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# taz.de -- Streit um Moscheebau: Unheimliche Allianzen
> Der Bau einer Moschee in Erfurt ist für die Alternative für Deutschland
> ein gefundenes Fressen. Sie mobilisiert dagegen und trifft dabei auf alte
> Bekannte.
Bild: Drei Männer für eine Moschee
An diesem Morgen im Juni hat Mohammad Suleman Malik die Pläne eingepackt,
die der Architekt gezeichnet hat: die Draufsicht, die Nordostsicht, das
Minarett. Der Sprecher der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat-Gemeinde Thüringen führt
einen Tross an. Sie gehen durch eine Sackgasse im Industriegebiet von
Erfurt-Marbach, rechts das THW, links der TÜV, ringsum Felder. An einem
Schlagbaum am Ende der Straße stoppen sie. Malik faltet die Pläne
auseinander und hält sie seinen beiden Gästen hin. Alle drei Männer tragen
anthrazitfarbenen Anzug, helles Hemd, rote Krawatte, sie stehen da wie
Schnellrestaurantmanager, die eine neue Filiale einweihen, aber vor ihnen
ist bloß eine leere Wiese, grob gemäht, am Ende ein paar Büsche, dahinter
das Rauschen der Schnellstraße.
Vor zehn Wochen hat Matthias Anschütz den Thüringer Landesverband der
Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) gegründet, jetzt schaut er auf
die Skizze und klemmt dabei die Zunge zwischen die Zähne, als müsse er die
Moschee nun selbst aus Fertigbauteilen zusammensetzen. Neben ihm steht sein
Parteichef Bernd Lucke und zeigt mit dem Finger auf die Stelle, an der der
Architekt das „Foyer Männer“ eingezeichnet hat. Die Kameraverschlüsse der
Pressefotografen, denen Lucke zuvor Bescheid gegeben hat, klicken.
Zuvor, Mitte Mai, hatten 700 Menschen in Erfurt gegen den Moscheebau
protestiert. Bislang existiert nur eine sogenannte Bauvoranfrage. 70
Mitglieder hat die Ahmadiyya-Gemeinde in Thüringen, für rund 30 soll das
Gebetshaus ausgelegt sein. Und nur wenige Tage vor Luckes Besuch am
Baugrundstück veranstaltete die Alternative für Deutschland (AfD) einen
„Bürgerdialog“ zur Verhinderung des Moscheebaus.
## Schnellstmögliches Bürgerbegehren
Fraktionsgeschäftsführer Stefan Möller erklärt dort, die
„Ahmadiyya-Gemeinde strebt die Weltherrschaft des Islam an“. Danach
veröffentlicht er eine Erklärung: „Wir haben den politischen Auftrag
mitgenommen, schnellstmöglich die Voraussetzungen für ein erfolgreiches
Bürgerbegehren gegen den Moscheebau zu schaffen.“ Malik, Lucke und Anschütz
stehen jetzt also vereint gegen die AfD auf der noch unbebauten Wiese.
Gegen eine Partei, die Lucke erschaffen und die ihn hinausgeworfen hatte –
in die Bedeutungslosigkeit.
Dann sagt Lucke, es sei beschämend, dass die Gläubigen der
Ahmadiyya-Gemeinde sich hier, hinter den Büschen, am Ende der Sackgasse
verstecken und dass sie eigentlich ein schönes, großes Gotteshaus, mitten
in der prächtigen Altstadt Erfurts bauen sollten. Es scheint so, als habe
er das Nationale, das die Islamgegner antreibt, nicht zuvor
höchstpersönlich zum Grundprinzip der AfD gemacht.
