli Ziel einer terroristischen Geiselnahme. Bilder gi… | |
Die Donnerstag erschienene Ausgabe der Zeit widmet sich unter der | |
Überschrift „Mörderischer Funke“ dem Terrorismus der jüngeren Zeit sowie | |
dem Amoklauf von München. Der Clou: Die Bilder der Täter sind so bearbeitet | |
worden, dass sie nicht mehr erkannt werden können. | |
„Was wir nicht mehr sehen wollen“ heißt der programmatische Titel hierzu: | |
„Wir wollen nicht dazu beitragen, dass Mörder zu Helden werden – und dass | |
ihr Kalkül aufgeht: durch Grausamkeit berühmt zu werden. Dass Medien | |
blutige Bilder verbreiten, gehört zum Plan der Täter. Ihm wollen wir nicht | |
folgen.“ | |
Die französische Tageszeitung Le Monde hat sich zum gleichen Schritt | |
bewogen gefühlt. Der Leitartikel von Mittwoch ist mit „Résister à la | |
stratégie de la haine“ betitelt – der Strategie des Hasses widerstehen. | |
Beide Zeitschriften profilieren sich mithin als Medien, denen Achtsamkeit | |
und Feingefühl eigen ist – in Wahrheit, gleichwohl, sind beider Aktionen | |
wohlfeil. Bilderverbote, vor allem religiös formulierte, haben noch nie | |
funktioniert. Wer Unliebsames verhüllt oder unkenntlich macht, stimuliert | |
die Neugier, ja, die Schaulust des Publikums nur noch mehr. | |
Außerdem: Welcher der Attentäter der vergangenen Wochen liest Medien wie | |
die Zeit oder Le Monde überhaupt? Glaubt bei diesen Zeitungen jemand, dass | |
ein junger männlicher Erwachsener, der just eine gewisse Amokhaftigkeit | |
oder IS-Affinität in sich aufsteigen fühlt wie eine seltsame Hitze, die | |
Zeit liest und erkennt: Ooops, mein Gott, sie werden mich nicht abbilden, | |
wenn ich nach meiner Selbstverwirklichungstat im Himmel bin – nee, wie | |
doof, dann verzichte ich lieber und senke meine seelische | |
Betriebstemperatur!? | |
## Pornografische Oberflächen | |
Welch obskure Medienfantasie! Denken diese Blätter – Kernobjekte | |
bildungsbürgerlicher Bewusstseinsbildung – ernsthaft, im Anblick liege eine | |
Verstörungs- und Infektionsquelle geborgen, die gebannt werden könnte? | |
Bilderverbote dienten dazu, die Bekehrten vom Glauben an ein konkret | |
höheres Wesen zu befreien. Im wahren Leben waren Verzichte oder Verbote zum | |
Zeigbaren nur dienlich in den (körper-)politischen Sphären des menschlichen | |
Lebens: Frauen sollten sich deshalb unter viel zu viel Textilien packen, um | |
keine sexuellen Reize zu verströmen. Der Effekt war stets der Gleiche, | |
immer ging es um pornografische Oberflächen: Die Frau war nur noch Sex, | |
nicht mehr Mensch an sich. | |
Zensur, so machte sich Karl Marx einst lustig, feuere nur Neugier an. Das | |
Material, das vor den Blicken der anderen bewahrt werden soll, wird begehrt | |
wie nichts anderes. | |
Für das Aktuelle gilt: Wer das Realistische nicht aushält, guckt ohnehin | |
weg. Wer einen Täter sehen will, kann dies im Internet tun. Für | |
Interessierte gibt es Medien sonder Zahl, da braucht es die oben genannten | |
Zeitungen nicht. Außerdem: Was spricht eigentlich dagegen, die Täter zu | |
erkennen, sie zu studieren – aller Kritik an der Fotografie als | |
einfrierender Kunstform zum Trotz? | |
Hätte die Verpixelung der Twin Towers nach dem 11. September irgendeinen | |
Islamisten davon abgehalten, zu tun, was er tun will? Etwa in Brüssel? Bei | |
Charlie Hebdo? Vor dem jüdischen Supermarkt in Paris? In Bangladesch | |
neulich oder in Nigeria Boko Haram? Was Täter anregt, sind ihre inneren | |
Erzählungen. Folgten wir ihnen, hätte dies eine (Schau-)Verbotsorgie zur | |
Folge – und die Täter hätten gewonnen. | |
28 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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