Die Gemeinde sei mit dem kleinen, abgelegenen Grundstück zufrieden, sagt
Malik. Wenig später sitzen die drei an einem Tisch im Saal eines
Verwaltungsgebäudes des Roten Kreuzes. Pressekonferenz. Journalisten aus
Erfurter Redaktionen sind Luckes Einladung gefolgt. Junge Männer aus Maliks
Gemeinde haben Stellwände aufgeklappt, auf denen über die
Ahmadiyya-Gemeinde informiert wird, eine kleine muslimische Strömung, die
vor rund 100 Jahren im pakistanischen Punjab entstand.
## Alfa ohne Zweifel
„Was wir dringend brauchen, ist Zusammenhalt“, sagt Lucke, umrahmt von
Malik und Anschütz. „Ich bin bestürzt, dass meine frühere Partei ein
Bürgerbegehren gegen den Moscheebau plant.“ Die Religionsfreiheit gewähre
das Recht, ein Gotteshaus zu bauen „dazu gehört, nicht nur im stillen
Kämmerlein zu beten“. Dass die AfD dies infrage stelle, sei
„grundgesetzwidrig“ und „ein Grund, weswegen viele Alfa-Aktive die AfD
verlassen haben“. Es gebe „gar keinen Zweifel, dass Menschen wie Herr Malik
einen friedlichen und toleranten Islam repräsentieren“. Und trotzdem sei da
„eine Einschüchterung zu spüren, die ich ihnen nehmen möchte“, sagt Bernd
Lucke.
Als die AfD-Fraktion ihr Volksbegehren gegen Maliks Moschee ankündigt,
präsentiert sie ein Buch, das sie in Thüringen verteilen will: „Der Islam.
Fakten und Argumente“, ein Band von 142 Seiten, dessen zentrale Botschaft
lautet: Der Islam ist keine Religion, sondern ein politisches Projekt.
Unvereinbar mit Demokratie und freiem Leben.
Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender, sagte bei der Vorstellung: „Wir wollen
eine Debatte über den Islam erzwingen und wir werden sie erzwingen.“ Wie
Gesellschaften aussehen, die den islamischen Vorstellungen entsprechen, sei
in der islamischen Welt zu beobachten: Frauen würden diskriminiert,
Meinungs- und Pressefreiheit beschränkt, Ungläubige verfolgt.
„Nichts von alledem ist für uns erstrebenswert, nichts davon könnte als
‚Bereicherung‘ begriffen werden“, schreibt Höcke im Vorwort des Bandes.
Noch bevor es in großer Auflage gedruckt wird, laden sich in den nächsten
Wochen 18.000 Menschen das Buch herunter. Das letzte Kapitel heißt: „Müssen
wir uns vor dem Islam fürchten?“
Nur zwei Tage nachdem ein junger Flüchtling in Würzburg Zuggäste mit einer
Axt schwer verletzte, sitzte der Verfasser des Bandes, Michael Henkel, in
einem Besprechungssaal des Erfurter Landtags. Henkel ist Mitte 40, er trägt
ein kurzärmliges Hemd, ein Akademiker im Mittelbau. Zwei Jahrzehnte hat er
die „Geschichte des politischen Denkens“ erforscht, zuletzt vertrat er
Professoren an der Universität Leipzig.
## Der Alkohol und die AfD
Als er sah, dass Höcke einen Referenten für Grundsatzfragen suchte, stieg
er um. Es gehöre zu „dieser Naivität“, sagt Henkel, dass Taten wie die von
Würzburg als „Missbrauch“ der Religion dargestellt würden. „Der junge M…
kam natürlich aus kulturell islamischem Kontext, deshalb war er für die
Propaganda empfänglich.“ Dies zu bagatellisieren heiße, „zu sagen,
Alkoholismus hat nichts mit Alkohol zu tun“.
Er spricht von der „Lebensfeindschaft“ und von „radikaler Lebensverachtun…
des islamischen Terrors. Das Buch ist seine Art, mit dieser
„atemberaubenden“ Entwicklung umzugehen. Henkel schrieb also keine
wissenschaftliche Auftragsarbeit, er brachte seine eigene Agenda zu Papier.
Mittlerweile prüft der Rechnungshof, ob die Fraktion das Buch überhaupt
hätte bezahlen dürfen. Henkel nennt das „merkwürdig“. „Natürlich dür…
Aufklärungsarbeit betreiben.“
Ein Jahr arbeitete er daran. Dass es Grundlage der Kampagne gegen den
Moscheebau würde, „konnte damals keiner wissen“, sagt er.
Der Jenaer Islamwissenschaftler Tilman Seidensticker bewertet das Werk als
„kenntnisreich“, aber „verzerrend“, „mit islamfeindlicher Tendenz“.…
sagt, er übe lediglich Kritik. Und aus dieser folge, dass der Islam mit dem
Säkularismus nicht unter einen Hut zu kriegen sei. Die Aleviten und die
wenigen Vertreter des Euro-Islam seien „die einzigen, mit säkularem
Weltverständnis, die mir einfallen“. Und deshalb sorgt ihn die „Ausbreitung
des Islam“. Dafür gilt ihm auch die Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde mit
ihrem elf Meter hohen Minarett.
„Dafür gibt es keinen zwingenden religiösen Grund“, sagt Henkel. Das
Demonstrative stört ihn. Er spricht von „Islamisierung.“
## Loyal gegenüber dem Staat
In seinem Buch zitiert er den 2003 gestorbenen Kalifen der
Ahmadiyya-Gemeinde, der schrieb, die Scharia als „ausdrücklicher Wille
Gottes“ enthalte die „essenziellen Richtlinien für die Gesetzgebung“, die
„keine demokratisch gewählte Regierung ausschalten“ könne.
Gemeindesprecher Malik ist nicht gut auf Henkels Befund zu sprechen. „Meine
Scharia sagt mir, dass ich loyal gegenüber dem Staat sein soll, unter
dessen Dach ich lebe.“ Maliks Vater kam in den 1990er Jahren aus Pakistan
nach Erfurt. Es gebe „keinen Zwang“ in seinem Glauben, selbst das Abfallen
vom Islam werde nicht sanktioniert. „Die haben sich mit dem Islam nicht
auseinander gesetzt.“ Das Buch sei eine „Polarisierung“, an einer
„theologischen Antwort“ würden die Gelehrten seiner Gemeinde gerade
schreiben. „Der Islam ist eine Religion, die es seit 1.400 Jahren gibt. Sie
hat so viele Kritiker überlebt, wir überleben auch Björn Höcke.“
Manche in der Gemeinde aber seien durch die Kampagne der AfD
eingeschüchtert. „Aber im Dialog kann man die Vorurteile abbauen“, hofft
er. Jeden Samstag stellen die Muslime in der Erfurter Innenstadt einen
Infostand auf, sie pflanzen Bäume in der Stadt, fegen öffentliche Straßen,
fahren in Städte wie Chemnitz und verteilen auch dort Flugblätter. Für den
kommenden August hat Malik eine Ausstellung zu „Goethe und Islam“ in Weimar
organisiert. Es ist auch der Versuch, Menschen wie Henkel zu widerlegen.
Aber eigentlich, sagt Malik, müsse seine Gemeinde niemandem etwas beweisen.
„Nur eben den Leuten, die Höcke gewählt haben. Mit denen muss man
sprechen.“ Oder mit denen, die ihm den Weg bereitet haben.
Als sich die Pressekonferenz mit Bernd Lucke dem Ende neigt, wünscht er der
Gemeinde, „dass Sie die Genehmigung bekommen“. Malik nimmt eine Tüte und
zieht zwei Bücher heraus. „Das ist das Heiligste, was ich ihnen schenken
kann“, sagt er: „Den heiligen Koran und diese wunderbare Biografie des
Propheten“. Lucke nimmt die Bücher. „Das ist schön“, sagt er „denn ic…
noch gar keinen Koran“. Die Verschlüsse der Kameras klicken.
23 Jul 2016
## AUTOREN
Christian Jakob
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